Beziehungsgewalt gegen Frauen im ländlichen Raum

Beziehungsgewalt gegen Frauen im ländlichen Raum von Clerc,  Silke
Die (Beziehungs-)Gewalt gegen Frauen ist eine belastende sowie komplexe Thematik und beinhaltet enorme Auswirkungen auf die Lebenssituation und die psychische und physische Gesundheit der betroffenen Frauen. Sie wird vielfach tabuisiert, da die Gewalt innerhalb einer Beziehung bzw. Ehe angewendet und damit oftmals in den Bereich privater Familienstreitigkeiten verschoben wird. In den 1970er-Jahren wurde die Problematik durch die Frauenbewegung zunehmend öffentlich diskutiert und damit enttabuisiert. In der Folge kam es zu einem Wandel der gesellschaftlichen Wahrnehmung und in der Folge auch zu neuen Perspektiven in Forschung und Wissenschaft. Heutzutage wird Gewalt gegen Frauen international als Menschenrechtsverletzung angesehen und öffentlich verurteilt. Dieser Paradigmenwechsel hat letztendlich Veränderungen in der Gesetzgebung und in Bezug auf institutionelle Interventionen gegen Beziehungsgewalt hervorgerufen. Die aktuellste Statistik des Bundeskriminalamtes (BKA) weist mit einer Mehrheit von 80,5% Frauen als Opfer von Beziehungsgewalt aus. Aus der Statistik geht weiterhin hervor, dass im Jahr 2020 ein Anstieg von 4,4% bei den partnerschaftlichen Gewaltdelikten erfasst worden ist. Insgesamt ist in den letzten neun Jahren ein stetiger Anstieg der Gewalt in Paarbeziehungen zu beobachten. Trotzdem existieren nur wenige aktuelle empirische Erkenntnisse zu dieser Thematik, denn die letzte repräsentative Studie, welche auch die Lebenswelten und Bewältigungsstrategien der betroffenen Frauen abbildet, wurde im Jahr 2004 von Schröttle und Müller durchgeführt. Dabei wurde unter anderem festgestellt, dass „das Gesamtausmaß von Gewalt und ihren Folgen nur zum Teil im Rahmen der institutionellen Unterstützung und polizeilichen Intervention sichtbar wurde“. Das lässt zum einen schlussfolgern, dass Frauen in den heutigen Paarbeziehungen weiterhin Gewalt erfahren und zum anderen, dass sich viele der Betroffenen nicht an professionelle Hilfseinrichtungen wenden und die Gewalt noch immer als Privatsache betrachten. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf dem ländlichen Raum. Gewaltbetroffenen Frauen in ländlichen Regionen stehen womöglich weniger Hilfeeinrichtungen zur Verfügung als in Großstädten. Laut Brandstetter sei die „Akzeptanz der institutionalisierten Hilfe im ländlichen Raum nicht vorhanden“, denn damit müssten die betroffenen Frauen offen zu erkennen geben, dass sie womöglich nicht oder unzureichend in ihrer Rolle als Ehefrau oder Partnerin funktionieren. Diese Frauen benötigen eine sensible Ansprache seitens professioneller Fachkräfte, damit sie sich verstanden und ernst genommen fühlen. Daher möchte ich im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Problematik der Beziehungsgewalt gegen Frauen in ländlich geprägten Regionen untersuchen und dabei den Schwerpunkt auf die Institutionen vor Ort legen, indem ich die Anforderungen an ein bedarfsgerechtes Hilfesystem für die gewaltbetroffenen Frauen herausarbeite. Zudem setze ich mich mit der Inanspruchnahme von Hilfsangeboten seitens der gewaltbetroffenen Frauen auseinander und konzentriere mich auf das Hilfesystem im ländlichen Raum am Beispiel des Landkreises Holzminden. Meine Fragestellung lautet daher: Welche Anforderungen lassen sich für ein bedarfsgerechtes Hilfesystem ableiten, um gewaltbetroffene Frauen (besser) erreichen zu können, die ihren Lebensort im ländlichen Raum haben? Was bedeutet dies für das professionelle Handeln der Akteur*innen des Hilfesystems in diesem Kontext? Meine Motivation diese Thematik in meiner Arbeit zu behandeln hat ihren Ursprung in einem Praktikum, welches ich während meines Studiums in der