Schmerz verursacht Stress und führt unter anderem zur Ausschüttung von Stresshormonen sowie zur Aktivierung des sympathischen Nervensystems. Um Schmerzen beim Pferd in ihrer Art und Intensität beurteilen zu können, wird das Verhalten beobachtet, klinische Parameter wie die Herzfrequenz gemessen und oft auch die Blutkonzentrationen von ACTH und/oder Kortisol bestimmt. Für eine möglichst objektive Schmerzevaluierung werden immer neue Methoden getestet. Dabei wird auch die Analyse der Herzfrequenzvariabilität (HFV), die eine nicht-invasive Methode zur Erfassung der Aktivität des autonomen Nervensystems darstellt, als Schmerzparameter diskutiert.
Die Pituitary Pars Intermedia Dysfunction (PPID) ist eine endokrine Erkrankung älterer Pferde und Ponys. Durch eine Hyperplasie der Pars intermedia der Hypophyse kommt es zu einer vermehrten Ausschüttung ihrer Hormone, darunter auch von ACTH. Die Diagnose erfolgt anhand der Messung des basalen ACTH-Wertes oder des TRH-Stimulationstests, bei dem die ACTH-Ausschüttung durch TRH stimuliert wird. Da Schmerz ebenfalls zu einer Sekretion von ACTH führen kann, herrscht unter Tierärzten oft Unsicherheit, ob ein Pferd auf PPID getestet werden kann, wenn dieses an einer schmerzhaften Erkrankung wie z.B. Hufrehe leidet. Ziel der vorliegenden Arbeit war es daher, die Auswirkungen verschiedener Intensitäten und Arten von Schmerz auf die basalen ACTH- und Kortisolwerte sowie den TRH-Stimulationstest bei Pferden ohne PPID zu bestimmen. Es sollte die Frage beantwortet werden, ob Schmerzen zu einer starken Erhöhung der ACTH-Werte führen, sodass es zu einem falsch-positiven Ergebnis bei der PPID-Diagnostik kommen würde. Zusätzlich wurde geprüft, ob sich die Analyse der Herzfrequenzvariabilität (HFV) zur Schmerzbeurteilung eignet.
Untersucht wurden 15 schmerzbelastete Pferde, die als ihre eigenen Kontrollen dienten, sobald sie wieder schmerzfrei waren. Die Pferde wurden nach ihrer Erkrankung in drei Krankheitsgruppen eingeteilt (Krankheitsgruppe 1 = Kolik, Krankheitsgruppe 2 = Hufrehe, Krankheitsgruppe 3 = orthopädische Erkrankung). Die Beurteilung der Schmerzintensität wurde anhand einer zusammengesetzten Schmerzskala durchgeführt, die einen allgemeinen Teil sowie spezifische Parameter für die jeweilige Erkrankung enthielt. Im Anschluss erfolgte die Messung von ACTH und Kortisol, vor und nach der intravenösen Applikation von 1 mg TRH. Aus einem angefertigten Kurzzeit-EKG wurden 2-minütige Sequenzen zur frequenzbezogenen Analyse der HFV herausgeschnitten. Mithilfe einer Spektralanalyse wurden die niederfrequente Komponente (low frequency, LF) und die hochfrequente Komponente (high frequency, HF) sowie der Quotient aus LF und HF (LF/HF-Ratio) berechnet. Für alle gemessenen Parameter erfolgte ein Vergleich zwischen Schmerzzustand und Kontrolluntersuchung sowie zwischen verschiedenen Schmerzintensitäten und Krankheitsgruppen. Zudem wurde ein eventueller Einfluss der Schmerzintensität auf die Höhe der verschiedenen gemessenen Werte evaluiert.
Die Pferde wiesen gering- bis mittelgradige Schmerzintensitäten auf. Diese führten weder zu einem signifikanten Anstieg der basalen ACTH- und Kortisolkonzentrationen, noch zu einer Beeinflussung des TRH-Stimulationstests. In der deskriptiven Statistik zeigte sich jedoch, dass Schmerz die Wirkung des TRHs auf die ACTH-Ausschüttung tendenziell vermindert. Zwischen den verschiedenen Schmerzintensitäten konnten bezüglich der ACTH- und Kortisolwerte keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. Die Schmerzintensität hatte somit auch keinen Einfluss auf die Höhe der Stresshormone. Zwischen den verschiedenen Krankheitsgruppen gab es ebenfalls keine signifikanten Unterschiede zwischen ACTH und Kortisol. Lediglich die bei den Pferden mit Kolik im Vergleich zu den anderen Krankheitsgruppen am höchsten gemessenen Kortisol-Basalwerte, erreichten beinahe Signifikanzniveau (p = 0,052). Bezüglich der Parameter der HFV lag nur die LF/HF-Ratio während des Schmerzzustand signifikant höher als bei der Kontrolluntersuchung (p = 0,028). Dies deutet auf eine durch den Schmerz verstärkte Sympathikusaktivität hin. Unterschiede zwischen verschiedenen Schmerzintensitäten oder zwischen den Krankheitsgruppen konnten jedoch für keinen der frequenzbezogenen Parameter festgestellt werden. Auch gab es keine Korrelation mit der Schmerzintensität.
Eine Messung des ACTH-Basalwertes und die Durchführung des TRH-Stimulationstests zur PPID-Diagnostik ist somit bei Pferden mit gering- bis mittelgradigen Schmerzen möglich. Dabei sollten die je nach Labor und Jahreszeit variierenden Referenzwerte beachtet werden. Daneben scheint die frequenzbezogene Analyse der HFV beim Pferd kein geeigneter Parameter zur Beurteilung der Schmerzintensität zu sein.
