In Rechtsprechung und Literatur war bereits zu Zeiten der Konkursordnung lange anerkannt, dass nicht nur positive Rechtshandlungen, sondern auch Unterlassungen anfechtbar seien. Dies ist in §129 Abs. 2 InsO und §1 Abs. 2 AnfG zwar nunmehr positiv rechtlich nachvollzogen. Weiterhin soll im Rahmen der Unterlassensanfechtung dem gegenüber der Konkursordnung mit §132 Abs. 2 InsO völlig neu geschaffenen Anfechtungstatbestand der besonderen Insolvenzanfechtung besonderes Gewicht zukommen. Was dies alles bedeutet, blieb aber weiterhin weitgehend im Dunkeln. Hier setzt das Werk an. Der Autor vertritt die These, dass das anfechtbare Unterlassen objektiv schlicht die Nichtvornahme einer Handlung sei, durch die die gläubigerbenachteiligenden Rechtsfolgen hätten vermieden werden können. Subjektive Voraussetzungen in Form des Bewusstseins oder des Wollens des Unterlassens seien entgegen der herrschenden Meinung nicht erforderlich; nur so könne der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz nachhaltig gewährleistet werden. Vorgenommen sei die Unterlassung zu dem Zeitpunkt, zu dem die Rechtswirkungen noch hätten verhindert werden können. In der Literatur geäusserte Zweifel an der materiellen Legitimation des §132 Abs. 2 InsO schliesst der Autor für die Fälle aus, in denen es um die Anfechtung eines Verlustes von Aktiva und einer Mehrung von Passiva geht. Hingegen fehlt eine Legitimation bei der Anfechtung des unterlassenen Vermögenserwerbs. Im Anschluss dieser allgemeingültigen Feststellungen wendet der Autor sich einigen besonderen Fallkonstellationen zu. Am Anfang steht eine Auseinandersetzung mit der Anfechtung des unterlassenen Widerrufs einer Anweisung oder Lastschrift bzw. der unterlassenen Kündigung eines Überweisungsvertrages. Der Autor unterscheidet hier zum einen zwischen den verschiedenen Ausführungsstadien und zum anderen danach, ob die Zahlung von einem kreditorischen oder debitorischen Konto erfolgt. Es finden sich dabei differenzierte Lösungen. Als nächste Fallgruppe wird die Anfechtung von Unterlassungen des Schuldners im Zusammenhang mit Vollstreckungshandlungen untersucht. Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass hier de facto nur die Vorsatzanfechtung relevant ist. Auf objektiver Seite kann sich das Unterlassen auf die materiell - rechtliche Forderungsbegründung, das Erkenntnisverfahren sowie auf das Vollstreckungsverfahren beziehen. Die unterlassene Einlegung eines Rechtsbehelfs kann auch anfechtbar sein, wenn dieser erfolglos gewesen wäre, solange der Rechtsbehelf nur Suspensivwirkung gehabt hätte. Die unterlassene Stellung eines Insolvenzantrages ist aufgrund der Gesetzessystematik derzeit nicht anfechtbar, obwohl teleologische Gründe des Anfechtungsrechtes sehr dafür sprechen. Im Hinblick auf die Feststellung des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes gelangt der Autor zu der Überzeugung, dass auch im Zusammenhang mit Unterlassungen die Inkongruenz ein Beweisanzeichen liefert. Der Autor geht ferner auf den von Smid/Zeuner ins Spiel gebrachten Fall ein, ob die unterlassene Mietzinszahlung nach §132 Abs. 2 InsO anfechtbar ist. Unter Auseinandersetzung mit der zuvor herausgearbeiteten Legitimation der Vorschrift bejaht er die Anfechtungsmöglichkeit. Ein wesentlicher Teil des Werkes setzt sich mit der Frage auseinander, ob der "unterlassene Vermögenserwerb" anfechtbar ist. Die Frage muss nach Ansicht des Autors wegen des nach wie vor restitutorisch angelegten Anfechtungsrechts verneint werden. Das heisse aber nicht, dass die in Rechtsprechung und Literatur diskutierten Fallgestaltungen unanfechtbar seien, da der Schuldner hier regelmässig bereits eine vermögenswerte Rechtsposition innehatte. Die anfechtbaren Unterlassungen im Zusammenhang mit einem erbrechtlichen Erwerb werden in diesem Komplex der Arbeit ebenfalls näher ausgeleuchtet. Weiterhin spielen anfechtbare Unterlassungen im Eigenkapitalersatzrecht eine Rolle. Der Autor nimmt hier vier Fallgestaltungen (die unterlassene Darlehenskündigung, die unterlassene Geltendmachung eines Erstattungsanspruches, die unterlassene Kapitalerhöhung und die unterlassene Durchsetzung eines Erstattungsanspruches vor Beseitigung der Unterbilanz) näher unter die Lupe. Diese unterzieht er einer Würdigung nach altem und neuem Recht (MoMiG). Den Abschluss des Werkes widmet der Autor den Rechtsfolgen des anfechtbaren Unterlassens. Der Schwerpunkt der Betrachtung wird hier auf die Anfechtung von prozessualen Präklusionslagen und der unterlassenen Einlegung von Rechtsmitteln gelegt. Der Autor stellt in diesem Zusammenhang die These auf, dass die Anfechtung auch vom Gericht zu beachten ist, da sie nicht nur inter partes, sondern absolut wirkt. Er leitet dies aus den grundlegenden Ausführungen Paulus und der neueren BGH Rechtsprechung ab. Auf eine Disponibilität der Präklusionslage komme es daher nicht an. Die Anfechtung könne in einem gesonderten Anfechtungsrechtsstreit geltend gemacht werden. Der Autor zeigt auch auf, wie sich dies prozessual bewerkstelligen lässt. Die Durchbrechung der Rechtskraft der Erstentscheidung ist nach Ansicht des Autors über eine analoge Anwendung des §141 InsO bzw. §10 AnfG legitimiert. In der gesamten Untersuchung wird immer auch ein Seitenblick auf das österreichische Recht geworfen, das für das deutsche Pate stand.
Aktualisiert: 2019-12-20
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