Die Rede von der 'Medienkultur' hat sich eingespielt. Doch dies Buch greift auf einen überholten Begriff zurück und nähert sich dem Kino noch einmal als einem Phänomen der modernen 'Massenkultur'. Freunde des Films beklagen oft, daß dem Massenpublikum der ästhetische Sinn ebenso fehle wie der Wunsch nach Erkenntnis. Es will betrogen werden, heißt es, und das mit den geschmacklosesten, 'primitivsten' Mitteln. Dabei ist aus dem Blick geraten, was in den 20er Jahren von Filmkritikern entdeckt wurde: das Massenpublikum hat einen Sinn für die moralische Bedeutung des Kinos.
Vom Theater konnte einmal als einer 'moralischen Anstalt' gesprochen werden. Niemand hat das je vom Kino gesagt und die Versuche der Pädagogen, es dazu zu machen, versagten zum Glück. Und doch führt uns das Beharren auf einem unbekannten Moralischen vielleicht zu einem Verständnis vom Kino als 'Massenkultur'. Fragen wir also nach einer anderen Moral als der klassisch bürgerlichen, des freien Willens, der Pflicht und Schuld. Eine Moral des untätigen Lebens, des 'arbeitslosen' – nicht der Arbeitsgesellschaft. Sie hätte mehr mit dem Ästhetischen zu tun als mit dem Ethischen, mehr mit dem 'Naturschönen' und mit einer Erkenntnis, die von keinem eigenen Interesse ausgeht, vielmehr von dem Anderen bewegt, unwillkürlich entsteht.
Die klassische Ethik Kants wird in diesem Buch als Gründungsmythos der bürgerlichen Gesellschaft gelesen, der seine Aufklärung, seine Entzauberung mit der Entstehung der modernen Massengesellschaft schon erfahren hat, bevor die Dialektik der Aufklärung sie entlarvte. Entzaubert dauert die Ethik jedoch fort: als Projektionsmechanismus. Der Umgang mit der verdinglichten Projektion, nicht ihre willentliche Reproduktion oder der heldenhafte Widerstand gegen sie, ist das eigentlich moralische Problem der Moderne. Dieser Umgang wird im Kino gepflegt; er fordert ein eigenes Vermögen heraus: das der Einbildungskraft.
Der Text ist ein Plädoyer für die Einbildungskraft und praktiziert sie in seinem eigenen Umgang mit Philosophien. Philosophie wird als Gesellschaft des Traums vorgestellt, aber als – im Gegensatz zum Kino – geschlossene Gesellschaft. Ihr verflüchtigt sich das Utopische zu leerer Projektion. Erfüllt hingegen von ausgeschlossenen Einbildungskräften, die nirgendwo in der globalisierten Welt einen Ort haben, ist die Masse im Kino: undurchsichtig, von außen uneinsichtig, können sie jeweils nur sich selbst gewiß werden.
Nach Abendröthe der Subjektphilosophie und Öffentliche Intimität kehrt die Autorin zu den Reflexionen des Frühen Kinos zurück, die in Unheimlichkeit des Blicks begonnen wurden.
Aktualisiert: 2019-03-15
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Körper haben Konjunktur. Dies gilt gleichermaßen für die akademische Diskussion wie für die gesteigerte Aufmerksamkeit, die dem Körper in Alltag, Werbung und Medien zukommt. Im Hollywoodfilm spielt das Somatische seit jeher eine herausragende Rolle: Von Buster Keaton bis zu American Beauty (1999) geht die Faszination des Kinos ganz wesentlich von den dargestellten Körpern aus. Tischleder nimmt den Körperboom kritisch in den Blick und verweist auf seine Schattenseite: die prekäre Rolle des Körpers angesichts zunehmend abstrakter, von Körperlichkeit distanzierter Lebensbedingungen und Denkweisen. Die gegenwärtige Konjunktur des Körpers selbst scheint von einer Art body trouble motiviert.
Im ersten Teil der Arbeit werden eine Vielzahl interdisziplinärer Ansätze aus den Bereichen Gender Studies, Philosophie, Semiotik, Medientheorie, Anthropologie, Psychoanalyse, Entwicklungspychologie und Kulturtheorie diskutiert und aufeinander bezogen. Im Zentrum des Interesses stehen unterschiedliche Phänomene von Entkörperlichung. Die Autorin setzt sich dabei sowohl mit der feministischen Körperdebatte, vor allem mit Judith Butler, auseinander, als auch mit Theorien zur leiblichen Ich-Genese und Sozialisation sowie mit dem Zusammenhang von zivilisatorischem Wandel und Körperempfinden. In einem weiteren Schritt wird Entkörperlichung als Aspekt moderner Gesellschaftsentwicklung diskutiert: Selbstverhältnisse sind einerseits von der Sorge um den Körper – seine Attraktivität, Leistungsfähigkeit und Gesundheit – bestimmt, andererseits werden Körper im (Arbeits-)Alltag zunehmend ruhiggestellt und marginalisiert.
