DREIZEHNTE VERTIKALE POESIE – DECIMOTERCERA POESÍA VERTICAL

DREIZEHNTE VERTIKALE POESIE – DECIMOTERCERA POESÍA VERTICAL von Burghardt,  Juana, Burghardt,  Juana & Tobias, Juarroz,  Roberto
Band 10 der Stuttgarter Juarroz-Werkausgabe mit dem zweisprachigen Einzeltitel »Decimotercera poesía vertical – Dreizehnte vertikale Poesie« des argentinischen Dichters und Denkers Roberto Juarroz (1925–1995). 1997 gelangte dieser viel gerühmte Titel gleich zweimal auf die obere SWF-Bestenliste. »In diesen Gedichten könnte jedes Wort das letzte sein, sogar das erste. Und dennoch geht das Letzte darüber hinaus.« Antonio Porchia
Aktualisiert: 2022-09-15
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ZWÖLFTE VERTIKALE POESIE – DUODÉCIMA POESÍA VERTICAL

ZWÖLFTE VERTIKALE POESIE – DUODÉCIMA POESÍA VERTICAL von Burghardt,  Juana, Burghardt,  Juana & Tobias, Juarroz,  Roberto
Freund Juarroz: Verzeihen Sie, dass ich so lange brauchte, um Ihnen zu antworten, aber erst kürzlich kehrte ich nach Paris zurück, nachdem ich einige Monaten in Wien arbeitete. Seit geraumer Zeit wollte ich Ihnen sagen, dass mir die Zeitschrift sehr gefällt, weil ich aus der Ferne die neuen und jungen Stimmen Argentiniens vernehmen kann. Aber ich schreibe Ihnen jetzt aus einem anderen, dringenderen Grund: ich habe gerade die ZWEITE VERTIKALE POESIE gelesen und bin noch ganz fasziniert davon, ohne jenen Schritt nach hinten zu machen, den wir unumgänglich tun, nachdem uns ein Poet ein wenig auf dem Weg zur großen Wahrheit seiner Welt, der Welt, vorwärtskommen ließ. Ihre Gedichte gehören für mich zum Höchsten und Tiefsten (das eine wegen des anderen, natürlich), das in diesen Jahren in der spanischen Sprache geschrieben wurde. Ich hatte stets den Eindruck, dass Sie es schaffen, das, was Sie suchen, zu Gesicht kommen zu lassen in einer Sichtweise, die völlig frei ist von Unreinheiten (wörtlichen, dialektischen, historischen) und die in der Morgenröte unserer Welt die vorsokratischen Poeten hatten, jene, die die Professoren als Philosophen bezeichnen: Parmenides, Tales, Anaxagoras, Heraklit. Ihnen (und ihnen) genügt es, sich umzuschauen, damit je­de prosaische Sicht in Stücke zerfällt angesichts dieser gesamten Aneignung des Daseins durch die Poesie. Ich ha­be die Gedichte laut gelesen, was mir mehr liegt (andere entziehen sich mir oder verlangen nach einer Interpretation, was vielleicht ein Selbsttrost ist, weil sie nicht gleich intuiert werden können). Und jedesmal hat sich diese überraschende Empfindung der Verwunderung, Verzückung und Anverwandlung eingestellt. Ich habe immer eine Poesie geliebt, die aus der Umkehrung der Zeichen entsteht; der Gebrauch der Abwesenheit bei Stéphane Mallarmé, einige „Anti-Essenzen“ bei Macedonio Fernández, die Pausen in der Musik von Anton Webern. Sie aber steigern jene Umkehrungen bis zum Unglaublichen, was in anderen Händen lediglich als Wortspiel endet. Und dann sind jener sehende Blick und der Blick, der nicht sieht, einmal in einem gleichen Faden zusammengedreht, etwas wunderbar Fruchtbares, eine Erfindung des Seins. Seit langer Zeit habe ich keine Gedichte mehr gelesen, die mich derart berührten und begeisterten wie Ihre, und das sage ich Ihnen in dieser Eile und ohne erneutes Nachlesen, denn am Ende wird man ganz dumm und so viele wohlklingende Worte beängstigen. Aber ich fühle, dass Sie mir glauben werden und dass wir nunmehr Freunde sind, und eine Umarmung. Julio Cortázar
Aktualisiert: 2022-05-12
