Witwen und Bibel in Tansania
Eine leserinnenorientierte Lektüre von 1 Tim 5,3-16
Stefanie Beck
Nach dem Tod ihrer Ehemänner erfahren afrikanische Frauen, die in patriarchalen Gesellschaften leben, grausame Trauer- und Reinigungsrituale, denen sie sich unterziehen müssen und werden häufig stigmatisiert und als Hexen bezichtigt. In dieser fatalen Situation ist Gott häufig ihr einziger Anker, Gott, der bereits in der Bibel als Beschützer und Vater der Witwen und Waisen auftritt.
Im Alten Testament sind zwei Bücher nach Witwen benannt, das Buch Rut das Buch Judit, und im Neuen Testament finden sich zahlreiche Witwenerzählungen, vorrangig im Lukas-Evangelium, die sich alle durch eine besondere Beziehung zu Gott auszeichnen.
Die Realität in der antiken Welt sah allerdings so aus: Es gab eine große Zahl Witwen, die in den Kirchen ein Amt ausübten, was den Vorstehern der Gemeinden mißfiel. Sie übernahmen nicht nur karitative Tätigkeiten, sondern missionierten und wurden hierfür sogar entlohnt. 1Tim 5,3–16, der die Witwen kategorisiert, wurde von Witwen in Tansania gelesen und interpretiert. Es wird aufgezeigt, wie die Witwen mit diesem befremdlichen Text, der für sie als Witwen verfasst wurde, umgehen und sich nicht von Restriktionen beeinflussen lassen, sondern vielmehr Positives daraus ziehen. Außerdem wird hervorgehoben, wie die Witwen 1Tim auf ihrem kulturellen Hintergrund auslegen, sich in der Gesellschaft positionieren und als Bräute Christi verstehen.