Das Hamburger Totengericht

Das Hamburger Totengericht von Beutin,  Wolfgang
Wolfgang Beutins Roman mutet surrealistisch an: Der Hamburger Germanistik-Dozent Paul-Ludwig Anecker findet sich am Ende seiner akademischen Karriere vor einem merkwürdigen Totengericht wieder. Im Traum steht er vor Akteuren wie Minos und Rhadamanthus, antiken Größen in Richterroben, und begegnet den Prozessgegnern seiner Lebenszeit, Widersachern aus dem Lehrkörper des 20. Jahrhunderts und aus der Universitätsverwaltung. Nicht weniger als vier Jahrzehnte (1963-2003) hatte er als Lehrender an der Universität Hamburg verbracht, wo er bekannt war wegen seines Engagements für deren Demokratisierung. Er zieht das beklagenswerte Fazit: „Bei allem Respekt vor dem idealistischen Universitätsreformer Humboldt, es ist doch weder ihm noch sonst einem Revolutionär während des ganzen 19. Jahrhunderts jemals gelungen, aus dem akademischen Untertanen den akademischen Bürger zu machen, und selbst der meist-dekorierte Professor, der Mann des großen Namens, ist stets und ständig nicht mehr und nicht weniger als der Lakai seiner Fürstlichkeiten und Magistrate geblieben, ewig der buckelnde Untertan.“ Aneckers hochschulpolitisch tätiger Sohn, der Student Arvid, spricht hingegen von der „Lebenslüge“ des Vaters in dessen Kampf gegen die akademische „Hydra“: „Was du getan hast, war doch höchstens: hin und wieder an ihrem Schwanz zu ziehen. Gaukelei!“ Der Autor reflektiert nicht nur die Vergangenheit der Institution „Deutsche Universität“. Er liefert vor allem ein Stück kritischer Geschichte der „Alma Mater Hamburgensis“ in den Jahrzehnten vor der Jahrtausendwende. Der Dreiklang „Universität“, „Karrierismus vs. kreative Wissenschaft“ und „Arbeitsgericht“ wird Kenner des akademischen Lebens in Hamburg kaum überraschen, einer Universität, mit der die ehemaligen Studenten ein Leben lang den Bohnerwachsgeruch brauner Linoleumflure assoziieren. Über den Autor: Der abwechselnd in Bayern (nahe Passau) und im Landkreis Stormarn bei Hamburg lebende Schriftsteller Wolfgang Beutin, geb. 1934 in Bremen, war seit 1971 als Dozent im Hochschuldienst an fünf Universitäten. Er ist u.a. Mitverfasser der „Deutschen Literaturgeschichte“ aus dem Metzler-Verlag (inzwischen in siebter Auflage erschienen und in diverse Sprachen übersetzt – bis ins Koreanische –) und ist Autor und Herausgeber von ca. siebzig Büchern zur Literaturgeschichte, darunter Standardwerke zur mittelalterlichen Frauenmystik und zur Geschichte der erotischen Literatur. Außerdem veröffentlichte er Belletristik (Aphorismen, Lyrik, Erzählungen, Romane).
Aktualisiert: 2021-01-10
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Hüben und Drüben

Hüben und Drüben von Detlev,  Vagts, Hensler,  Ursula, Schütt,  Peter, Vagts,  Alfred, Vock,  Petra Jenny, Wehler,  Hans-Ulrich
Alfred Vagts (1892-1986) wurde als ältester Sohn eines Windmüllers in Basbeck an der Niederelbe geboren. Er besuchte zunächst die Lateinschule in Otterndorf, machte 1910 sein Abitur in Hannover und leistete danach in Göttingen seinen Militärdienst ab. Seit dem Wintersemester 1911/12 studierte er in München Geschichte, Literatur und Theaterwissenschaft. Im Seminar von Arthur Kutscher lernte er die Repräsentanten des literarischen Expressionismus kennen, unter ihnen Becher, Benn, Klabund Toller und Mühsam. Er begann unter ihrem Einfluß Gedichte zu schreiben. Ende 1914 wurde er zum Kriegsdienst eingezogen. Er kämpfte an der Ostfront, an der es weit weniger hurrapatriotisch zuging als an der Westfront. Seit dem Dezember 1914 veröffentlichte er in der Zeitschrift "Die Aktion" regelmäßig Gedichte gegen den Krieg. Im Winter 1917/18 nahm er als Vertreter des Rates der Offiziere an den Friedensverhandlungen in Brest-Litowsk teil. Ein Jahr später beteiligte er sich an der Münchener Räterepublik. Er wandte sich jedoch von den radikalen Kräften ab, ging 1919 nach Hamburg und setzte dort sein Geschichtsstudium fort, das er mit einer Promotion über die Rolle des Öls in der mexikanischen Revolution abschloss. Für die Arbeit hatte er von Außenminister Stresemann persönlich eine Ausnahmegenehmigung zum Studium der Akten im Archiv des Auswärtigen Amtes erhalten. 