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Sonidos graves & Mariposas en la lengua – Dunkle Klänge & Zungenfalter

Sonidos graves & Mariposas en la lengua – Dunkle Klänge & Zungenfalter von Burghardt,  Juana, Burghardt,  Juana & Tobias, Burghardt,  Tobias, Lanese,  María
María Lanese ha construido una poesía del tiempo, del amor y de la nostalgia que toca a menudo lo magistral. Raúl Zurita María Lanese hat eine Poesie der Zeit, der Liebe und der Nostalgie erschaffen, die oftmals das Meisterhafte berührt. Raúl Zurita
Aktualisiert: 2020-12-31
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SIEBTE VERTIKALE POESIE – SÉPTIMA POESÍA VERTICAL

SIEBTE VERTIKALE POESIE – SÉPTIMA POESÍA VERTICAL von Burghardt,  Juana, Burghardt,  Tobias, Juarroz,  Roberto
Band 4 der Stuttgarter Juarroz-Werkausgabe mit dem zweisprachigen Titel »Séptima poesía vertical – Siebte vertikale Poesie« des argentinischen Dichters und Denkers Roberto Juarroz (1925-1995). Der Literaturverlag Edition Delta führt damit die Stuttgarter Juarroz-Werkausgabe, die nun mit seinen ersten sieben nummerierten und gleichlautenden Einzeltiteln aus den Jahren 1958-1982 bis zur Hälfte vorliegt, für das deutschsprachige Lesepublikum weiter.
Aktualisiert: 2020-02-09
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Vertikale Poesie (1958-93)

Vertikale Poesie (1958-93) von Burghardt,  Tobias, Cortázar,  Julio, Juarroz,  Roberto
Poesie einer glühenden Transparenz Vicente Aleixandre ein Gedanke, der geatmet werden kann Roberto Juarroz Sprache, reduziert auf einen Tropfen Licht Octavio Paz Eine Auswahl aus dem Gesamtwerk von Roberto Juarroz mit weit über tausend Gedichten kann immer nur vorläufig sein, vorläufig für die Rezeption des verblüffend variationsreichen Werkes und mehr noch für die symphonische Komposition eines jeweiligen Einzeltitels. Doch diese Auswahl bietet zudem eine alternative Möglichkeit der Annäherung: in das monolithische Gesamtwerk vorläufig hineinzuschauen, um es schrittweise in jedem seiner poetischen Einzeltitel zu erkennen, von vielen Seiten zu ertasten und dabei manchen Entwicklungen nachzuspüren.
Aktualisiert: 2020-02-09
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Die Piatock-Akademie /La Academia de Piatock

Die Piatock-Akademie /La Academia de Piatock von Burghardt,  Juana, Burghardt,  Tobias, Hernández-D'Jesús,  Enrique, Szpunberg,  Alberto
Das Buch ist ein Traum, der redliche, ernsthafte Traum einer besseren als jener krisengeschüttelten, grimmig-zynischen und in jeder Hinsicht gebeutelten Welt: der Traum von einer gerechten Welt, in der gewisse humanistische Traditionen und Entwicklungen innerhalb der jüdischen Kultur nicht allein für jene, sondern für alle Menschen zurückgewonnen werden können. Der poetische Traum entsteht aus der Zukunft, wiewohl er an die Vergangenheit gekoppelt wird und in der Gegenwart geschieht, indem er unverblümt im Zeitenkreis oder Rad der Zeit webt. Wer ist Piatock? Es gab ihn wirklich. Er war vor rund hundert Jahren ein paríkmaker, ein Friseur und Perückenmacher, im osteuropäischen Schtetl Berdytschiw, einem kulturellen Knotenpunkt für Juden, Polen und Ukrainer seit dem 17. Jahrhundert bis zur Shoa. Piatock war neben seinem Handwerksberuf als Haareschneider und Bartscherer sehr hilfsbereit, wenn es etwa darum ging, eine Latrine mit bloßen Händen zu reinigen oder die Jauchegrube mit der Forke auszuheben und – im wahrsten Wortsinn – den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Er hatte ein Händchen und gutes Gespür für