„Die letzten Geheimnisse sind viel viel einfacher, als es den armen Seelen gesagt werden kann.“
Karl Ballmer "arbeitet wie ein Pferd", als Maler wie als Schreiber. Nach der Begegnung mit dem "Ereignis Rudolf Steiner" sucht er "nach einem brauchbaren Ausdrucksmittel, um vor mir selber allerhand geistige Dinge, von denen ich überrascht worden war, besser zu verstehen." Die Herausforderung: die Geheimnisse westlicher Spiritualität, eines spirituellen Materialismus herauszuarbeiten.
"Dadurch unterscheidet sich Steiner von Keyserling, dass er kein Schauspiel bieten will, keine bloße 'Weltanschauung', sondern eine Chance für die anderen Menschen, in den Kern der Welt hineinzuwachsen durch Arbeit am eigenen Selbst. Ich habe Ihnen damit - etwas abrupt und etwas voreilig - einen vollkommen exakten Begriff gegeben von Anthroposophie. 'Anthropos' heißt eben der Mensch und heißt im griechischen Ursinne soviel wie der aufwärts (zu den Urkräften) Blickende oder der sich Empor-richtende. Die Anthroposophen sind mithin die Empör-er, wenn sie heute in ihren charakteristischen Exemplaren auch eher etwas nach Frommheit aussehen."
Auch wenn die hier zusammengestellten Briefe und kleinen Texte teils einen etwas mehr privaten Charakter tragen und wir kleine Einblicke in das Leben des "in der Stille hausenden Privatgelehrten" erhalten - einfach zu "verstehen" ist das alles nicht.
"Aber glauben Sie mir: das intensiv erlebte Nichtverstehen ist die nicht zu vermeidende Vorbedingung für das Verstehen."
Aktualisiert: 2023-01-12
> findR *
Karl Ballmers Problem lautet: Die „werten Mitanthroposophen“ machen sich es mit der Erarbeitung der Welt Rudolf Steiners zu leicht. Die eigenen Vorurteile, die christlich-abendländische Denkart einschließlich der Schwärmerei für die „orientalisierende Liebhaberei“ der Wiederverkörperung werden nicht hinterfragt. Darstellungen der Reinkarnationslehre Steiners geraten so auf das Niveau des „Konversationslexikons“; der Wiederverkörperungsgedanke als eine „Zentralidee des 20. Jahrhunderts“ wird ruhiggestellt und in das bürgerliche Selbstverständnis eingeordnet, als „Vorgang der natürlichen Lebensordnung“, ähnlich wie „der katholische Metaphysiker von der natürlichen Unsterblichkeit der Seele daherredet“.
Ballmers „Elf Briefe“ sind die Fortsetzung des „Experimentes“, das mit dem „Briefwechsel über die motorischen Nerven“ begonnen wurde: Das Ziel ist, die „anthroposophisch-akademische Gruppenseele“ zur Selbsterkenntnis anzuregen, damit nicht „in hundert oder zweihundert Jahren stotternd nachgeholt werden muss, was heute zu sehen versäumt wird“.
In der Neuausgabe werden den „Elf Briefen“ hilfreiche weitere Texte aus dem Nachlass an die Seite gestellt, unter anderem zu Steiners Vertiefung der Haeckelschen Abstammungslehre (Entwicklung der Menschen-FORM) und zum Zeitbegriff. Das „Problem der WELTSCHÖPFUNG“ wird durchdacht anhand von Steiners Vortrag über „Blut ist ein ganz besonderer Saft“, wo es heißt:
Aktualisiert: 2022-07-27
> findR *
"Die Frage, was ein Anthroposoph sei, bietet nicht geringere Schwierigkeiten als die Frage, was der Mensch sei. Und wie das Leben nun einmal ist: man ist Mensch, bevor man zutiefst weiß, was man ist; – und so ist man vorderhand Anthroposoph, ohne voll verantwortlich sein zu können für die anspruchsvollen Offenbarungen des Wesens Anthroposophie.