Limitationen der Studie waren im Wesentlichen die geringe Patientenanzahl und die nicht bekannten Auswirkungen der verschiedenen, aufgrund der Grunderkrankung verabreichten Medikamente auf die basalen und stimulierten Stresshormone sowie die HFV. Weitere Untersuchungen an einer größeren Anzahl von schmerzbelasteten Pferden ohne vorherige Medikation wären sinnvoll, wenn dies mit dem Wohl der Tiere vereinbar ist. Zudem war dies die erste Studie zu den Auswirkungen von Schmerz auf den TRH-Stimulationstest. Dies sollte weiterhin Gegenstand der Forschung sein. Daneben ist die Etablierung einer standardisierten Methode zur Analyse der HFV beim Pferd nötig, um ihren potenziellen Nutzen in der Schmerzbeurteilung besser evaluieren zu können.
Aktualisiert: 2022-12-31
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Das Zungenband gehört zum erlaubten und üblicherweise eingesetzten Equipment im Pferderennsport in Deutschland. Über den deutschlandweiten Gebrauch und die Auswirkungen auf das Stressgeschehen beim Pferd ist bislang allerdings wenig bekannt. Steigendes öffentliches Interesse von Tierschutzorganisationen gegenüber dem Pferderennsport erhöht den Wunsch nach wissenschaftlich erhobenen Daten.
Vor diesem Hintergrund war es Ziel der vorliegenden Untersuchung, die Auswirkungen des Zungenbandes bei Rennpferden während des Trainings durch ausgewählte physiologische Blutparameter und der Herzfrequenzvariabilität zu ermitteln, um den Stressstimulus, der potentiell von einem Zungenbandeinsatz ausgehen kann, zu evaluieren. Zusätzlich wurden Fragebögen an Rennpferdetrainer versandt.
30 Traber und 29 Galopper von 9 verschiedenen Trainern haben für den klinischen Teil der Studie deutschlandweit eine Trainingseinheit unter realen Bedingungen mit Zungenband absolviert. Dieselben 30 Traber absolvierten die gleiche Trainingseinheit zu einem nahegelegenen weiteren Zeitpunkt zur gleichen Tageszeit erneut.
Die Blutproben und EKG-Sequenzen zur Bestimmung der Herzfrequenzvariabilität (HRV) wurden dazu in Ruhe, in Ruhe nach Einsetzen des Zungenbandes und unmittelbar nach dem Training entnommen und ausgewertet. Die Blutparameter Kortisol, Glukose, Laktat und Herzfrequenzanalyse-Parameter HF und LF, die Aussagen über die Parasympatikus- bzw. Sympathikusaktivität und sympathovagale Balance zulassen, wurden gemessen, um die Einflüsse auf den physiologischen Stoffwechsel und die HRV zu charakterisieren. Des Weiteren wurde das Verhalten während des Anlegens des Zungenbandes protokolliert.
Die Ergebnisse der Blutparameter Kortisol, Glukose und Laktat zeigten insgesamt nur einen leichten, aber nicht signifikanten Anstieg nach Anlegen des Zungenbandes, und eine signifikante Erhöhung von Kortisol und Laktat nach Beendigung des Trainings. Anhand der sich im Vergleich zu den Ruhewerten verändernden Laktatwerte lässt sich schlussfolgern, dass alle Pferde im anaeroben Bereich trainiert wurden.
Die Analyse der Frequenzbereichsparameter zeigte bei den Trabern nach Einsetzen des Zungenbandes eine Verschiebung der Parasympathikusaktivität hin zu einer dominierenden Sympathikusaktivität, die auch nach dem Training vorherrscht. Dies konnte bei den Galoppern nicht nachvollzogen werden. Hier waren über den gesamten Trainingsverlauf vermehrt die sympathischen Einflüsse auf das Herz dominant.
Die HRV kann als nichtinvasiver Parameter zur Erfassung der Aktivität des autonomen Nervensystems genutzt werden, um das Ausmaß des Stresses, dem die Pferde durch das Zungenband ausgesetzt sind, zu beurteilen. Weitere Einflüsse wie Rasse und Temperament dürfen dabei aber nicht ausser Acht gelassen werden.
Protokolliertes Kopfschlagen, Schweifschlagen und angespannte Gesichtsmuskulatur bis hin zum Steigen und einem damit einhergehenden Ausschluss aus der Studie wiesen in ihrer Form darauf hin, dass das Wohlbefinden der Pferde unter dem Einsatz des Zungenbandes litt.
Die Ergebnisse der Fragebögen zeigten, dass es deutschlandweit während des Trainings bei 17,2% und während des Rennens bei 19,2% der trainierten Pferde zum Einsatz von Zungenbändern kommt. Die relative Mehrheit der Pferde war zu diesem Zeitpunkt 4 Jahre alt.
Bei Galoppern kam das Zungenband bis zum vierten Lebensjahr seltener als bei den Trabern zum Einsatz. Es wurde unter Angabe leistungsverbessernder Endergebnisse trotz auftretender Probleme, die das Zungenband selbst mit sich bringt, im Rennsport eingesetzt. Besseres Handling und eine positive Unterstützung des Atmungsapparates standen dabei im Vordergrund.
Für Vergleiche wären weitere Studien mit höheren Fallzahlen und standardisierten Belastungstests unter Ausschluss weiterer potentieller Stressstimuli interessant.
Aktualisiert: 2022-12-31
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