Beratungs- und Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt (BISS) in Holzminden absolviert habe. Die Frauen berichteten vielfach von eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten durch fehlendes Wissen, die Unterdrückung durch ihren (Ehe-)Mann sowie der Belastung, den gesellschaftlichen Normen in der dörflichen Gemeinschaft entsprechen zu wollen. Die Ländlichkeit, die der Landkreis Holzminden aufweist, ist mir im Praktikum daher sehr präsent geworden. Aus diesem Grund werden diese Aspekte eingehend untersucht und der Bezug zu den Möglichkeiten professionellen Handelns Sozialer Arbeit hergestellt. Diese Arbeit ist grundsätzlich literaturgestützt geschrieben. Zusätzlich dient aber ein qualitatives Experteninterview, welches im Vorfeld dieser Thesis geführt wurde, als ergänzende Quelle, um die Situation des Hilfesystems im Landkreis Holzminden darstellen und erweiterte Anforderungen formulieren zu können. Das Interview ist anhand eines selbst erstellten Leitfadens erhoben worden. Die entwickelten Fragen sind nach folgenden Kategorien aufgebaut: die Lebenswelten der gewaltbetroffenen Frauen, der ländliche Raum, das gesellschaftliche Verständnis von häuslicher Gewalt und als Schwerpunkt das Hilfesystem und dessen Kooperation in Holzminden. Anita Hummel, die in der BISS in der Stadt Holzminden tätig war, ist in diesem Zusammenhang als Expertin zu bezeichnen, die in Bezug auf „ein klar abgestecktes Wissensgebiet“ die Spezialisierung des Ortes aufgrund der Tatsache abbilden kann, dass sie über die Erfahrung von rund 15 Jahren sozialarbeiterischer Praxis mit von Gewalt betroffenen Frauen verfügt und somit ein breites Wissen in dieser Thematik vorweisen kann. Das Interview dient dieser Studie als Untersuchung, welches „Routinen, Praktiken und Erfahrungen sowie wichtige Geschehnisse und das Feld kennzeichnende Merkmale“ rekonstruieren soll. Das Interview ist per Tonbandaufnahme festgehalten und anschließend transkribiert worden, wobei Inhalte fokussiert wurden und weniger Nuancen, wie z. B. Räuspern. Die Fragen sind ebenfalls transkribiert worden und mit „I“ (Interviewende) gekennzeichnet, die Antworten mit „B“ (Befragte). Die Aussagen der Expertin wurden weder korrigiert noch geglättet, sodass Zitate wortgetreu geblieben sind. Die Analyse der Aussagen fokussiert demnach Informationen bzw. das Wissen der Expertin, die Aufschluss über ortsbezogene Gegebenheiten liefern kann, um die Spezifikation der Thematik auf den Landkreis Holzminden übertragen zu können. Daher ist das Interview in erster Linie auf inhaltlicher Ebene bewertet worden, sodass jene Textstellen kodiert wurden, welche für die Fragestellung der Arbeit relevant sind. Da in diesem Zusammenhang eine subjektive Färbung der Aussagen nicht ausgeschlossen werden kann, wurde ein Abgleich mit verschiedenen fachliterarischen Quellen vorgenommen. An dieser Stelle weise ich darauf hin, dass auf das Gendern in Bezug auf die Thematik verzichtet wird, da sich diese Arbeit ausschließlich auf die Beziehungsgewalt gegen Frauen fokussiert. Damit soll nicht zum Ausdruck gebracht werden, Männer seien nicht von Beziehungsgewalt betroffen. Im Rahmen der vorliegenden Veröffentlichung nähere ich mich zunächst den wesentlichen Begriffen dieser Thematik. Der Landkreis Holzminden stellt eine Region dar, die eine schlechte Infrastruktur und eine geringe Bevölkerungsdichte aufweist. Aus diesem Grund erfolgt eine Definitionsvorschlag zum ländlichen Raum, in einem weiteren Schritt werden Bezüge zu Holzminden hergestellt. In folgt eine kurze Skizzierung des Gewaltaufkommens in Niedersachsen und im Landkreis Holzminden. Anschließend wird diese Problematik anhand des ländlichen Raums erläutert und Unterschiede zu urbanen Lebensräumen aufgezeigt. Kapitel 3 umfasst das Hilfesystem bei Beziehungsgewalt gegen