Pferde, denen er ins Ohr flüsterte, manche meinten: 'vielleicht ein Gebet.', andere zweifelten eher: 'besser ist‘s, nicht zu wissen.' Jedenfalls war er für jede Notlage und jedes Elend stets tatkräftig und herzensrein zu haben, um mit seiner bescheidenen Mühe dem Weltenlauf die Bürde dieses entscheidenden Augenblicks leichter ertragbar zu machen, kurz gesagt: dem Barbier von Berdytschiw oder naiven Figaro der Nächstenliebe eilte der mehr nutzbringende als liebevolle Ruf eines weltfremden Hinterwäldlers voraus, wenn nicht gar derber: eines sonderbaren Dorftrottels, eines schrägen Hanswursts vom Jahrmarkt, eines warmherzigen dummen Augusts, der sich ansonsten mit der Geringachtung und dem Scheitern abgefunden zu haben schien. Der Vater des 1940 in Buenos Aires geborenen Dichters Alberto Szpunberg war Uhrmacher und floh im frühen 20. Jahrhundert aus seinem Geburtsort Berdytschiw vor der Armut, dem Kriegsgeschrei und den zaristischen Pogromen nach Argentinien, wo er ein bißchen später gerne seinem Sohn von der fernen Heimatstadt erzählte, in der Berühmtheiten wie Balzac gelebt hatten, der in Berdytschiw seine Geliebte, eine russische Gräfin, die gerade verwitwet war, heiratete, wo der polnisch-britische Schriftsteller Joseph Conrad, der jiddisch-russische Dichter und Erzähler Pinchas Kahanowitsch, der ukrainisch-amerikanische Pianist Vladimir Horowitz und der russische Schriftsteller und Journalist Wassili Semjonowitsch Grossman das Licht der Welt erblickten oder der chassidische Rabbiner und Zaddik Levi Jizchak ben Meir von Berditschew (in der russische Schreibweise des galizischen Schtetls) predigte und den Reichen bisweilen ins Gewissen sprach, wenn er ihnen vorhielt, 'die Matzen für das Pessachfest mit dem Schweiß der unterbezahlten Arbeiter zu kneten.' Als der letzte Zar Nikolaus II. nach der Februarrevolution abdankte, lief im Schtetl die Intelligentsia auf die Gassen und sang die Marseillaise, denn kaum jemand, weniger noch Piatock, der weniger als niemand war, konnte die Internationale singen; nur sehr wenige wußten dort vielleicht schon, sie vor sich hinzusummen. Die Französische Revolution von 1789 erreichte Berdytschiw schließlich erst 1917. Bald gehörte das Städtchen zur Ukraine, Polen oder Rußland und wurde vom Dritten Reich besetzt. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit und der Traum von großen Ideen, die die Welt bewegen, beflügelten und erhitzten die Gespräche mit dem Vater, der immer wieder darauf beharrte, daß 'die Welt nicht eher gut in Gang kommt, bevor sie nicht von der Platonischen Akademie regiert wird'. Alberto Szpunberg konterte mit jugendlicher Begeisterung: 'Platon? Nein, Papa., sondern Piatock! Die Welt muß in die Händen der Piatock-Akademie gelegt werden!' Die höchsten Ziele sollten von einfachen Menschen beraten werden: 'von ganz unten'. Allein Piatock, der Hinterweltler, könnte die Gültigkeit von Vernunft, Schönheit und Gerechtigkeit für alle sicherstellen. Mit dem Literaturstudium des Sohnes in Buenos Aires, bei dem er Jorge Luis Borges kennenlernte, dem Widerstandskampf in der Brigada Masetti, der Stadtguerilla, dem Militärputsch der argentinischen Gorillas vom 24. März 1976, dem Untergrund, der Flucht mit seiner Frau und ersten Tochter, dem Exil in Spanien und der Rückkehr nach Argentinien, entstand allmählich 'Die Piatock-Akademie' zwischen Legende und Witzeleien als sein poetischer Entwurf und persönlicher Beitrag zum 'Tikkun Olam', der Reparatur der Welt oder Weltverbesserung, wie es in