Die ersten beiden Auflagen konzentrierten sich vor allem auf Reisende in Wüstenarabien (Arabia Deserta) und das Glückliche Arabien (Arabia Felix). Die Reisenden in Syrien und Palästina wurden ausgesprart, da jene Regionen des Fruchtbaren Halbmondes von jeher eine Vielzahl von Reisenden angelockt haben: Kaufleute, die in Aleppo und anderen Städten Syriens und Libanons ihr Kontor oder ihre Faktorei hatten; Pilger, die die heiligen Stätten des Alten und Neuen Testaments besuchten, aber auch erste Naturforscher, die Käfer, Pflanzen und Schmetterlinge sammelten.
Die Aufnahme dieser Reisenden, Pilger und Forscher rechtfertigt auch den veränderten Buchtitel „Durchs Heilige Land, Wüste und Steppe. Entdeckerlexikon Arabien und Palästina Biographien und Berichte“.
Äußerer Anlass und Inspirator zu dieser Kraftanstrengung war wie bei der zweiten Auflage Johann Ludwig Burckhardt. Stand bei der zweiten Auflage seine Entdeckung Petras 1812 Pate, so ist es bei der dritten Auflage der 200. Todestag von Johann Ludwig Burckhardt am 15. Oktober 2017.
Ziel der dritten Auflage ist, neben der Aktualisierung der bereits aufgenommenen Reisenden auch jene Reisende in den urbanen Regionen Arabiens oder der arabischen Halbinsel zu Wort kommen zu lassen, so dass sie selbst ihre Eindrücke von Menschen, Sitten, Kultur und Landschaft schildern können. Die Auswahl der Zitate ist natürlich rein subjektiv und wohl zuweilen willkürlich, doch verfolgt der Autor das Ziel, Reisende in ihrer ganzen Meinungsvielfalt zu Wort kommen zu lassen und möglichst viele Aspekte des alltäglichen Lebens abzubilden.
Arabien oder die arabische Halbinsel ist in erster Linie ein geographischer Begriff. Er beschreibt die Halbinsel als größte Halbinsel der Erde: im Westen begrenzt vom Golf von Aqaba und dem Roten Meer, im Süden das Arabische Meer und im Osten der Persische resp. Arabische Golf. Bei der Abgrenzung der Landgrenze im Osten und Norden zur Definition des Reise-Raumes hat sich der Autor jener Karte bedient, die nach 1915 für wenige Jahr die räumlichen Greznen eines arabischen Einheitsstaates definierte. Die Karte zeigt, wie der Großscherif und spätere König (ab 1917) Husain ibn Ali die arabische Halbinsel mit den Händen umfasst, im äußersten Norden ist sein Konterfei platziert.* Das im Arabischen mit
al-Bilad al-Arabiya bezeichnete Staatswesen schloss die Sinai-Halbinsel mit ein, die auch geographisch mit zu Asien gehört. Die nördliche Grenze Arabiens markiert der 37. Breitengrad, die König Husain vom britischen Hochkommissar in Ägypten, Sir Arthur Henry McMahon, zugesichert wurde. Als östliche Begrenzung zu Lande dient die Staatsgrenze des Irak zu Persien (ab 1935 Iran).
Jene Ereignisse, der Briefwechsel und die Zusagen des britischen Hochkommissars an Großscherif Husain, liegen einhundert Jahre zurück. Das abgegebene britische Versprechen enthielt zahlreiche Vorbehalte bezüglich der Grenzziehung und des Verwaltungsregimes eines arabischen Reiches. Die britische Politik beherrschte die feinsinnige Politik des „teile und herrsche“. Sie legten sich völkerrechtlich nicht fest. Ganz im Gegensatz zu den von McMahon gegebenen Versprechungen an Scherif Husain einigten sich die französische und britische Regierung im Sykes-Picot-Geheimabkommen vom Mai 1916 über die Aufteilung der arabischen Provinzen des Osmanischen Reiches. Für Palästina sah das Abkommen einen internationalen Status vor. Doch es sollte anders kommen. Der britische Außenminister Arthur James Balfour gab am 2. November 1917 den Führern des politischen Zionismus das schriftliche Versprechen auf eine jüdische Heimstatt in Palästina. Zwei unterschiedliche Quellen nährten den Zionismus. Die Juden Osteuropas wollten der gesellschaftlichen Misere in ihrer Heimat entfliehen, so wurde erst 1861 die Leibeigenschaft in Russland aufgehoben. Zudem lebten in den jüdischen Gemeinden noch Heils-ererwartungen aus dem Mittelalter, die an „Zion“ geknüpft waren. Den Juden Westeuropas fehlte vor allem ein territorialer Rückhalt. Dem Wiener Journalisten Theodor Herzl (1860–1904) gelang es, beide Strömungen zusammenzuführen. Nach dem ersten Weltkrieg begann die Einwanderung zionistischer Siedler. Die Wurzeln des bis heute andauernden Palästina-Konflikts waren gelegt. Die Einwanderer veränderten rasch die ethnische Struktur der Bevölkerung Palästinas. Im Jahr 1938 wurde erstmals eine Aufteilung Palästinas unter Arabern und Juden erwogen.
Die Gründung des Staates Israel am 14. Mai 1948 weitete den Palästina-Konflikt zum Nahostkonflikt aus. Wennige Stunden später griffen die Armeen Ägyptens, Transjordaniens, Iraks, Syriens und des Libanon Israel an, doch die hochmotivierten israelischen Soldaten hielten den Angriffen der überlegenen, aber zum großen Teil schlecht geführten feindlichen Streitkräften stand.
Knapp siebzig Jahre später ist Arabien – genauer die arabische Halbinsel in den zuvor definierten Grenzen – ein Pulverfass. Mehrere Staaten wie Irak, Syrien, Libanon und Jemen sind in blutige Bürgerkriege verstrickt, ausländische Mächte bombardieren Terrormilizen oder was sie dafür halten. Das Bestreben des Autors ist, mit dieser dritten Auflage einen Schlussstrich unter seine fast zwanzigjährige Arbeit an diesem Thema zu ziehen. Sicher ist solch ein Lexikon ein Wagnis, und Andreas Dittmann bemerkt zu Recht: „Wenn in Zeiten, da lexikalisches Wissen ubiquitär per weniger Mausklicks digital über verschiedene Plattformen allgegenwärtig verfügbar scheint, ein Lexikon zu einem für die meisten sicher nicht alltäglichen Themenfeld noch in Druckform herauskommt, dann ist allein dies schon eine Sensation.“**
Verlag und Autor wünschen sich, dass die Leser in Zeiten einer massenhaften Migration aus dem Nahen Osten nicht den Blick auf die wirklichen Ursachen von Gewalt in der Region verlieren und auch die Tugenden vieler arabischer Menschen schätzen lernen, die Gertrude Bell in dem Film „Königin der Wüste“ gegenüber Mark Sykes, dem britischen Unterhändler des Sykes-Picot-Abkommens, so zusammenfasste: ihre Würde, ihr Stolz und ihr Freiheitswillen.
Aktualisiert: 2019-12-14
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