Die Beschäftigung mit Genealogie hat in Deutschland Tradition. War sie früher eher ein Vorrecht der durch Adelsprädikat herausgehobenen Oberschicht, so hat sie in neuerer Zeit - angesichts der zunehmenden Mobilität und Flexibilität - eine größere Bedeutung, insbesondere als Orientierungshilfe im Geflecht wechselnder Beziehungen.
Verwandtschaft war schon immer ein wichtiges und vor allem unauslöschliches Merkmal in der menschlichen Gesellschaft. Bereits bei den Germanen war sie ein Kennzeichen schicksalsbetonten Zusammenhalts und besonderer Vertrautheit.
Auch heute besteht weltweit - trotz aller Globalisierung - innerhalb vieler Familien und auch innerhalb von Sippen ein charakteristisches Zusammengehörigkeitsgefühl und Fürsorgeverhältnis. Denn genetische Affinität und eine über Generationen hinweg gesicherte gegenseitige Normen- und Informationsbasis bilden die Grundlage dafür, dass gesellschaftliche Strukturen wachsen und Kulturen Bestand haben.
Familienforschung erlebt zur Zeit einen neuen Aufschwung. Dabei richtet sich das Inte-resse nicht nur auf Kenntnisse über die direkten Vorfahren, die Eltern, Großeltern, Ur-großeltern usw. Auch der "Stammbaum" als Zusammenstellung aller Nachfahren eines “Ahnherrn” wird wieder stärker gepflegt.
Wie in vielen anderen Bereichen entstehen solche Entwicklungen häufig durch äußere Anstöße. Im Falle der Familienforschung - ganz besonders bei der Erforschung des Stammbaums, also der Nachfahrentafel - ist ein solcher Impuls auch den Möglichkeiten des Computereinsatzes zu verdanken. Musste man früher umfangreiche Karteien anle-gen und wegen des Generationenfortschritts immer wieder aufwändige Veränderungen und Ergänzungen vornehmen, so macht heute die moderne Datenverarbeitung Stamm-baum-Aktualisierungen infolge von Hochzeiten, Geburten, Sterbefällen usw. in kurzer Zeit problemlos möglich. Suchbefehle helfen bei dringendem Informationsbedarf. Schnelle Ausdrucke sorgen für eine bisher ungekannte Verbreitung. Das Internet und die moderne e-Mail-Korrespondenz eröffnen Kontakte, die auch der Familienforschung zugute kommen.
Großen Nutzen brachte der Computer bei den hier zugrunde liegenden neueren Unter-suchungen über die Herkunft und Verbreitung der Heister in Deutschland und in angrenzenden Ländern. Dadurch zeigte sich auf überzeugende Weise, dass die Heister ihren Ursprung vor allem im Rheinland haben. Dies darzulegen ist ebenfalls eines der lohnenden Ziele dieses Buches.
Veranlassung für das Heister-Buch war zunächst die Jahrzehnte währende Forschungsarbeit von Heinrich Heister. Er vermachte mir, Matthias Heister, als seinem ältesten noch lebenden Sohn seine Ahnenakten mit der verständlichen Bitte, diese gut aufzubewahren und nach Möglichkeit weiterzuführen. Heinrich Heister hatte sich auf den Rat seines Onkels Wilhelm Heister seit 1926 mit Nachforschungen über die Vorfahren befasst. Dabei fand er heraus, dass schon 1474 "am Abend des St. Bonifazius-Tages" ein Rutger Heister das Bürgerrecht der Stadt Emmerich am Niederrhein erhielt, wahrscheinlich der gleiche Rothgerus Heister, der bereits 1448 und 1460 zu den 12 Personen gehörte, die Beschlüsse betr. der Pfarre Gendringen nahe Emmerich zu fassen hatten.
Leider konnte mein Vater Heinrich Heister den Rutger Heister nicht als seinen direkten Urahnen nachweisen. Denn weitere Informationen über Rutger Heister und dessen Nachkommen waren - wohl infolge der Verwüstungen des 30-jährigen Krieges - nicht aufzufinden. Daher gilt der etwa 1625 geborene Derick (Theodor) Heister bis heute als ältester direkter Vorfahre von Heinrich Heister. Er war ebenfalls Bürger in Emmerich. Seine Nachkommen waren so zahlreich, dass der Name Heister noch heute im Raume Emmerich auf deutscher und niederländischer Seite stark verbreitet ist und dass nicht ohne Grund viele Heister-Verbindungen von dort bis in die USA und in andere Teile der Erde reichen.
Die Suche nach den eigenen Ahnen führte schon Heinrich Heister zu weiteren Heister-Kontakten. Bedeutende Heister rückten ins Blickfeld, so der berühmte Chirurg Lorenz Heister, der Feldmarschall und Türkenbezwinger Graf Sigbert Heister sowie der Teil-nehmer an den amerikanischen Freiheitskriegen und Träger des Ordens “Pour le méri-te” General Levin Heister. Auch Anfragen aus dem In- und Ausland bekundeten ein re-ges Interesse an allgemeineren Ergebnissen der Heister-Forschung. Dies führte schließlich dazu, nicht nur die Erkenntnisse über den eigenen Heister-Stamm, sondern möglichst alle erreichbaren Heister-Informationen in eine umfassende Heister-Publikation einzubringen.