einer Mitzwe des rabbinischen Judentums von den verzweifelten Kabbalisten im Mittelalter aufgegriffen wurde, um ein für allemal mit den inquisitorischen Verbrennungen aufzuhören, den eigenen und anderen. Piatock feierte natürlich den Schabbat und arbeitete samstags folglich nie, die Muße und Faulheit war ihm religiöses Gebot, weit bevor Paul Lafargue, ein Schwiegersohn von Karl Marx, sie zum Grundrecht erklärt hat. Piatock hielt sich jedoch ebenso an das heilige Gebot des Lebens, daß ihm und seinen Familienangehörigen beim Einmarsch der Nazi-Wehrmacht keinen Freitod erlaubte; gerade 15 Berdytschiwer Juden überlebten. Piatock heißt außerdem der Kater der jüngeren Tochter der Dichters, die im katalonischen Exil geboren wurde, und maunzt mitunter, obgleich er niemals durch die Berdytschiwer Gassen streifte, auch mal auf Jiddisch: ich hob gesén a ßach sachn in main lebn. Nach der bitterbösen politischen Erfahrung in der guevaristischen Linken, dem Verschwinden von 30.000 Menschen durch den Staatsterror der letzten Militärdiktatur 1976-1983 und dem Scheitern des revolutionären Projekts in Argentinien, das weltweit auch keineswegs erfolgreich war und schlußendlich versandete, kam in ihm das Bedürfnis eines tiefgründigen Neuentwurfs auf, der sich in einzelnen Gedichten ausdrückte, die nach und nach mit der Stimme einzelner Mitglieder der Piatock-Akademie sprachen, als befänden sie sich in einer ständigen Versammlung und nähmen den alten Traum der Pariser Kommune erneut auf, der selbst in den Stadtviertelversammlungen 2001 in Buenos Aires auflebte. Darunter befinden sich Gestalten wie der Hungrige Kabbalist, der stottert ('mit schwerem Mund'), der Musiker César Stroscio am Bandoneón, der verschwundene Dichterfreund Miguel Ángel Bustos, ein 'Luftmensch' wie der blaue Geigenspieler von Marc Chagall, ein Rabbiner in Lumpen, den es nach Ñancahuazu auf der Suche nach Che Guevara zieht oder der Bakuninsche Botaniker. Bei jeder einzelnen poetischen Wortmeldung kommen die jeweiligen Bedenken, Vorschläge und Sorgen auf den Tisch, erneute Handzeichen sowie Diskussionen miteinander. Der Mathematiker Merkell, bei dem man hier auf unerklärliche Weise an die Regentschaft der Physikerin Merkel denken könnte, warum auch nicht, möchte ja glauben machen, daß 1 + 1 nicht 2 sind. Der Glasarbeiter entdeckt den Zusammenhang zwischen den Glasscherben, die jeden Tag seine Hände verletzen, und dem Wüstensand, den er seit dem langen Marsch aus der Lohnempfänger-Sklaverei ins Gelobte Land durchquert, jenem eher befreiten, denn kartographierten Gebiet, in dem selbstverständlich für alle Milch, d.h. Nahrung, und Honig, d.h. Süße, ebenfalls eine unentbehrliche Lebensgrundlage, fließen würden. Der rote Faden bleibt einstweilen Piatock vorbehalten, der immer wieder bereitwillig ansetzt, trotz seiner unermeßlichen Welterfahrung eine weitere, bislang ungeschaute Nuance im komplexen Weltenrund zu entdecken, die eine winzige Drehung mehr Schrecken oder Staunen hervorruft, welche das Leben fortlaufend beschert. Mehrfach ergreift der Bibliothekar der Akademie, Reb Arieh Leib ben Naftule, das Wort, der in längst gelesenen Büchern blättert und diese neu betrachtet, in echten Werken wie 'Das Kapital' oder 'Das Kommunistische Manifest' von Marx oder in alten Schriften, teils apokryphen, teils ungeschriebenen, teils erfundenen wie 'Das Buch des Feuers', 'Das Wolkenbuch' und manch andere. Zumal die Versammlung demokratisch und alle beteiligend ist, kommt auch das Pferd von Piatock