Anthroposoph sein ist ein Schicksal. Ich bin Anthroposoph, indem ich weiß, dass ein gutes Schicksal mir einen aussichtsreichen Weg eröffnete, auf dem mir das Ziel meiner Menschenbestimmung in der Gestalt des Wesens Anthroposophie vorgegeben ist. Es ist mir in Aussicht gestellt, dass ich mich selbst realisieren werde, wenn ich die Kraft habe, mich selbst aus der Transzendenz eines Andern Ich entspringen zu lassen. Nicht das cogito ergo sum macht mich zum Anthroposophen, sondern die Einsicht: ich konstituiere mich als Ich, indem ich das Andere Ich erkennend wahrnehme."
Eine Zusammenstellung von sechs verschiedenen Aufsätzen Karl Ballmers aus seiner Hamburger Zeit. Ihre Entstehung ist situationsbedingt – aktuelle Kontroversen, Buchbesprechungen, eine Stellungnahme zu einem nationalsozialistischen Machwerk –, doch nehmen wir hautnah teil am Einsatz einer intellektuell hoch engagierten Künstlerpersönlichkeit für die Sache Rudolf Steiners. Auch 80 Jahre später interessant für Anthroposophen und Nichtanthroposophen, die ahnen, dass die Innovationskraft Steiners bisher weder von einer fehlentwickelten anthroposophischen Gesellschaft noch von einer deswegen chancenlosen Öffentlichkeit gesehen werden konnte.
Aktualisiert: 2022-07-27
> findR *
"Die Unhöflichkeiten des Schriftstellers Ballmer sind in Wirklichkeit die der Götter selbst; anders betrachtet, er bringt eben das zum Ausdruck, was in Steiners Texten und Worten schonend verschwiegen oder gemildert wird: die Erzürntheit der geistigen Welt über die sekundär-anthroposophischen Ahnungslosigkeiten. (…) So vollständig, allseitig, monumental, wie in Karl Ballmer, wurde Rudolf Steiner von kaum jemandem sonst verstanden."
Bereits die Erstausgabe von Swassjans Karl-Ballmer-Probe (1994) hat vielen Lesern den Zugang zum außergewöhnlichen und "gefährlichen" Anthroposophen Ballmer erleichtert. Diese wesentlich erweiterte Neuausgabe ist um weitere, in der Zwischenzeit entstandene Texte von Karen Swassjan ergänzt. Als "Probe" für Ballmers eigenes Denken und Schreiben sind wieder die beiden "Marginalien" 1 und 2 (1949/1950) enthalten.
Aktualisiert: 2022-07-27
> findR *
"Wer sind wir, wir sogenannten Anthroposophen…? Ein nächstliegendes Mittel, um zu Vorstellungen über unser Wer zu kommen, bestünde darin, dass wir echtes Interesse aufbringen für denkerische Bestrebungen dieser Zeit, die 'ebenfalls' den Menschen als ein Geistwesen reklamieren. Je sorgfältiger wir auf solche Ebenfalls-Bemühungen eingehen, desto sicherer werden wir uns des Abgrundes bewusst werden, der uns von mancherlei wohlmeinenden Aspirationen trennt. Damit hätten wir unser 'Wer' zunächst in dem Bewusstsein dessen, was uns von Anderem unterscheidet. – Die Welt hat ein gewisses Recht, von den Anthroposophen zu erwarten, dass diese sichtbar werden lassen, wer sie sind. Wir sollten allmählich dazu kommen, uns und der Welt zu beweisen, dass wir überhaupt sind, nämlich dass wir fähig sind, in klaren Gedanken Stellungsbezüge zu vollziehen."
Das "Andere", das Ballmer in diesem Aufsatz aus dem Jahr 1956 wählt, ist die von Heidegger inspirierte Anthropologie, Psychosomatik und Daseinsanalyse. Die "liebende Teilnahme", mit der er sich diesen "Bemühungen" gegenüberstellt, enthebt ihn nicht der Notwendigkeit, den Mythos der Zusammengesetztheit des Menschen aus Leib und Seele einschließlich eines "Verhältnisses" zwischen beiden für "grobe Torheit" zu halten, mit der "der"Kirchenvater Aristoteles das Abendland gesegnet hat".