So hat sich dieses Werk, das ursprünglich vor allem den Nachfahren von Derick Heis-ter - in männlicher und in weiblicher Linie - zugedacht war, inzwischen zu einer großen Heister-Veröffentlichung entwickelt, die es bisher nicht gibt. Dazu wurden die wichtigs-ten Unterlagen von Heinrich Heister überarbeitet und durch viele neue Forschungsergebnisse ergänzt. In dieser Form ist es inzwischen nicht mehr nur für die Nachfahren von Derick Heister von Interesse. Es dürfte auch für alle übrigen, die weltweit am Namen Heister, seiner Herkunft und seiner Verbreitung interessiert sind, eine wertvolle Fundgrube sein.
Solche Überlegungen haben schließlich dazu geführt, die bisher erzielten Ergebnisse in zwei Bänden zu präsentieren. Band I mit dem Titel „Die Heister – Menschen vom Rhein und Nachfahren in aller Welt“ dient mehr der allgemeinen Information über alle Heister weltweit. Band II mit dem Titel „Derick Heister aus Emmerich und seine Nachfahren“ hat die Aufgabe, ein umfassendes Nachschlagewerk über alle Nachfahren von Derick Heister zu sein, auch die weiblichen Nachfahren, die einen anderen Familiennamen tragen. Als Familienbuch mit vielen, mehr persönlichen Mitteilungen, Abbildungen und sonstigen Informationen soll es vor allem dazu beitragen, dass die Nachfahren von Derick Heister, für die Heinrich Heister sogar ein bürgerliches Familienwappen gestiftet hat, mehr über sich und ihre große Verwandtschaft erfahren.
Bei dieser Aufgabenstellung befasst sich dieser Band I in seinem ersten Teil zunächst mit den allgemeineren Fragen nach der Bedeutung des Wortes Heister und mit dem Familiennamen Heister, dann aber auch mit der Verbreitung und wahrscheinlichen Herkunft der Heister sowie mit weiteren Heisternamen und Heister-Themen von allgemeinem Interesse, so z. B., dass Heister als Flur- und Ortsbezeichnung deutliche Hinweise für die Verbreitung der Kelten in Deutschland geben kann.
Der zweite Teil beginnt mit den Emmericher Heister und mit den wichtigsten Informationen über den Stamm Derick Heister. Verstärkte Aufmerksamkeit dürfte in diesem Teil ferner die Behandlung weiterer Heister-Familien erfahren, auch solcher, die den Namen Heister weltweit bekannt gemacht haben. Hierzu gehören die Nachfahren der „Jülicher Heister“, denen dank der über sie noch vorhandenen Daten und Berichte in Teil II (und III) viele Seiten gewidmet sind, sowie zahlreiche andere Heisterstämme entsprechend ihrem regionalen Auftreten.
Der dritte Teil ist schließlich als besonders ergiebige Informationsquelle gedacht, aber auch als Anreiz, allen Heister-Forschern und solchen, die es werden wollen, eine mög-lichst große Zahl nützlicher Daten und Fundstellen anzubieten. Selbst diejenigen, die sich nur für Ähnlichkeiten oder Namenserweiterungen mit Heister interessieren, werden dort – wie schon im ersten Teil - wertvolle Hinweise erhalten.
Ein kurze Aussage über die wissenschaftliche Verlässlichkeit dieser Arbeit darf an die-ser Stelle nicht fehlen. Nach Möglichkeit wurden historisch gesicherte Zahlen, Daten und Fakten verwendet sowie die Belegstellen zitiert (Hinweise auf das Literaturverzeichnis in spitzen Klammern ). Es wurden aber auch Dokumente, Berichte, Schilderungen und Vermutungen eingestreut, die strengen wissenschaftlichen Anforderungen nicht standhalten. Zur Erhellung des Umfeldes, das die Heister in früheren Jahrhunder-ten geprägt hat, sind solche Passagen jedoch anregend und daher nicht unwichtig. Auch sollen sie den Text anreichern und die Umstände beschreiben, die das Leben der Heister bestimmt haben und vielleicht noch heute bestimmen. Dies gilt nicht zuletzt für den Anhang am Schluss, in dem mögliche Zusammenhänge unter dem Thema „Jülicher Heister“ angedeutet werden.
Obwohl sich eine Bemerkung über die Vorläufigkeit jeder Familienforschung eigentlich erübrigt, soll hier noch einmal ausdrücklich betont werden, dass das Thema an sich trotz umfangreicher Recherchen nur unzulänglich und nicht abschließend behandelt werden konnte. Trotzdem sind die bisher zusammengestellten Daten und Informationen mit Sicherheit anregend für weitere Nachforschungen und eine gute Basis für alle Heisterforscher im weitesten Sinne. Da die Daten einschließlich der Adressen in den Familien-Sekretariaten von Matthias und Paul-Josef Heister vertraulich und korrigierbar gespeichert sind, kann das Werk in seinem ersten und vor allem in seinem zweiten Band künftig als ganzes oder in Auszügen problemlos überarbeitet und ergänzt werden. Auch dürfte es bei aktuellen Fragen und bei Nachforschungen für besondere Anlässe in viel-facher Weise von Nutzen sein. Diese Art von Genealogie soll den Leser schließlich dazu anregen, auch selbst mehr an Aussagen über die eigenen Vorfahren festzuhalten und der Nachwelt zu überliefern.