zu Wort und erzählt von seinen Träumen und Alpträumen, wiehert seinen Liebeskummer, was andere Anwesende kommentieren und ausdeuten. Die Debatten der Piatock-Akademie speisen sich aus zwei wesentlichen Überlegungen, die den argentinisch-jüdischen Dichter maßgeblich bewegen, wie er eigens betont: 'die tragische Krise (Letzter Verfall? Manchmal verzweifle ich.) des jüdischen Humanismus in den von erzrechten Regierungen Israels besetzten Gebieten Palästinas und die tragische Erfahrung des bewaffneten Kampfes in Argentinien. Beide Bezüge erlauben mir, zwischen dem philosophischen Hintergrund der ewigen Träume von einer besseren Welt (das 'Gelobte Land') und den politischen Praktiker der Linken, seit der Pariser Kommune bis heute, hin- und herzugehen – besser gesagt: sie bringen und tragen mich genau dazwischen. Wenngleich beide Motive im Grunde eine gleiche Reflexion darstellen.' Die poetische Fortschreibung zeigt Spuren von Spruchzeilen und Versen, ähnlich der Bibel und dem Talmud oder dem Werk von Walt Whitman, jenseits des Diskursiven, und verknüpft sich hin und wieder bildhaft mit erzählerischen Elementen oder Episoden der Weltgeschichte, etwa der Erstürmung des Winterpalastes, der Erhabenen Unruhe von Artigas, den Folterkammern der argentinischen Diktatur, den 'Verschwundenen' oder den Müttern der Plaza de Mayo, sowie der privaten Geschichtsschreibung der Einzelnen, wozu das Ausüben und Erleiden von Gewalt, Gefängnis, Folter, frustrierte Liebe und beschämende Entlohnung gehören. Eine religiöse Empfindung, sei sie konfliktiv oder harmonisch, übergeht niemals, sondern verbindet immer wieder das Persönliche und das Allgemeine, den Zweck und die Mittel, die Träume und die Wirklichkeit, die kollektive Gestaltung und die persönliche Freiheit, den Verstand und den Wahnsinn, die Macht und die Demokratie, den Verursacher und das Opfer oder den Befehl und den Gehorsam. Mit der ersten These seines Werkes 'Über den Begriff der Geschichte' versucht Walter Benjamin, auf die Wesensverwandtschaft (im Sinne von Max Weber) zwischen Theologie/Religion (dem jüdischen Messianismus) und dem historischen Materialismus (Marx) hinzuweisen, die in zahlreiche Schriften von Adorno, Horckheimer, Habermas, Gershom Scholem, Yosef Hayim Yerushalmi und Michael Löwy einfließt. Gegenüber den fortschrittsgläubigen, linearen Zeitläuften, gemessen in Fünfjahresplänen, bekannte sich Benjamin zur qualitativen und vielschichtigen Zeit der stets offenen Geschichte, die nicht nur aus der Zukunft, sondern auch mit der Vergangenheit webt und somit erst gemeinsam die Gegenwart aperspektivisch erneuernd mitgestalten kann. Eines schönen Tages schloß Alberto Szpunberg die Versammlungsakten der Piatock-Akademie, der er selbstredend angehört: 'Auf bedrückende Weise empfinde ich die Tragödie Palästinas wie eine Wasserscheide. Die ethische Neubesinnung angesichts so vieler bleierner Übergriffe ist für die Juden aus allen Winkeln der Welt unbedingt nötig, beginnend mit Israel selbst, beginnend bei mir selber. Im Zusammenhang mit dem Gebot 'Zachor: Erinnere dich!' sollten wir uns mit aller Wucht und Konsequenz erinnern, als ob im selben Augenblick des Erinnerns das Erinnerte lebendig würde, und uns dabei bewußt machen, daß kein Verbrechen – schon gar nicht und noch viel weniger die Shoa – ein anderes Verbrechen rechtfertigt. Er geht nicht darum, Schrecken zu vergleichen, zu messen, zu verbuchen oder abzuwägen: wenn sich das Opfer in einen Verursacher verwandelt, verbleibt die Macht – verfluchte Beilschneide – in den Händen des Henkers. Und in diesem Sinne ist die folgende Zitatstelle aus dem Talmud Jerushalmi universal eindeutig und klar: Wer einen einzelnen Menschen rettet, hat gleichsam die ganze Welt gerettet!' In den Debatten der Piatock-Akademie klingen darüber hinaus Wortsplitter, Gedankenblitze und Satzfragmente der 'Linken' wider, die inmitten der aktuellen Verwirrung selten ihr eigenes Scheitern thematisiert und nun doch einmal überprüfen kann, welche gemeinsamen ethischen Werte die Menschen überhaupt auf die Straßen treiben. Nicht nur Palästina und Israel, sondern alle, würde Piatock an dieser Stelle gerechterweise einwerfen, verlangen unwiderruflich danach. Wenn jedoch der jüngste Piatock, der katalanische Kater, an Wänden und Möbeln kratzt oder geschickt dem Jagdinstinkt frönt, grübelt der Dichter der Piatock-Akademie, ob diese Obsession der 'Weltverbesserung' jedem Schicksalsschlag widersteht. Alles wird sich wohl hinauszögern. In der Zwischenzeit erschien bereits 'Die Piatock-Akademie' in Venezuela und Argentinien. Auf Hebräisch sind gerade erste Übersetzungen daraus in Tel Aviv gefertigt worden. In Prag und Dresden las Alberto Szpunberg letzten Spätsommer vor ergriffenen Zuhörern, die sehr bald begriffen, ein traumhaft scharfsinniges Lyrikwerk kennenzulernen, das von einem engagierten Schriftsteller geschrieben und gelesen wurde, der schon mancherlei Dinge in seinem bewegten Leben gesehen und erlebt hat. Eine Piatock-Auswahl veröffentlichte die Zeitschrift 'Ostragehege'. Die Werkauswahl 'El viento a veces es como todos – Der Wind ist manchmal wie alle' (Edition Delta, Stuttgart 2008) mit Gedichten aus den Jahren 1962 bis 2007 schließt mit seinem Biogramm. Tobias Burghardt (Der Barbier von Berdytschiw)
Aktualisiert: 2020-02-09
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Welteln /Mundar

Welteln /Mundar von Burghardt,  Juana, Burghardt,  Tobias, Gelman,  Juan
Als JUAN GELMAN 2007 mit dem renommierten Cervantes-Preis, dem wichtigsten Literaturpreis in der spanischsprachigen Welt, ausgezeichnet wurde, hatte er ein unveröffentlichtes Buch in der Schublade, in dem er seine Gedichte aus den jüngsten vier Jahren versammelte und indem er ein Wort als Titel erfand: MUNDAR. Einerseits handelt es sich um eine erstmalige Verbalisierung des Substantivs 'mundo' (Welt), das neue Verb 'mundar' (welteln), ein noch nie dagewesenes Wort, andererseits um eine Komposition aus den beiden Wörtern 'mundo' (Welt) und 'dar' (geben), das sich beim 'd' verwandelt, also ineinander verschmilzt, dann 'Welt geben' bedeuten könnte. Dem Dichter reicht diese Welt nicht, wie sie ist, obwohl ihm die Welt längst reicht, wie sie eben doch nicht ist, und seine weite Welterfahrung gibt er in den Gedichten weiter, überschreitet gewöhnlich bekannte grammatische Grenzen, substantiviert auch umgekehrt Verben oder tastet sich spielerisch im Sprachfluß voran. In seiner poetischen Welt bedarf der Dichter selbst keiner klaren Ideen seines Handeln, denn er glaubt, daß dies schlicht unmöglich ist. Er gehört zu jenen, die ihr schöpferisches Tun nicht erklären können. Für ihn ist die Poesie ein Instrument der Erkenntnis, um die Gründe und Abgründe des Lebens und der Geschichte allgemein und persönlich zu erfahren und zu erkunden. Demnach weiß selbst der Autor nicht mit Gewißheit, was die Poesie eigentlich ist. Vielleicht kann sie der Schatten des Schattens der Erinnerung sein oder aber der Schatten eines blattlosen Baumes. Einige