"Wir befinden uns im Zeitalter der Naturwissenschaft. Diese Naturwissenschaft, wenn sie redlich und konsequent ist, kann unmöglich das Andenken an ihren Stifter, an Galilei, kränken wollen, indem sie gedankenlos die 'Leib-Seele'-Mythologie konserviert. Die Korrektur, die Galilei an der Ansicht des Aristoteles über die Bewegungen der Körperdinge vornahm, muss sich in unserer Korrektur der Ansicht des Aristoteles über die 'Leib-Seele'-Komposition der Menschenleute wiederholen. Aristoteles hatte geglaubt, die Dinge bewegten sich nach dem Gesetze des ihnen einwohnenden eigenen Wesens, die leichten strebten ihrem Wesen gemäß nach oben, die schweren wesensgemäß nach unten. Galilei bewies, dass das Reden des Aristoteles vom 'Wesen' der Dinge pure Flunkerei war. Die Dinge bewegen sich nach Welt-Gesetzen, und nicht nach eingeborenen eigenen angeblichen 'Wesens'-Gesetzen. Ebenso kann es die Seele von Meier und Huber nur als Welt-Gesetz geben…"
Die zweite Auflage (1997) ist durch thematisch dazugehörige Texte aus dem Nachlass ergänzt.
Aktualisiert: 2020-02-15
> findR *
"Es liegt an der Art und Form der anthroposophischen 'Literatur', dass es akademisch noch nicht üblich ist, die vielfachen Parallelen zu kennen und zu nützen zwischen Jung und R. Steiner; ich bin überzeugt, dass diese Beziehungen auf die Dauer nicht verborgen bleiben werden. Ich bin sogar so naiv, anzunehmen, dass man in hundert Jahren Jung ohne große Umstände als einen Exponenten des damals in der Schweiz zentrierten Anthroposophischen nehmen wird. (…) Es ist in einem allerobjektivsten Sinne interessant und verdient bemerkt zu werden, wie Jungs Problem der 'Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge' im Jahre 1909 von Rudolf Steiner entfaltet wurde."
Die von Jung 1952 beschriebenen "Synchronizitäten" meinen die Gleichzeitigkeit zweier Ereignisse, die durch ihr pures Nebeneinander einen geheimen Sinn andeuten zu wollen scheinen. Ballmer sieht diese Entdeckung durch Rudolf Steiners "allerwichtigsten und allerschwierigsten Begriff" der "Schöpfung aus dem Nichts" vorweggenommen. Die "rätselhaften" Zufallsphänomene werden ihrer Sensationalität entkleidet, wenn sie mit dem Zentralbegriff der Gleichzeitigkeit z.B. in der Wahrnehmungslehre konfrontiert werden.
Aktualisiert: 2022-07-27
> findR *
Von 1928 an gibt Karl Ballmer in Hamburg die "Rudolf Steiner-Blätter" heraus. In seinen eigenen Leitaufsätzen (der Band vereinigt diejenigen der Hefte 1 und 2) entwickelt er die Grundlagen eines Anthroposophieverständnisses, welches bis heute in seiner Reflexionstiefe einzigartig dasteht.
Ballmer verteidigt den "energischen Monismus Rudolf Steiners" gegen "die Bedürfnisse einer metaphysikfreundlichen, einer religionslüsternen Gegenwart". Mit Blick darauf, dass Steiner seine radikal autonomistischen Positionen des voranthroposophischen Frühwerks in der Anthroposophie nicht etwa zurücknimmt, sondern anwendet, wird die "philosophische Erarbeitung des Ereignisses Rudolf Steiner" durchgeführt.