Der zweite Teil des Buches ist dem amerikanischen Kino gewidmet. Es sind vor allem die rassisch-ethnischen und geschlechtlichen Differenzierungsmuster, die im Hinblick auf die Körperproblematik aufschlußreich sind. Die Aufmerksamkeit richtet sich insbesondere auf die Darstellung weißer Körper. Whiteness – als ästhetische Kategorie filmischer Körperinszenierung – und Entkörperlichung bilden in der Geschichte Hollywoods einen engen Zusammenhang. Steht der weiße Körper im frühen Hollywoodkino – etwa in Gestalt der idealisierten Frau – oftmals für die Errungenschaften weißer Zivilisation, so ist die Phänomenologie und Bedeutung des Weißen im Gegenwartskino durchaus ambivalent und vielschichtig.
In ausführlichen Analysen dreier Filme – Philadelphia, Fargo und Titanic – führt Tischleder vor, auf welch unterschiedliche Weise eine ›rassische‹ Ökonomie der Körper und ein Diskurs über Amerika miteinander verquickt sind. Zentrale Mythen der amerikanischen Kultur bilden auf je unterschiedliche Weise den ideologischen Bezugsrahmen dieser Filme, innerhalb dessen weiße Körper gelesen werden. Jedoch erst die detaillierte Analyse ästhetischer Inszenierungstechniken jenseits der filmischen Narration, erlaubt es, zu zeigen, auf welche Weise die Filme an die gegenwärtige Körperproblematik anknüpfen.
Die Frankfurter Amerikanistin Bärbel Tischleder wurde für ihre Dissertation zum Thema "Body Trouble - Entkörperlichung, Whiteness und das amerikanische Gegenwartskino" mit dem Cornelia Goethe-Preis ausgezeichnet. In ihrer Arbeit setzt sich die 34-Jährige sowohl mit der Körperdebatte in den Kunstwissenschaften als auch mit dem aktuellen amerikanischen Film auseinander. Es geht um den Körperboom und die Rolle des Körpers in der modernen und körperfernen Welt. Dargestellt wird dies anhand des zeitgenössischen Hollywoodkinos, dessen Faszination wesentlich von dargestellten Körpern ausgeht.
Für ihre Arbeit, die im Stroemfeld Verlag Frankfurt am Main erschienen ist, wurde die Autorin bereits im Juli mit dem Förderpreis 2002 der Deutschen Gesellschaft für Semiotik in Kassel geehrt. Die Auszeichnung des Cornelia Goethe Centrums, eine Einrichtung der Universität die sich mit Frauenstudien und der Erforschung der Geschlechterverhältnisse beschäftigt, ist mit 2000 Euro dotiert und wurde erstmals verliehen.
Aktualisiert: 2019-03-15
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»Fröhliche Wissenschaft« – so hieß vor zwanzig Jahren eines der von Annette Brauerhoch mit herausgegebenen Hefte von Frauen und Film. In dem Rekurs auf Nietz-
sches Wendung steckt die Spannung zwischen Lust und Leid, die Sehnsucht nach Leichtigkeit wie auch nach Leidenschaft in einer oft als zermürbend empfunde-
nen akademischen Praxis. Film, lange Zeit nicht als ernsthafter Forschungsgegenstand anerkannt, schien aufgrund seiner Anrüchigkeit und Randständigkeit besonders geeignet, die Universität anders zu denken.
Dort wurde die Filmwissenschaft schnell Teil einer als universal verstandenen Medienwissenschaft, die auch hochschulpolitisch erfolgsträchtiger war. Dem ökono-
mischen Bedeutungsverlust von Film selbst und dem Verschwinden analoger Materialität steht seine digitale Allgegenwart als Bewegtbild gegenüber.
Jenseits solcher Verschiebungen hat Annette Brauerhoch stets auf dem ›unanständigen‹, anstößigen Charakter von Film bestanden. Dazu gehört eine Körper-
lichkeit, die sie auf verschiedenen Ebenen beschrieben hat – Körper auf der Leinwand, (Zuschauer)körper im Kino, und schließlich der Körper des Films selbst: Ma-
terial, das altert und Schrammen davonträgt, Perfektion verweigert.
Die ›Anstößigkeit‹ von Film betrifft aber nicht nur seine lustvollen und ichbezogenen Komponenten, sondern besonders sein kritisches Potenzial und damit seine politische Relevanz. Wird er weiterhin als ein Medium ernst genommen, das bestehende Verhältnisse reflektiert und dabei andere Wahrnehmungen ermöglicht, ist er ein emanzipatorisches Medium – und Filmwissenschaft eine Form der Wissenschaftskritik.
Fröhliche Filmwissenschaft steht einer abstrakten und lebensfernen, doch ebenso einer auf ökonomische Verwertbarkeit ausgerichteten Wissenschaft entgegen. …
Fröhliche Wissenschaft manifestiert sich auch in dem lauten Lachen, das in Paderborn oft aus Annette Brauerhochs Büro über den Gang schallt. Mit Energie und
Rückenwind aus ihrer Zeit an der New Yorker Columbia hat sie hier seit 2001 im Wortsinn einen Raum für den Film geschaffen. … Neben Sammlungen u.a. zum
Amateurfilm hat Annette Brauerhoch in Paderborn ein einzigartiges Archiv zum Experimentalfilm von Frauen aufgebaut, das immer wieder in der Lehre zum Einsatz
kommt – einige der Filmemacherinnen sind in diesem Buch mit Beiträgen vertreten. …
Wissenschaftliche Texte treffen auf Bildcollagen, Essays auf Verszeilen, Interview auf Kurzdrehbuch, Gefundenes auf Erfundenes – und treten miteinander in einen Dialog, den wir als eine fröhliche Form von Wissenschaft verstehen möchten.