Frauen, welches vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit dem Ziel entwickelt wurde, eine ganzheitliche Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen zu ermöglichen. Daher wird zunächst auf die Entwicklungslinien hin zu einem Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen eingegangen, es folgt eine Beschreibung der einzelnen Institutionen im Hilfesystem. Fokussiert werden Institutionen, welche auch im Landkreis Holzminden vertreten sind. Im Kapitel 4 wird eine Untersuchung interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Institutionen im Landkreis Holzminden vorgenommen. Dazu wird auf die Handlungslinien und auf deren Ziele für die institutionsübergreifende Kooperation eingegangen, um die zuvor erarbeiteten Erkenntnisse wieder auf das Hilfesystem im Landkreis Holzminden zu übertragen. Das Kapitel 5 schließt die Arbeit mit der Auseinandersetzung hinsichtlich der Anforderungen eines bedarfsgerechten Hilfesystems. Dies erfolgt auf den Ebenen der räumlichstrukturellen, der klientinnenorientierten und der kooperativen und interdisziplinären Anforderungen. Im Anschluss wird die Fragestellung bilanzierend betrachtet und weiterhin Forschungsdesiderate identifiziert.
Aktualisiert: 2023-06-15
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Beziehungsgewalt gegen Frauen im ländlichen Raum

Beziehungsgewalt gegen Frauen im ländlichen Raum von Clerc,  Silke
Die (Beziehungs-)Gewalt gegen Frauen ist eine belastende sowie komplexe Thematik und beinhaltet enorme Auswirkungen auf die Lebenssituation und die psychische und physische Gesundheit der betroffenen Frauen. Sie wird vielfach tabuisiert, da die Gewalt innerhalb einer Beziehung bzw. Ehe angewendet und damit oftmals in den Bereich privater Familienstreitigkeiten verschoben wird. In den 1970er-Jahren wurde die Problematik durch die Frauenbewegung zunehmend öffentlich diskutiert und damit enttabuisiert. In der Folge kam es zu einem Wandel der gesellschaftlichen Wahrnehmung und in der Folge auch zu neuen Perspektiven in Forschung und Wissenschaft. Heutzutage wird Gewalt gegen Frauen international als Menschenrechtsverletzung angesehen und öffentlich verurteilt. Dieser Paradigmenwechsel hat letztendlich Veränderungen in der Gesetzgebung und in Bezug auf institutionelle Interventionen gegen Beziehungsgewalt hervorgerufen. Die aktuellste Statistik des Bundeskriminalamtes (BKA) weist mit einer Mehrheit von 80,5% Frauen als Opfer von Beziehungsgewalt aus. Aus der Statistik geht weiterhin hervor, dass im Jahr 2020 ein Anstieg von 4,4% bei den partnerschaftlichen Gewaltdelikten erfasst worden ist. Insgesamt ist in den letzten neun Jahren ein stetiger Anstieg der Gewalt in Paarbeziehungen zu beobachten. Trotzdem existieren nur wenige aktuelle empirische Erkenntnisse zu dieser Thematik, denn die letzte repräsentative Studie, welche auch die Lebenswelten und Bewältigungsstrategien der betroffenen Frauen abbildet, wurde im Jahr 2004 von Schröttle und Müller durchgeführt. Dabei wurde unter anderem festgestellt, dass „das Gesamtausmaß von Gewalt und ihren Folgen nur zum Teil im Rahmen der institutionellen Unterstützung und polizeilichen Intervention sichtbar wurde“. Das lässt zum einen schlussfolgern, dass Frauen in den heutigen Paarbeziehungen weiterhin Gewalt erfahren und zum anderen, dass sich viele der Betroffenen nicht an professionelle Hilfseinrichtungen wenden und die Gewalt noch immer als Privatsache betrachten. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf dem ländlichen Raum. Gewaltbetroffenen Frauen in ländlichen Regionen stehen womöglich weniger Hilfeeinrichtungen zur Verfügung als in Großstädten. Laut Brandstetter sei die „Akzeptanz der institutionalisierten Hilfe im ländlichen Raum nicht vorhanden“, denn damit müssten die betroffenen Frauen offen zu erkennen geben, dass sie womöglich nicht oder unzureichend in ihrer Rolle als Ehefrau oder Partnerin funktionieren. Diese Frauen benötigen eine sensible Ansprache seitens professioneller Fachkräfte, damit sie sich verstanden und ernst genommen fühlen. Daher möchte ich im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Problematik der Beziehungsgewalt gegen Frauen in ländlich geprägten Regionen untersuchen und dabei den Schwerpunkt auf die Institutionen vor Ort legen, indem ich die Anforderungen an ein bedarfsgerechtes Hilfesystem für die gewaltbetroffenen Frauen herausarbeite. Zudem setze ich mich mit der Inanspruchnahme von Hilfsangeboten seitens der gewaltbetroffenen Frauen auseinander und konzentriere mich auf das Hilfesystem im ländlichen Raum am Beispiel des Landkreises Holzminden. Meine Fragestellung lautet daher: Welche Anforderungen lassen sich für ein bedarfsgerechtes Hilfesystem ableiten, um gewaltbetroffene Frauen (besser) erreichen zu können, die ihren Lebensort im ländlichen Raum haben? Was bedeutet dies für das professionelle Handeln der Akteur*innen des Hilfesystems in diesem Kontext? Meine Motivation diese Thematik in meiner Arbeit zu behandeln hat ihren Ursprung in einem Praktikum, welches ich während meines Studiums in der Beratungs- und Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt (BISS) in Holzminden absolviert habe. Die Frauen berichteten vielfach von eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten durch fehlendes Wissen, die Unterdrückung durch ihren (Ehe-)Mann sowie der Belastung, den gesellschaftlichen Normen in der dörflichen Gemeinschaft entsprechen zu wollen. Die Ländlichkeit, die der Landkreis Holzminden aufweist, ist mir im Praktikum daher sehr präsent geworden. Aus diesem Grund werden diese Aspekte eingehend untersucht und der Bezug zu den Möglichkeiten professionellen Handelns Sozialer Arbeit hergestellt. Diese Arbeit ist grundsätzlich literaturgestützt geschrieben. Zusätzlich dient aber ein qualitatives Experteninterview, welches im Vorfeld dieser Thesis geführt wurde, als ergänzende Quelle, um die Situation des Hilfesystems im Landkreis Holzminden darstellen und erweiterte Anforderungen formulieren zu können. Das Interview ist anhand eines selbst erstellten Leitfadens erhoben worden. Die entwickelten Fragen sind nach folgenden Kategorien aufgebaut: die Lebenswelten der gewaltbetroffenen Frauen, der ländliche Raum, das gesellschaftliche Verständnis von häuslicher Gewalt und als Schwerpunkt das Hilfesystem und dessen Kooperation in Holzminden. Anita Hummel, die in der BISS in der Stadt Holzminden tätig war, ist in diesem Zusammenhang als Expertin zu bezeichnen, die in Bezug auf „ein klar abgestecktes Wissensgebiet“ die Spezialisierung des Ortes aufgrund der Tatsache abbilden kann, dass sie über die Erfahrung von rund 15 Jahren sozialarbeiterischer Praxis mit von Gewalt betroffenen Frauen verfügt und somit ein breites Wissen in dieser Thematik vorweisen kann. Das Interview dient dieser Studie als Untersuchung, welches „Routinen, Praktiken und Erfahrungen sowie wichtige Geschehnisse und das Feld kennzeichnende Merkmale“ rekonstruieren soll. Das Interview ist per Tonbandaufnahme festgehalten und anschließend transkribiert worden, wobei Inhalte fokussiert wurden und weniger Nuancen, wie z. B. Räuspern. Die Fragen sind ebenfalls transkribiert worden und mit „I“ (Interviewende) gekennzeichnet, die Antworten mit „B“ (Befragte). Die Aussagen der Expertin wurden weder korrigiert noch geglättet, sodass Zitate wortgetreu geblieben sind. Die Analyse der Aussagen fokussiert demnach Informationen bzw. das Wissen der Expertin, die Aufschluss über ortsbezogene Gegebenheiten liefern kann, um die Spezifikation der Thematik auf den Landkreis Holzminden übertragen zu können. Daher ist