Der Band enthält neben weiteren erläuternden Texten zum Projekt der "Rudolf Steiner-Blätter" außerdem den Aufsatz "Was ist's um Anthroposophie?". Ballmer setzt den Steinerschen Ansatz in Beziehung zum Deutschen Idealismus und zum diesen verneinenden zeitgenössischen "neuen geistigen Realismus":
"Die Anmaßung des 'Ich' wollen sie in die Schranken weisen, - bevor sie es mit Eckehart, mit Fichte, mit Rudolf Steiner erst 'geboren', 'erweckt' haben. 'Entweder innen oder außen, entweder Traum oder Wirklichkeit', das sei die aktuelle Parole. Nachdem der deutsche Traum des 'Ich' ausgeträumt sei, 'muss das Suchen nach dem Außen wieder beginnen'. – Diese Träumer werden gar nichts finden, wenn sie nicht ihr Ich so innerlichst erkraftet haben werden, dass sie die 'Natur' (und das Ich des andern Menschen) nicht mit Fichte als Nicht-Ich, sondern wahrhaftig als Sich-Selbst mit Sinn und mit Methode zu suchen und zu finden vermögen.
Nichts anderes als dieses Sich-Suchen und Sich-Finden bildet den Inhalt dessen, was in unerhörter Inhalt-Fülle Rudolf Steiner vor eine ahnungslose Welt als Anthroposophie ausbreitet."
Aktualisiert: 2019-08-06
> findR *
Mit diesem Band erscheint eines der umfangreichsten der bisher unveröffentlichten Werke Ballmers. Der im Winter 1949/50 ("Hommage à Goethe, 1949") entstandene Text wendet sich keineswegs speziell an Fachphysiker. "Es geht da nicht um theoretische Welterklärung, es geht da unmittelbar um den Markgehalt des Menschseins." Der Titel deutet (in Anspielung auf ein antisemitisches Buch der Nazizeit) auf den Anspruch Ballmers, die Kontinuität vom "vergessenen Goethe" (dem Naturwissenschaftler Goethe) zu Rudolf Steiners Anthroposophie herauszuarbeiten – und mit der parallelen Entwicklung der exakten Naturwissenschaften zu kontrastieren. Ballmer nimmt die Rolle eines "terrible simplificateur" auf sich, um den "kanonischen Verlautbarungen der alleinseligmachenden Physik-Kirche", dem "unverbindlichen Denk-Varieté" und der "spätbürgerlichen Lyrik" der modernen wissenschaftlichen Physik, die sich nach Hermann Weyl als "Konstruktion in reinen Symbolen" versteht, seine Aussicht auf eine "PHYSIK DES KÖRPERS" gegenüberzusetzen. Ungenannter Hintergrund und Voraussetzung ist die Anthroposophie als "universelle physikalische Weltanschauung".
"Die moderne Physik strebt vom Beobachtbaren ins Unbekannte. Das Unbekannte wird bezeichnet und symbolisiert durch abstrakte Begriffe wie: Energie, Lichtgeschwindigkeit, Elementarwirkung usw. Der Physiker beunruhigt sich nicht darüber, dass das Streben nach dem Unbekannten eigentlich ein Nonsens ist; er kennt diese Frage gar nicht, dagegen lässt er sich faszinieren durch das am Unbekannten absolut Sichere: das Mathematische. Die vom Physiker aufgestellten brauchbaren Naturgesetze sind von imponierender mathematischer Sicherheit. Die bewunderungswürdigen Erfolge der modernen Technik beruhen auf dieser weltanschaulich wenig anspruchsvollen Naturerkenntnis. Goethes Methode strebt vom Beobachteten nicht ins Unbekannte, sondern ins Bekannte. Die Phänomene der Welt sollen Einzug halten im Menschen als dem Ort, wo sie Klärung und Verklärung erfahren von ihrem eigensten Ursprungsprinzip her. Als 'Bezugssystem' der zu deutenden Weltphänomene wirkt nicht eine Geometrie, die zugleich Physik wäre, sondern eine physikalische Summa: die wirkliche Welt als Menschen-Seele."
Aktualisiert: 2020-02-15
> findR *
Der kurze Text aus dem Jahre 1951 ist eine Beurteilung des (nach Ballmer im beibehaltenen "Trägheitsgesetz" dokumentierten) weltanschaulichen Gehaltes der modernen Physik – und somit moderner Wissenschaft überhaupt. Denn, so eine spätere Notiz:
"Ich hege die Überzeugung, dass die großen Entscheidungen in der Physik fallen, indem ich unter Physik das Postulat einer universellen physikalischen Weltanschauung verstehe, die in ihr Problem alle erdenkbaren Probleme der Theologie, Philosophie, Psychologie, Anthropologie, Biologie einschließt."