Aktualisiert: 2019-03-15
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Eunice Martins: Kino Ordnung /
Marie-Hélène Gutberlet: Erfahrung die der Film vermittelt /
Gunter Deller: Das Kino ist unser Zuhause /
Renate Lippert: Die Liebe zum Kino /
Hermann Kappelhoff: Realität lesen. Das Kino und die Politik des Anderen /
Dennis Göttel: Erscheinen und Verschwinden /
Sebastian Hesse: Aufklärung auf Schienen /
Drehli Robnik: Zur Unterbrechung. Politische Aspekte von Leben im Bruch der Ethik in Schlüpmanns Kinotheorie /
Miriam Hansen: Reading the uncanny gaze: Preface to the American Edition /
Bettina Schulte Strathaus: Mädchen ohne Vaterland. Kinohunger /
Claudia Preschl: Publikumsgeschmack und soziales Engagement. Louise Veltée/Kolm/Fleck /
Martin Loiperdinger: Trambahnschienenritzenreinigerinnen – ein paradoxes München-Film-Portrait /
Nia Perivolaropoulou: Sur le paysage, la nature et les
images cinématographiques /
Madelaine Bernstorff und Mariann Lewinsky: Die Moderne Frauenbewegung in England /
Michael Wedel: Wenn eine Dame Löwen im Käfig hält /
Eva Heldmann: Tête et Cul /
Patrick Primavesi: Tiere in den Filmen von Huillet und Straub /
Winfried Pauleit: Die Liebe zu den Dingen. Im Kino oder nach dem Film /
Hans-Thies Lehmann: Geist, Gefühl. Notiz über Film
und Theater /
Sabine Nessel: Die Tiere sind da! Medialität und Präsenz in Zoo und Kino /
Birgit Kohler: Die tanzende Leinwand /
Katharina Sykora: Von Varieté zu Varietés /
Régine-Mihal Friedman: Sur trois films de Helmut
Käutner (1943-1945) /
Michael Girke: Die Gesellschaft und die Träume. Kinofaszination anders /
Marc Ries: Schiller und der ästhetische Zustand im Kino /
Alexander Horwath präsentiert: Jean Epstein: Kino, Hysterie, Kultur /
Stefanie Schulte Strathaus: Fixstern /
Gaby Babiç, Cornelia Kaus und Anke Zechner: Vom Traum der Wahrheit bleibt die Fähigkeit, wahrzunehmen /
Annette Brauerhoch: 'I want to hear bells ringing' –
Deep Throat im Kino (1972-2007) /
Nicolette Sang: Nitrat und Schwester Polyester /
Eric de Kuyper: Vorwärts und nicht vergessen… /
Holger Ziegler: Gedanken aus dem Kofferraum der Filmgeschichte /
Ute Holl: Vierzehn Versuche, eine Oberfläche zu beschreiben /
Heike Klippel: Das unvollendete Portrait /
Andrea B. Braidt: Komplizierte Verhältnisse. Drei Thesen zu Pasolinis SALÓ /
Bärbel Tischleder: Buster Keaton und die Physis des amerikanischen Kinos /
Jan Sefrin: Filmeseher und Kinogeher /
Katja Wiederspahn: Jerking Off Easily: Frauen und schwule Pornographie /
Christian Tedjasukmana: Queer Life in Dark Rooms /
Laura J. Padgett: Larger than Life /
Karola Gramann: Ausschweifungen /
Claudia Honegger: Epilog: Erfahrungsräume / Überschreitungen /
Matthias Müller: Album
Aktualisiert: 2019-03-15
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Temperamentvoll und stilsicher greift Maria-Elisa Schrade in ihrer Analyse von Lars von Triers vieldiskutiertem NYMPH( )MANIAC verschiedene Ansätze aus der feministischen Filmtheorie, visuellen Kultur und Queer-Theorie auf, um das Widerstandspotenzial der Protagonistin als "Nymphomanin" auszuloten. Die Autorin widerspricht vorherrschenden Lesarten von DOGVILLE und ANTICHRIST als frauenfeindliche Opfer- und Sündenmythologien und zeigt, wie NYMPH( )MANIAC der binären Geschlechteropposition zuwiderläuft und Stereotypisierungen der Frau und ihrer Sexualität aufbricht. Auf verwickelnde Weise eröffnet dieses Buch sowohl aus gendertheoretischer als auch kultur- und filmwissenschaftlicher Perspektive neue Rezeptions- und Sichtweisen des Filmmaterials und macht deutlich, dass dieser Film ein höchst komplexes, intertextuelles und selbstreferentielles Medium ist.
Aktualisiert: 2022-08-31
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