das Interview in erster Linie auf inhaltlicher Ebene bewertet worden, sodass jene Textstellen kodiert wurden, welche für die Fragestellung der Arbeit relevant sind. Da in diesem Zusammenhang eine subjektive Färbung der Aussagen nicht ausgeschlossen werden kann, wurde ein Abgleich mit verschiedenen fachliterarischen Quellen vorgenommen. An dieser Stelle weise ich darauf hin, dass auf das Gendern in Bezug auf die Thematik verzichtet wird, da sich diese Arbeit ausschließlich auf die Beziehungsgewalt gegen Frauen fokussiert. Damit soll nicht zum Ausdruck gebracht werden, Männer seien nicht von Beziehungsgewalt betroffen. Im Rahmen der vorliegenden Veröffentlichung nähere ich mich zunächst den wesentlichen Begriffen dieser Thematik. Der Landkreis Holzminden stellt eine Region dar, die eine schlechte Infrastruktur und eine geringe Bevölkerungsdichte aufweist. Aus diesem Grund erfolgt eine Definitionsvorschlag zum ländlichen Raum, in einem weiteren Schritt werden Bezüge zu Holzminden hergestellt. In folgt eine kurze Skizzierung des Gewaltaufkommens in Niedersachsen und im Landkreis Holzminden. Anschließend wird diese Problematik anhand des ländlichen Raums erläutert und Unterschiede zu urbanen Lebensräumen aufgezeigt. Kapitel 3 umfasst das Hilfesystem bei Beziehungsgewalt gegen Frauen, welches vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit dem Ziel entwickelt wurde, eine ganzheitliche Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen zu ermöglichen. Daher wird zunächst auf die Entwicklungslinien hin zu einem Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen eingegangen, es folgt eine Beschreibung der einzelnen Institutionen im Hilfesystem. Fokussiert werden Institutionen, welche auch im Landkreis Holzminden vertreten sind. Im Kapitel 4 wird eine Untersuchung interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Institutionen im Landkreis Holzminden vorgenommen. Dazu wird auf die Handlungslinien und auf deren Ziele für die institutionsübergreifende Kooperation eingegangen, um die zuvor erarbeiteten Erkenntnisse wieder auf das Hilfesystem im Landkreis Holzminden zu übertragen. Das Kapitel 5 schließt die Arbeit mit der Auseinandersetzung hinsichtlich der Anforderungen eines bedarfsgerechten Hilfesystems. Dies erfolgt auf den Ebenen der räumlichstrukturellen, der klientinnenorientierten und der kooperativen und interdisziplinären Anforderungen. Im Anschluss wird die Fragestellung bilanzierend betrachtet und weiterhin Forschungsdesiderate identifiziert.
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Beziehungsgewalt gegen Frauen im ländlichen Raum

Beziehungsgewalt gegen Frauen im ländlichen Raum von Clerc,  Silke
Die (Beziehungs-)Gewalt gegen Frauen ist eine belastende sowie komplexe Thematik und beinhaltet enorme Auswirkungen auf die Lebenssituation und die psychische und physische Gesundheit der betroffenen Frauen. Sie wird vielfach tabuisiert, da die Gewalt innerhalb einer Beziehung bzw. Ehe angewendet und damit oftmals in den Bereich privater Familienstreitigkeiten verschoben wird. In den 1970er-Jahren wurde die Problematik durch die Frauenbewegung zunehmend öffentlich diskutiert und damit enttabuisiert. In der Folge kam es zu einem Wandel der gesellschaftlichen Wahrnehmung und in der Folge auch zu neuen Perspektiven in Forschung und Wissenschaft. Heutzutage wird Gewalt gegen Frauen international als Menschenrechtsverletzung angesehen und öffentlich verurteilt. Dieser Paradigmenwechsel hat letztendlich Veränderungen in der Gesetzgebung und in Bezug auf institutionelle Interventionen gegen Beziehungsgewalt hervorgerufen. Die aktuellste Statistik des Bundeskriminalamtes (BKA) weist mit einer Mehrheit von 80,5% Frauen als Opfer von Beziehungsgewalt aus. Aus der Statistik geht weiterhin hervor, dass im Jahr 2020 