"Das Abendland hat keine selbständige Wissenschaftstheorie hervorgebracht. Die 'exakte Naturwissenschaft' hat zu den Grundbegriffen, die man von den griechischen Wissenschaftsvätern bezog, keinen einzigen neuen hinzugefügt (ausgenommen Goethes Begriff der Metamorphose). Es musste aus europäischer 'Wissenschaft' exakt soviel wieder herauskommen, als am Beginne die Griechen in sie hineingesteckt hatten.
Die abendländische Physik beruht auf dem einzigen Gedanken, dass Gott nicht ein KÖRPER sei. Das ist der weltanschauliche Gehalt der wissenschaftlichen Physik, der 'klassischen' wie der "modernen"…
Am Beginne der Physik frug man: Wer ist der Garant dafür, dass eine Vielzahl von Körpern (z.B. menschlichen oder planetarischen Körpern) sich in EINER Welt befinden? Man beantwortete die Frage dahin: der Garant für die Eine Welt sei der Raum. Der Gedanke Raum duldet das Außereinander und Nebeneinander der Körper und erstellt zugleich, allerdings nur in einem Gedanken, ihre Einheit. Das Fundament der beginnenden Physik war mithin die Annahme, die Einheit der Welt sei nicht ein Körper (…), sondern sei bloß gedanklicher Art. Diese ursprüngliche Struktur der physikalischen Weltanschauung, als die Annahme, Gott sei nicht Körper, erhielt sich unverändert bis in die gegenwärtige postklassische 'moderne' Physik. Man versteht unter 'Welt' - wie z.B. Prof. Aloys Wenzl, indem er der fortgeschrittensten Physik eine Heimstätte in der altrömischen Metaphysik besorgt - die 'Abbildung oder Realisierung eines unanschaulichen mathematischen Gebildes'."
Aktualisiert: 2022-07-27
> findR *
Die hier aus dem Nachlass veröffentlichten Texte entstanden im Winter 1950/51 und sind – vom äußeren Entstehungsanlass her – eine Reaktion auf den Tod des Basler Philosophen Herman Schmalenbach am 3. November 1950. Jedoch handelt es sich weder um einen erweiterten Nachruf noch um eine fachphilosophische Auseinandersetzung mit Schmalenbach, die im akademischen Milieu anschlussfähig wäre.
Ballmer nutzt das "Gespräch" – hier mit einem Toten – zur Darlegung seiner Position; oder besser: zur mit dem Leser unternommenen Erwanderung seiner "fertigen Begriffswelt", in der er sich nach jahrelanger Arbeit des "Angelns nach Begriffen" nunmehr "häuslich einzurichten beginnt". Diese Welt ist – jeder Ballmer-Kenner weiß was gemeint ist – in ihrer Komplexität, in der Lapidarität, mit der die Formeln und Thesen hingepflockt und rondoartig wiederholt werden: eine Zumutung.
Und doch versteht Ballmer diese Begriffswelt – so lässt sich aus Briefstellen interpretieren – gleichzeitig als eine "schlichte Lehre vom Sinneswahrnehmungswesen". Dies ist der Ansatzpunkt, wo sich Ballmers Intention mit Schmalenbach berührt: Die "Epoche des Sensualismus", die Ballmer in der hier gelungenen Bewältigung altgriechischer Erblasten beginnen sieht, ist durch Schmalenbachs "Lehre vom Sichwahrnehmbarmachen des Logos" vorbereitet.
Der Haupttext des Buches geht mit keinem Wort auf "Anthroposophie" ein. Doch Ballmer sieht in der "schlichten Lehre" nicht weniger als den "Ursprung von Anthroposophie".
Um dem Leser eine Begegnung mit dem zu Unrecht so wenig bekannten Schmalenbach zu ermöglichen, in dessen "verhaltenen Philosophensätzen" er mit Ballmer hören mag, wie "sich die Welt in ihren Angeln dreht", wurden sowohl "Die Idee der Logik als Philosophie vom Logos" als auch die Antrittsrede "Das Ethos und die Idee des Erkennens" mit in diesen Band aufgenommen.