Beispiele daraus oder lieber alle 121 Gedichte auch hier frei und aus sich selbst atmen lassen? Man darf bei diesen Gedichten aufpassen und über Merkwürdigkeiten stolpern und ins Stocken geraten, um diese Poetik zu genießen, in der etwas benannt werden möchte, was noch keinen Namen hat, in der etwas neu gesagt wird und ein Schweigen mitschwingt, in der das Schweigen benannt wird und ein Nichtsein zur Sprache kommt, wiewohl nichts und niemand spricht, um ein Miteinander von Tragödie und Trost zu ermöglichen. Für Juan Gelman gilt die Poesie bisweilen natürlich als der große Trost und auch Zuversicht auf eine Zukunft. Ja, er bezeichnet sich selbst als 'hoffnungslos Hoffenden'. Juan Gelman wurde 1930 in Villa Crespo, Buenos Aires, geboren, wo er aufwuchs, das Colegio Nacional besuchte und zu jener Zeit bereits erste Gedichte schrieb, bevor er in den fünfziger Jahren erstmals seine Verse veröffentlichte und schließlich der Debütband erschien. Nach seinem abgebrochenen Chemiestudium war er als Lastwagenfahrer tätig und transportierte Möbel, bevor das Interesse vor allem journalistischen Tätigkeiten galt und er Korrespondent der chinesischen Presseagentur Xinhua wurde. Sein Herz schlägt seit der jüngsten Jugend weit links, er gehörte bei den argentinischen Jungkommunisten zum 'demokratischen' Block, stritt mit dem 'peronistischen' Block über die Revolution und versöhnte sich wieder beim gemeinsamen Billardabend in der Bar, beim Fußballspielen oder bei Milonga und Tango. Das politische Engagement intensivierte sich in den 60er und 70er Jahren, er wurde Revolutionär und gehörte zu den Montoneros. Als er aus jener Organisation austrat, stand er auf einmal sowohl auf der Todesliste der Triple A als auch der Montoneros selbst. Juan Gelman befand sich im Untergrund, wie etliche argentinische Intellektuelle, Dichter und Künstler. Im Rahmen der Operation Cóndor verschleppten die Schergen der Militärdiktatur in Buenos Aires seinen Sohn Marcelo Ariel Gelman, dessen Leichnam 1989 auf dem Flußgrund des Río Luján in einem Betontank aufgefunden und exhumiert wurde, und seine bis heute in Uruguay verschollene Schwiegertochter María Claudia Irureta Goyena de Gelman, die noch im Militärgefängnis von Montevideo eine Tochter zur Welt brachte: Macarena wurde erst im Frühjahr 2000 bei einer fremden Familie in Montevideo aufgespürt, die das Baby kurz nach ihrer Geburt an sich genommen hatte. Das verschwundene Enkelkind war nach mehr als zwanzig Jahren endlich aufgetaucht und hat inzwischen den Namen ihrer leiblichen Eltern angenommen. Der verfolgte Dichter war Mitte der siebziger Jahren ins Exil nach Europa geflohen, kämpfte aus der Entfernung in Rom, Paris oder Barcelona weiter gegen die Diktaturen Lateinamerikas, suchte jahrzehntelange verzweifelt nach den Verschwundenen und lebt seit den neunziger Jahren in Mexiko-Stadt. Juan Gelman bleibt ein poetischer Avantgardist, ein Mahner in Menschenrechtsfragen und sowohl ethisch als auch ästhetisch ein Vorbild für mehrere lateinamerikanische Dichtergenerationen, seine Werke wurden in zahlreiche Sprachen aller Kontinente übersetzt, die spanischsprachige Literaturszene hat erneut einen wahrlichen Nobelpreiskandidaten, der mit Borges zumindest Kleinigkeiten gemeinsam haben wird, wie er selbst einmal bemerkte. Und dem nie der ureigene Humor fehlt, um Welt zu geben und zu welteln. Das erfundene Wort gefällt ihm sehr. Tobias Burghardt (Splitter)
Aktualisiert: 2020-02-09
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