ein Anstieg von 4,4% bei den partnerschaftlichen Gewaltdelikten erfasst worden ist. Insgesamt ist in den letzten neun Jahren ein stetiger Anstieg der Gewalt in Paarbeziehungen zu beobachten. Trotzdem existieren nur wenige aktuelle empirische Erkenntnisse zu dieser Thematik, denn die letzte repräsentative Studie, welche auch die Lebenswelten und Bewältigungsstrategien der betroffenen Frauen abbildet, wurde im Jahr 2004 von Schröttle und Müller durchgeführt. Dabei wurde unter anderem festgestellt, dass „das Gesamtausmaß von Gewalt und ihren Folgen nur zum Teil im Rahmen der institutionellen Unterstützung und polizeilichen Intervention sichtbar wurde“. Das lässt zum einen schlussfolgern, dass Frauen in den heutigen Paarbeziehungen weiterhin Gewalt erfahren und zum anderen, dass sich viele der Betroffenen nicht an professionelle Hilfseinrichtungen wenden und die Gewalt noch immer als Privatsache betrachten. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf dem ländlichen Raum. Gewaltbetroffenen Frauen in ländlichen Regionen stehen womöglich weniger Hilfeeinrichtungen zur Verfügung als in Großstädten. Laut Brandstetter sei die „Akzeptanz der institutionalisierten Hilfe im ländlichen Raum nicht vorhanden“, denn damit müssten die betroffenen Frauen offen zu erkennen geben, dass sie womöglich nicht oder unzureichend in ihrer Rolle als Ehefrau oder Partnerin funktionieren. Diese Frauen benötigen eine sensible Ansprache seitens professioneller Fachkräfte, damit sie sich verstanden und ernst genommen fühlen. Daher möchte ich im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Problematik der Beziehungsgewalt gegen Frauen in ländlich geprägten Regionen untersuchen und dabei den Schwerpunkt auf die Institutionen vor Ort legen, indem ich die Anforderungen an ein bedarfsgerechtes Hilfesystem für die gewaltbetroffenen Frauen herausarbeite. Zudem setze ich mich mit der Inanspruchnahme von Hilfsangeboten seitens der gewaltbetroffenen Frauen auseinander und konzentriere mich auf das Hilfesystem im ländlichen Raum am Beispiel des Landkreises Holzminden. Meine Fragestellung lautet daher: Welche Anforderungen lassen sich für ein bedarfsgerechtes Hilfesystem ableiten, um gewaltbetroffene Frauen (besser) erreichen zu können, die ihren Lebensort im ländlichen Raum haben? Was bedeutet dies für das professionelle Handeln der Akteur*innen des Hilfesystems in diesem Kontext? Meine Motivation diese Thematik in meiner Arbeit zu behandeln hat ihren Ursprung in einem Praktikum, welches ich während meines Studiums in der Beratungs- und Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt (BISS) in Holzminden absolviert habe. Die Frauen berichteten vielfach von eingeschränkten Handlungsmöglichkeiten durch fehlendes Wissen, die Unterdrückung durch ihren (Ehe-)Mann sowie der Belastung, den gesellschaftlichen Normen in der dörflichen Gemeinschaft entsprechen zu wollen. Die Ländlichkeit, die der Landkreis Holzminden aufweist, ist mir im Praktikum daher sehr präsent geworden. Aus diesem Grund werden diese Aspekte eingehend untersucht und der Bezug zu den Möglichkeiten professionellen Handelns Sozialer Arbeit hergestellt. Diese Arbeit ist grundsätzlich literaturgestützt geschrieben. Zusätzlich dient aber ein qualitatives Experteninterview, welches im Vorfeld dieser Thesis geführt wurde, als ergänzende Quelle, um die Situation des Hilfesystems im Landkreis Holzminden darstellen und erweiterte Anforderungen formulieren zu können. Das Interview ist anhand eines selbst erstellten Leitfadens erhoben worden. Die entwickelten Fragen sind nach folgenden Kategorien aufgebaut: die Lebenswelten der gewaltbetroffenen Frauen, der ländliche Raum, das gesellschaftliche Verständnis von häuslicher Gewalt und als Schwerpunkt das Hilfesystem und dessen Kooperation in Holzminden. Anita