Aktualisiert: 2020-02-15
> findR *
Das „Nervenproblem“ – die kompromisslose Frontstellung Rudolf Steiners gegen die duale Lehre der sensitiven und motorischen Nerven – ist weder für Steiner selbst noch für die akademische Physiologie ein Problem, wohl aber für anthroposophisch orientierte Wissenschaftler im Spannungsfeld beider Welten. Nach wie vor tritt hier die akademische Heimatlosigkeit der Anthroposophie in aller Schärfe hervor, weil sich im Thema der Willkürbewegung alle physikalischen, physiologischen, psychologischen, spirituellen Gesichtspunkte der Menschenkunde versammeln.
Bei den jahrzehntelangen sporadischen Versuchen, sich der von Steiner gestellten „Hausaufgabe“ zu nähern, sind bisher die wichtigsten Ansätze ignoriert worden. Peter Wyssling lenkt den Blick auf die so verschiedenen Anthroposophen Karl Ballmer und Gerhard Kienle, in deren Begegnung das vermeintlich akademische Thema zum existentiellen Lernprozess wurde. Was zwischen Aristoteles, Galilei und Thomas von Aquino zu verhandeln war, will als überraschender Zufall – immer aufs Neue – in die Welt treten. Gerhard Kienle stellt, als Neurologe und Anthroposoph, gewissermaßen eine Verkörperung des kontroversen „Nervenproblems“ dar. Die Weltanschauungsentscheidung für oder gegen den Menschen (als Urgestalt und Urkraft seiner Evolution und Bewegung) ist Ballmer wie Kienle auf den Leib geschrieben.
Das Buch begleitet die erweiterte Neuausgabe von Karl Ballmers „Briefwechsel über die motorischen Nerven“. Die zahlreichen ausführlichen Zitate aus dem Vortragswerk Rudolf Steiners illustrieren Ballmers Mahnung, „dass in den Vorträgen Rudolf Steiners das Thema der sogenannten motorischen Nerven stets anlässlich der Behandlung der anspruchsvollsten Weltanschauungsfragen auftritt.“ Es gelingt Wyssling dabei, anhand der „Kompassnadel" Ballmer die Systematik der Steinerschen Weltanschauung herauszuarbeiten.
Aktualisiert: 2022-07-27
> findR *
"Das Leben ist rund und das Runde ist höchstwahrscheinlich oder offensichtlich zentriert (es kommt ganz auf die Kraft meines 'Glaubens' oder meinetwegen meiner exakten Phantasie an, oder einfach auf meine Intelligenz). Das Zentrum, in vorläufiger Instanz, muss 'ich' schon selbst sein, nur eben nicht als Monologist und Lyriker, der seine eigene Person zum Objekt hat. Es ist nicht das gleiche: Zentrum von rundem Leben oder lyrischer 'ich' zu sein. Sofern 'ich' interesselos (gleichsam tot) mein Studienobjekt zu sein vermag, kann ich es wagen, mir als Ichselbst von außen aus den Vorgängen des Lebens entgegenzutreten."
Ein eigentümlicher Text aus dem Jahr 1951, der belletristisch erzählte Elemente aus Ballmers Tessiner Leben mit der Suche nach "Formeln" verknüpft, auf die "der Vor- und Nachwitz der Menschenleute angewiesen" ist.
Aktualisiert: 2020-02-15
> findR *
Die weitestgehende Zustimmung, die Steiner dem von Max Stirner propagierten absoluten Egoismus zuteil werden ließ, wird in der Regel ignoriert. Stirners Buch "Der Einzige und sein Eigentum" verdient nicht nur deswegen anthroposophischerseits Beachtung, weil Steiner nach eigenen Worten im ersten Teil seiner "Philosophie der Freiheit" den "philosophischen Unterbau für die Stirnersche Lebensauffassung" geliefert hat. Steiner legt, so Ballmer, die an Stirner entwickelte Idee der Wahrheit ("Wie man aus dem Welterkenner der Weltherrscher, aus dem Priester der Wahrheit der Herr der Wahrheit werden kann, das ist für ihn die Frage.") seinem eigenen Wirken zugrunde.