1922 gehörte Vagts zu den ersten deutschen Studenten, die nach dem Krieg ein Stipendium zum Studium in den USA erhielten. Er lernte den bekannten amerikanischen Historiker Charles Beard kennen, besuchte ihn in den folgenden Jahren mehrfach und heiratete 1927 dessen Tochter Miriam, die selbst schriftstellerisch tätig war. Ab 1925 arbeitete Alfred Vagts am Hamburger Institut für auswärtige Politik, unter anderem zusammen mit Hans von Dohnanyi, Theodor Haubach und Albrecht Mendelssohn. Seit 1920 war er Mitglied der SPD. Bereits im November 1932 hatten Alfred und Miriam Vagts Deutschland verlassen und waren über London in die USA emigriert. An den Universitäten von Harvard und Princeton übernahm er Gastprofessuren und wurde in Sherman, Connecticut, sesshaft. In New York betätigte er sich in der SPDnahen Gruppe "Neues Beginnen" und war im Herbst 1944 der Hauptredner auf einer Gedenkveranstaltung für die Widerstandskämpfer in Deutschland. Wie schon nach dem Ersten- trat Vagts auch nach dem Zweiten Weltkrieg für die Versöhnung zwischen beiden Völkern ein und plädierte als einer der ersten für den Brückenschlag mit Nachkriegsdeutschland. Er unterstützte im Hungerwinter 1946/47 die CARE-Paket-Hilfsaktion und erklärte in der amerikansichen Presse öffentlich, warum er seinem Jugendfreund Gottfried Benn Lebensmittel geschickt habe, auch wenn er mit den Nazis paktiert habe: "damit er nicht verhungert und Gelegenheit zum Nachdenken über seine Irrtümer hat." In den Forschungen zur deutschen Exilliteratur spielt Alfred Vagts nur eine geringe Rolle, weil er bereits ab 1937 hauptsächlich in englischer Sprache publizierte. Er war ein durchaus erfolgreicher Sachbuchautor. Sein Taschenbuch "Hitlers Second Army" über die paramilitärischen Verbände der Nazis erreichte eine Auflage von 300.000 und wurde zur Pflichtlektüre für alle GIs, die in Deutschland Krieg führten. 1951 dachte Alfred Vagts an eine Rückkehr nach Deutschland. Er bewarb sich um einen Lehrstuhl am historischen Seminar der Universität Hamburg. Der international bekannte Historiker, Hauptwerk: History of Militarism, Civilian and Military, wurde aber wegen "fehlender Lehrerfahrung" abgelehnt. Diese Zurückweisung hatte ihn tief gekränkt. Seither ist er nur noch selten nach Deutschland gereist. Im hohen Alter hat Alfred Vagts damit begonnen, seine Memoiren zu schreiben. Seine Lebenserinnerungen sind unvollendet geblieben. Alfred Vagts hat einzelne Kapitel seiner Memoiren an seine in Deutschland lebende Nichte Ursel Hensler zur Überarbeitung und zur Übertragung in Reinschrift geschickt. Andere Abschnitte hat er deutschen Freunden und seinem Neffen Peter Schütt zur kritischen Lektüre zugesandt. Aus diesen Materialien und aus dem Nachlass hat Peter Schütt in enger Zusammenarbeit mit dem in Boston lebenden Sohn, Prof. Detlev Vagts, und mit seiner Kousine Ursel Hensler eine Auswahl aus den autobiographischen Schriften des Schriftstellers und Historikers zusammengestellt, ergänzt um bislang zum Teil unveröffentlicht gebliebene Gedichte aus seinen jungen Jahren und Auszüge aus literatur- und geschichtswissenschaftlichen Forschungsarbeiten. Inhalt: Vorbemerkung des Herausgebers 1. Meine Kindheit und Jugend im Zweistromland zwischen Elbe und Weser 2. Basbecker Gedichte 3. Ritt in die Not - Gedichte Exkurs: Petra Jenny Vock: "Kritikwürdige Lyrik aus dem Kriege, dokumentarisch vielleicht wichtig" 4. Die Münchner Räterepublik 5. Hamburg 1923 bis 1932 6. Amerikanische Aufenthalte in den Zwanzigerjahren 7. Unter Emigranten und Amerikanern 8. Besuche in der alten Heimat 9. Erinnerungen an Gottfried Benn Nachwort: Hans-Ulrich Wehler: Alfred Vagts - ein antimilitaristischer Militärhistoriker
Aktualisiert: 2021-01-12
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