Die lange vergriffene »Historische Grammatik der bildenden Künste« ist eine bedeutende und einflussreiche Abhandlung über die Kunstgeschichte. In diesem bahnbrechenden fragmentarischen Werk bietet Alois Riegl von der Antike bis zur Moderne einen Querschnitt durch die Epochen der Kunstgeschichte. Der Autor ermittelt invariante Elemente der bildlichen Darstellung: die Zwecke der Produktion von Bildern, ihre Motive sowie die wesentliche Beziehung zwischen Fläche und Form. Diese Elemente wandeln sich nach den Ausdrucksnotwendigkeiten von Ort und Zeit. Als Interpret der Kunstgeschichte und der Geschichte der Weltanschauungen und als Gegner jeglicher Art des technizistischen Materialismus entwickelt Riegl Beobachtungen, die so unterschiedliche Autoren wie Spengler, Panofsky, Deleuze, Feyerabend und nicht zuletzt Benjamin anregen sollten. Das ehrgeizige Projekt dieser »Historischen Grammatik«, die – vielleicht nicht zufällig – ein Entwurf blieb, bietet neuartige interpretatorische Mittel zur Auseinandersetzung mit der Kunst.
Aktualisiert: 2019-01-25
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Max Weber hat keine eigene Ästhetik oder Kunstphilosophie hinterlassen oder auch nur skizziert. Dennoch aus einem Hinweis von Marianne Weber entnimmt man, er hätte die Absicht, irgendwann eine Soziologie zu schreiben, die alle Künste umfassen sollte. Im Ausgang von den einschlägigen Spuren in Webers Werk versucht das Buch "Max Weber und die Kunst. Versuch einer Rekonstruktion der Weberschen Ästhetik" eine systematisierende Rekonstruktion der Weberschen Ästhetik. Das Buch ist in drei Hauptteile gegliedert. Im Teil A (Die Sphäre des Ästhetischen) wird das Ästhetische bei Weber als eine autonome Sphäre der Kultur dargestellt. Mit dem okzidentalen Rationalisierungsprozess hat sich eine autonome, nicht mehr in gesellschaftliche Funktionszusammenhänge eingespannte Kunst herausgebildet, die ihren eigenen Kriterien und Gesetzen folgt, zugleich aber auf die Gesellschaft bezogen und von ihr abhängig bleibt. Denn die Rationalisierung der Gesellschaft greift auch auf die Kunst und zeigt sich z.B. in der Musik in der Entwicklung der Instrumente und in der Ausbildung des temperierten Tonsystems und der Harmonielehre. Wichtiger Begriff der Selbständigkeit des Ästhetischen ist der des "Kunstwollen" individueller Künstler, mit dem Weber in grosser Nähe zu Riegl und Panofsky steht. Aber auch die Begriffe der "Form" und der "Technik" spielen eine Rolle: hier werden sie durch Vergleiche u. a. mit Georg Simmel, Theodor Adorno, Max Scheler, Herbert Marcuse, Jürgen Habermas, Hans Albert, Niklas Luhmann analysiert. Im Teil B (Das Ästhetische und das Religiöse) wird die Spannung zwischen dem Ästhetischen und dem Religiösen besonders in Anlehnung an wichtigen Figuren der literarästhetischen Produktion (u. a. George, Rilke, Dostojewski, Tolstoi, Th. Mann, Dante) skizziert. Kunst und Religion wurzeln beide in der Innerlichkeit des Menschen und weisen eine Verwandschaft auf: ist aber die christliche Religion mit ihrer asketischen Tendenz auf eine Erlösung von der Welt ausgerichtet, so plädiert die Kunst für eine Erlösung in der Welt, d. h. für eine Erlösung als unmittelbare Befreiung von den regelungen und Zwängen der modernen Alltagswelt. Der "Polytheismus" der modernen Welt mit dem Konflikt der Wertsphären wird für Weber gerade an der Spannung zwischen Religion und Kunst besonders sinnfällig und findet auch in Webers Kierkegaardlektüre seinen Grund, denn schon Kierkegaard hatte eine solche Spannung deutlich herausgestellt. Im Teil C (Max Weber und die Ästhetik seiner Zeit) werden die kritischen Auseinandersetzungen Webers mit der Einfühlungsästhetik von Th. Lipps, dem Intuitionismus von Benedetto Croce, der energetischen Kulturtheorie W. Ostwalds sowie dem Positivismus H. Taines nachgezeichnet und abschliessend die Beziehung Weber - Aby Warburg behandelt. Wenn Warburg die Kunst im Kontext der gesamten Kultur betrachtet oder mit der Interpretation eines Kunstwerkes eine "Synopsis von Lebensgefühl und Kunstkritik" versucht, dann entspricht das durchaus der Intention Webers.
Aktualisiert: 2020-12-04
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