Insbesondere wer an der Anthroposophie die (schnell verstandene) "Christlichkeit" schätzt, wird mit Steiners positivem Verhältnis zu Stirner massive Probleme haben:
"Wir werden den Ernst aufbringen müssen, um einzugestehen, dass Rudolf Steiner von Max Stirner als von dem Manne spricht, der von den Verwaltern der äußeren Tradition als der erbittertste Feind des Christentums angesehen werden muss, von dem Manne, der sich selbst als Verächter und Gegner des Christentums versteht. Wer nicht zu sehen vermag, dass hier ein Problem von geistiger Weltbedeutung seine Lösung fordert, wer vor der Aufgabe der Lösung dieses Problems resigniert, belastet das einheitliche Werk Rudolf Steiners mit dem Odium des Selbstwiderspruchs. Kann man Max Stirner bejahen und Christentum begründen?"
Ballmer sieht in Stirners "Der Einzige und sein Eigentum" nicht weniger als das repräsentative Buch des 19. Jahrhunderts. Aus dezidiert anthroposophischem Blickwinkel liest er aus Stirner anderes und mehr heraus als nur eine "genialische Marotte" (Egon Friedell). Sein Resultat: "Die spekulative Philosophie ist Abendrot, Stirner mag uns Frühschein und Zwielicht eines neuen Tages bedeuten."
Aktualisiert: 2020-02-15
> findR *
Das Buch enthält v.a. die Aufsätze von Heft 3/4 der "Rudolf Steiner-Blätter" (1929) und ist insofern die Fortsetzung des Bandes "Das Ereignis Rudolf Steiner".
Ballmer nimmt die Frage nach dem Verhältnis der anthroposophischen Bewegung zur (mit Hilfe Steiners gegründeten) "Christengemeinschaft" zum Anlass für Begriffsklärungen im Verhältnis von Anthroposophie und Christentum generell, so etwa in der Gegenüberstellung von christlich verstandenem "Glauben" und anthroposophischem "Erleben" der "Geistigen Welt", oder im Vergleich des theologischen mit dem anthroposophischen Begriff der "Offenbarung". Die Fragen tangieren somit das Selbstverständnis beider Bewegungen.
"In den entwickelten Gedanken ist dann das Verhältnis der Christengemeinschaft zur Anthroposophie für den Leser mehr herauszulesen, als dass direkt darüber gesprochen würde."
Aktualisiert: 2020-02-15
> findR *
"Man macht es sich heute in der Beurteilung der Anthroposophie bequem. Weil Steiner nicht polemisch gegen den Theismus aufgetreten ist, weil er seine Weltanschauung als 'Theosophie' dargestellt hat, wähnt man, es mit einem Versuche der Konservierung des theistischen Weltbildes zu tun zu haben. Eine oft genug herausfordernd mangelhafte Sachkenntnis der Beurteiler Steiners dient der Stützung dieses Wahnes. Und doch wird eine nicht zu ferne Zukunft begreifen lernen, dass mit dem Auftreten der Anthroposophie die Liquidierung des Theismus in die Endphase eingetreten ist. Vielleicht verwechselt man zu leicht die zeitbedingten Äußerungsformen der Anthroposophie mit dem geistigen Kern des Faktums Steiner. Die drängende Aufgabe der Zeit besteht zwar in der Assimilierung und Verarbeitung, in der Abfindung mit der unerhörtesten Vorstellungsbereicherung, wie sie wohl noch nie von einem Einzelnen bewirkt wurde. Es ist indessen zweierlei: im Genusse dieses Reichtums zu leben, oder sich Gedanken darüber machen, wodurch aus philosophischen Gründen die Erkenntnis- und Weltanschauungsposition der Anthroposophie wahr ist."
