Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat im Jahre 2018 das Ergebnis früherer Bewertungen bestätigt, dass sowohl die fütterungsbedingte Exposition von Lebensmittel liefernden Tieren als auch die ernährungsbedingte Exposition des Verbrauchers gegenüber polychlorierten Dibenzo-p-Dioxinen (PCDD), Dibenzofuranen (PCDF) und polychlorierten Biphenylen (PCB) ein Gesundheitsrisiko darstellen kann. Bei Dioxinen, Furanen und PCB handelt es sich um persistente toxische Chemikalien, die sich in geringen Mengen in der Lebensmittelkette – in der Regel im Fettgewebe von Tieren – anreichern.
Der Transfer (Carry over) von PCDD, PCDF und PCB aus dem Futter in Lebensmittel tierischen Ursprungs (Leber, Niere, Muskel- und Fettgewebe) wurde an wachsenden Schafen mit dem Ziel untersucht, Erkenntnisse zur Toxikokinetik von PCDD, PCDF und PCB unter besonderer Berücksichtigung ausgewählter Einzelkongenere und in Abhängigkeit vom Wachstum junger Schafe zu gewinnen. Die Untersuchungen waren Teil eines EUForschungsprojektes (QSAFFE) und wurden am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Berlin, in Kooperation mit dem RIKILT Institut, Universität Wageningen (Niederlande) durchgeführt.
Insgesamt 48 Lämmer der Rasse Schwarzkopf wurden im Alter von 8 bis 10 Wochen mit einer mittleren Lebendmasse von 22,13 kg zufällig auf drei (3) Fütterungsgruppen aufgeteilt. Zwei Gruppen erhielten über einen Zeitraum von insgesamt 113 Tagen entweder kontaminierte Graspellets, die im Mittel Gehalte von 1,71 ng PCDD/F TEQ/kg, 0,32 ng dl-PCB TEQ/kg und 2328 ng ndl-PCB/kg (88% TM) aufwiesen (kontamGP, n=4) oder eine Graspellet-Kontrolldiät mit mittleren Gehalten an 0,27 ng TEQPCDD/F/kg; 0,06 ng TEQdl-PCB/kg; 454 ng ndl-PCB/kg (KoGP, n=12). Die dritte Gruppe (VG55/57, n=32) wurde zunächst über einen Zeitraum von 55 Tagen mit kontaminierten Graspellets (kontamGP) gefüttert und anschließend erhielten die Tiere über einen Zeitraum von 57 Tagen unbelastete Kontroll-Graspellets (KoGP). Die Tiere wurden auf Stroh gehalten, von dem sie im Mittel 239 g TM pro Tier und Tag verzehrten.
Zum Versuchsbeginn wurden vier zufällig ausgewählte Lämmer mit dem Ziel getötet, Basisdaten über die Konzentrationen an Dioxinen, Furanen und PCB in Leber, Nieren, Rückenmuskulatur (M. longissimus dorsi) sowie Nierenfettgewebe zu ermitteln (Nulltiere, KON VT1). In der VG 55/57 wurden jeweils vier Tiere gestaffelt an den Versuchstagen (VT) 8, 17, 29, 56, 64, 71, 92 und 113 geschlachtet. In der Gruppe KON wurden jeweils vier Tiere an den VT 56 und 113 geschlachtet. Die vier Tiere der VG 112 wurden am VT 113 geschlachtet. Die chemische Analyse der Proben erfolgte nach den Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 2017/644 und Verordnung (EU) Nr. 2017/771 mittels HRGC-HRMS sowohl am RIKILT Institut Wageningen als auch in den Laboratorien des BfR.
Bei den Nulltieren wurden in allen untersuchten Geweben Konzentrationen an Dioxinen, Furanen und PCB detektiert, als deren Ursache ein Transfer über die Milch aus dem mütterlichen Organismus während der Säugeperiode angenommen werden kann. Mit der Aufnahme an kontamGP erhöhten sich die TEQ-Gehalte in den untersuchten Körpergeweben in Abhängigkeit von der Zeit mit unterschiedlichen Gewichtungen; zudem zeigten sich Veränderungen in Anteilen der Einzelkongenere in den Körpergeweben verglichen mit dem Kongenerenmuster bei den Nulltieren. Je länger die Fütterung mit kontamGP erfolgte, desto höher war die Anreicherung der PCDD/F am TEQ in der Leber (KON: 61,4 %; VG 112: 70,5 %), während im Muskelgewebe ein solcher Effekt bei den Tieren der Gruppen KON und VG 112 nicht auftrat. Während in der VG 112 am Versuchsende erwartungsgemäß die höchsten Konzentrationen in den Geweben gemessen wurden (Leber TEQPCDD/F: 58,86 pg/g Fett; TEQdl-PCB: 24,61 pg/g Fett; ndl-PCB: 98,45 ng/g Fett), zeigte sich bei den Tieren der VG 55/57, dass nach einem Futterwechsel von kontaminierten Graspellets (kontamGP) am 55. Versuchstag auf ein dioxin-, furan- und PCB-freies Kontroll-Futter (KoGP) im Verlauf der sich anschließenden 57 Tage bis zum Versuchsende die Konzentrationen sowohl in Bezug auf den TEQPCDD/F+dl-PCB (Leber VT56: 76,48 pg/g Fett, VT113: 32,82 pg/g Fett) als auch in Bezug auf die meisten Einzelkongenere kontinuierlich abnahmen. Die Effekte spiegeln die Folge des Massezuwachses der Tiere im zeitlichen Verlauf des Versuches. Ebenso wurden bei den Tieren der Kontrolle (KON) im Vergleich zu den Nulltieren abnehmende Konzentrationen der PCDD/F (2,3,7,8 TCDD Leber, VT56: 0,22 pg/g Fett; VT 113: 0,15 pg/g Fett) detektiert, während einige dl-PCB (PCB 126, PCB 169) und ndl-PCB Kongenere (PCB 153, PCB 138, PCB 180), als deren Eintragquelle die Aufnahme von Stroh aus der Einstreu identifiziert wurde, sich in den untersuchten Geweben kontinuierlich anreicherten.
In der Leber wurden, unabhängig vom Fütterungsregime, immer deutlich höhere Konzentrationen an Dioxinen (PCDD/F) und PCB analysiert als in Muskelgewebe oder dem Nierenfett. Während in der Leber der Übergang der PCDD/F aus dem Futter dominierte, zeigten sich in den Fettgeweben die dl-PCB als die am stärksten akkumulierenden Substanzen.
Die Analyse verschiedener Fettgewebe (Nierenfett, Netzfett, Unterhautfett, Muskelfett) von Tieren der Kontrolle bzw. Tieren der VG 112 zeigte, dass sich die TEQ-Gehalte in den untersuchten Geweben der Tiere innerhalb einer Gruppe nicht signifikant voneinander unterschieden. Die vergleichsweise leicht zu gewinnenden Proben subkutanen Fettgewebes können bei wachsenden Schafen somit als ein Indikator für den Umfang der Kontamination von Muskelgewebe dienen. Und die Gehalte an Dioxinen, Furanen und PCB im Nierenfett kleiner Wiederkäuer erwiesen sich - unabhängig von der Dauer der Exposition der Tiere gegenüber PCDD/F und PCB - als ein geeigneter Indikator zur Vorhersage einer zu erwartenden Konzentration an PCDD/F und PCB in der Leber und im Fett des Muskelgewebes.