Was will diese Arbeit? Sie bewegt sich mit der These: 'Am Anfang war das Bild' im Reisegepäck entlang den Spuren der Imagination und will ihr Wesen und ihre Bedeutung klären. Im Mittelpunkt des Interesses steht bei dieser 'Spurensicherung' das Bild als das eigentliche Medium der Imagination und diesem wollen wir uns in drei größeren Abschnitten unterschiedlichen Charakters nähern. Dabei soll im ersten Kapitel vorgeführt und beschrieben, im zweiten gedacht und im dritten an Beispielen anschaulich gemacht werden: von welcher menschlichen Fähigkeit hier die Rede ist (Kapitel I), wie die technischen Bilder des 20. Jahrhunderts auf sie einwirken (Kapitel II) und welche praktischen Ansätze zu ihrer Nutzung es heute gibt (Kapitel III). Einleitend sei der Weg dieser 'Spurensuche' grob nachgezeichnet. 'Am Anfang war das Bild' ist die ethymologische Begriffsklärung des Wortes 'Bild' am Anfang des ersten Kapitels unter der Überschrift 'Bild und bildhaftes Denken als anthropologische Konstante'. Daran schließt sich ein Ausflug in die europäische Geistesgeschichte an: denn der Streit um die Imagination war durch die Jahrhunderte ein 'Dauerbrenner' und Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen Wissenschaftlern, Dichtern und Philosophen. Eine zentrale Stellung bei einer Neubewertung der Imagination nimmt der Humanismus der Renaissance ein, der als geistige Strömung wie eine 'Spur' auf der Bildfläche erschien. Mitten im zunehmenden Geist der Wissenschaftlichkeit formulierte er die Beziehung zur Phantasie wieder als eine positive. Nach diesem geschichtlichen Einblick wenden wir uns am Ende des ersten Kapitels den elementaren Wurzeln der Phantasie zu und folgen den ontogenetischen 'Spuren'. Betrachtet wird die Entstehung des bildhaften Denkens im Säuglings- und Kleinkindstadium unter physiologisch-psychologischen Gesichtspunkten. Im Verlaufe von Entwicklungsstufen der Nachahmung, Entstehung des inneren Bildes über das Spiel und symbolische Denken bis hin zum Traum lässt sich das Bildhafte alsbald als anthropologische Konstante erkennen, zu Lebensbeginn den Übergang von der Subjekt- zur Objektstufe gewährleistend. Als menschliches Charakteristikum, zwischen Wahrnehmung und Verstand vermittelnd, bildet es ferner ein Leben lang einen 'intermediären Raum' für die Begegnung der Innenwelt mit der Außenwelt. Das zweite Kapitel (Zeitbild) beschäftigt sich in essayistischer Form mit der Entstehung der Bildmedien im 20. Jahrhundert und versteht diese als 'Symptom' oder 'Spur' der Vorstellungskraft. Im Allgemeinen gesellschaftlich unterbewertet, wird der Imagination quasi 'Narrenfreiheit' zugesprochen, weil ihr Wirken als konsequenzlos eingestuft wird. Im Gegensatz zu dieser Einstellung soll in dieser Arbeit die Relevanz der Imagination gerade für die Gegenwart und Zukunft aufgezeigt werden: sie stellt auch ein Plädoyer für eine Neubewertung der Imagination dar. Die kulturelle und geschichtliche Konsequenz dieser 'Unterbewertung' ist offenbar geworden und offenbart sich dem aufmerksamen Beobachter jeden Tag von neuem. In diesem Zusammenhang soll die Geschichte der durch Photographie, Film und technische Bilder bewirkten Wahrnehmungs- und Bewusstseinsveränderung erzählt werden, die aus einer Sammlung von Aufsätzen kritisch beobachtender zeitgenössischer Autoren zusammengetragen wurde. Das Kapitel ein- und ausleitend werden dabei unter Grenzgänge/-übergänge Thesen vorgestellt, die sich aus der Materie und der Fragestellung ergeben haben.
Aktualisiert: 2019-01-03
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