Dieser Band gibt den Hauptinhalt von Heft 5 der "Rudolf Steiner-Blätter" (1929 in Hamburg von Ballmer herausgegeben) wieder, welches den Titel trug: "Rudolf Steiner und die jüngste Philosophie". Die Auseinandersetzung wird v.a. mit Max Scheler geführt, aber auch mit Dietrich Heinrich Kerler und mit Nicolai Hartmann. Ballmer sieht den "Vortrupp der Philosophie" dort ankommen, von wo Steiner vor einigen Jahrzehnten aufgebrochen ist, nämlich bei der "Wahrnehmung einer nicht neuen Aufgabe: der Liquidierung des Theismus".
Insofern rundet dieser Band – nach "Das Ereignis Rudolf Steiner" und der Bejahung des Kultus in "Anthroposophie und Christengemeinschaft" – mit seiner Verneinung der Glaubens an einen extramundanen Weltenlenker diese beiden Bände ab, indem er ihre Begrifflichkeit fortführt.
Aktualisiert: 2020-02-15
> findR *
„Das Bewusstseinserlebnis des sich willkürlich Bewegens ist für jedermann das allerselbstverständlichste. Dennoch ist die Bewegungsfähigkeit des Holzklotzes und die Motilität des Menschen von grundsätzlich gleicher Art; die Annahme des Gegenteils wäre luziferische Anmaßung. Die erlebte Willkür ist kein physikalisches Agens. Es kann auf Grund der Belehrung Rudolf Steiners nur gesagt werden: Indem die Meier und Müller die Teilnahme ihres Ich an den Bewegungen erleben, kann auch das Bewusstseinserlebnis des sich willkürlich Bewegens auftreten. Es steht eben zur Aufgabe, dahinter zu kommen, dass es zur Führung unseres Daseins notwendige Illusionen geben muss, damit wir als die Bewohner unseres Körpers, den wir nicht ohne weiteres mit unserem ‘Ich’ zu identifizieren haben, moralische Wesen sein können.“
In Form eines sozial-existentiellen „Experimentes“ – im Briefwechsel mit dem anthroposophischen Arzt Gerhard Kienle – legt Karl Ballmer dar, „dass und wie die These Rudolf Steiners: "es gibt keine ‘motorischen’ Nerven" der Angelpunkt seiner Gesamtweltanschauung ist.“
Die Neuausgabe des Briefwechsels ist durch ergänzende Materialien aus Ballmers Nachlass sowie zahlreiche Erläuterungen erweitert. Einen ausführlichen inhaltlichen Kommentar bietet das begleitend im selben Verlag erschienene Buch von Peter Wyssling: Rudolf Steiners Kampf gegen die motorischen Nerven – Das Schicksal einer Weltanschauungsentscheidung in Karl Ballmer und Gerhard Kienle.
Aktualisiert: 2022-07-27
> findR *
MEHR ANZEIGEN
Oben: Publikationen von Edition LGC
Informationen über buch-findr.de: Sie sind auf der Suche nach frischen Ideen, innovativen Arbeitsmaterialien,
Informationen zu Musik und Medien oder spannenden Krimis? Vielleicht finden Sie bei Edition LGC was Sei suchen.
Neben praxiserprobten Unterrichtsmaterialien und Arbeitsblättern finden Sie in unserem Verlags-Verzeichnis zahlreiche Ratgeber
und Romane von vielen Verlagen. Bücher machen Spaß, fördern die Fantasie, sind lehrreich oder vermitteln Wissen. Edition LGC hat vielleicht das passende Buch für Sie.
Weitere Verlage neben Edition LGC
Im Weiteren finden Sie Publikationen auf band-findr-de auch von folgenden Verlagen und Editionen:
Qualität bei Verlagen wie zum Beispiel bei Edition LGC
Wie die oben genannten Verlage legt auch Edition LGC besonderes Augenmerk auf die
inhaltliche Qualität der Veröffentlichungen.
Für die Nutzer von buch-findr.de:
Sie sind Leseratte oder Erstleser? Benötigen ein Sprachbuch oder möchten die Gedanken bei einem Roman schweifen lassen?
Sie sind musikinteressiert oder suchen ein Kinderbuch? Viele Verlage mit ihren breit aufgestellten Sortimenten bieten für alle Lese- und Hör-Gelegenheiten das richtige Werk. Sie finden neben