Hummel, die in der BISS in der Stadt Holzminden tätig war, ist in diesem Zusammenhang als Expertin zu bezeichnen, die in Bezug auf „ein klar abgestecktes Wissensgebiet“ die Spezialisierung des Ortes aufgrund der Tatsache abbilden kann, dass sie über die Erfahrung von rund 15 Jahren sozialarbeiterischer Praxis mit von Gewalt betroffenen Frauen verfügt und somit ein breites Wissen in dieser Thematik vorweisen kann. Das Interview dient dieser Studie als Untersuchung, welches „Routinen, Praktiken und Erfahrungen sowie wichtige Geschehnisse und das Feld kennzeichnende Merkmale“ rekonstruieren soll. Das Interview ist per Tonbandaufnahme festgehalten und anschließend transkribiert worden, wobei Inhalte fokussiert wurden und weniger Nuancen, wie z. B. Räuspern. Die Fragen sind ebenfalls transkribiert worden und mit „I“ (Interviewende) gekennzeichnet, die Antworten mit „B“ (Befragte). Die Aussagen der Expertin wurden weder korrigiert noch geglättet, sodass Zitate wortgetreu geblieben sind. Die Analyse der Aussagen fokussiert demnach Informationen bzw. das Wissen der Expertin, die Aufschluss über ortsbezogene Gegebenheiten liefern kann, um die Spezifikation der Thematik auf den Landkreis Holzminden übertragen zu können. Daher ist das Interview in erster Linie auf inhaltlicher Ebene bewertet worden, sodass jene Textstellen kodiert wurden, welche für die Fragestellung der Arbeit relevant sind. Da in diesem Zusammenhang eine subjektive Färbung der Aussagen nicht ausgeschlossen werden kann, wurde ein Abgleich mit verschiedenen fachliterarischen Quellen vorgenommen. An dieser Stelle weise ich darauf hin, dass auf das Gendern in Bezug auf die Thematik verzichtet wird, da sich diese Arbeit ausschließlich auf die Beziehungsgewalt gegen Frauen fokussiert. Damit soll nicht zum Ausdruck gebracht werden, Männer seien nicht von Beziehungsgewalt betroffen. Im Rahmen der vorliegenden Veröffentlichung nähere ich mich zunächst den wesentlichen Begriffen dieser Thematik. Der Landkreis Holzminden stellt eine Region dar, die eine schlechte Infrastruktur und eine geringe Bevölkerungsdichte aufweist. Aus diesem Grund erfolgt eine Definitionsvorschlag zum ländlichen Raum, in einem weiteren Schritt werden Bezüge zu Holzminden hergestellt. In folgt eine kurze Skizzierung des Gewaltaufkommens in Niedersachsen und im Landkreis Holzminden. Anschließend wird diese Problematik anhand des ländlichen Raums erläutert und Unterschiede zu urbanen Lebensräumen aufgezeigt. Kapitel 3 umfasst das Hilfesystem bei Beziehungsgewalt gegen Frauen, welches vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) mit dem Ziel entwickelt wurde, eine ganzheitliche Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen zu ermöglichen. Daher wird zunächst auf die Entwicklungslinien hin zu einem Hilfesystem für gewaltbetroffene Frauen eingegangen, es folgt eine Beschreibung der einzelnen Institutionen im Hilfesystem. Fokussiert werden Institutionen, welche auch im Landkreis Holzminden vertreten sind. Im Kapitel 4 wird eine Untersuchung interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Institutionen im Landkreis Holzminden vorgenommen. Dazu wird auf die Handlungslinien und auf deren Ziele für die institutionsübergreifende Kooperation eingegangen, um die zuvor erarbeiteten Erkenntnisse wieder auf das Hilfesystem im Landkreis Holzminden zu übertragen. Das Kapitel 5 schließt die Arbeit mit der Auseinandersetzung hinsichtlich der Anforderungen eines bedarfsgerechten Hilfesystems. Dies erfolgt auf den Ebenen der räumlichstrukturellen, der klientinnenorientierten und der kooperativen und interdisziplinären Anforderungen. Im Anschluss wird die Fragestellung bilanzierend betrachtet und weiterhin Forschungsdesiderate identifiziert.
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