Zwischen transnationalen Beziehungen und rivalisierenden Nationalisierungsstrategien
Identifikationsprozesse von ‚Russen‘ in Estland (1991-2007)
Margarita Aleksahhina
Mai 2014. Politische Krise und bewaffneter Konflikt in der Ukraine. Während
die Rebellen im Osten der Ukraine in europäischen Medien als „prorussische“
Separatisten inszeniert werden, bezeichnen sie sich selbst schlicht als Russen.
Russland fordert die Ukraine zum Dialog mit allen „Ukrainern“ auf. Die NATO
will rüsten und entsendet Schutztruppen in die baltischen Staaten. Um welche
kollektive Identität wird denn gekämpft?
Als im Zuge der Demokratiebewegung das multinationale Reich – die Sowjetunion
– 1991 zerfiel, gerieten die Identifikationsprozesse der russischsprachigen
Minderheiten in Estland, Lettland, der Ukraine, der Republik Moldau und
Kasachstan etc. ins Zentrum der erhöhten Aufmerksamkeit der Forschung.
Die russischsprachige Bevölkerung bildet heute in Estland circa 32% der Bevölkerung,
etwa 25% davon sind ethnisch definierte Russen. Trotz ihrer Zahl mobilisierte
sich die russischsprachige Minderheit in Estland nicht, um sich dem
Nationalisierungsdruck in ihrem Residenzstaat zu entziehen. Das Interesse
dieser Fallstudie richtet sich sowohl auf die Konstruktion der Identität als auch
auf die Identitätsbildung kultureller und politischer Orientierung durch Bezugnahmen
der Angehörigen der Minderheit auf Residenz- und Referenzstaaten
mit Blick auf Institutionalisierung und Kodifizierung der Grenzen und nationale
Diskurse und auf trans- bzw. internationale Akteure.