Arachnes Rache
Flaubert inszeniert einen Wettkampf im narrativen Weben: Madame Bovary, Notre-Dame de Paris und der Arachne-Mythos
Edi Zollinger
Gustave Flaubert meldet mit Madame Bovary seinen Anspruch auf die Krone der Dichtkunst an. Wie Arachne, die in Ovids Metamorphosen die Göttin Minerva zum Wettkampf im Weben herausfordert und für ihre Kühnheit grausam bestraft wird, will auch er sich mit dem Altmeister seines Fachs messen. In einer versteckt erzählten Neuaufla-ge des mythischen Wettstreits zwingt er den Literaturgott Victor Hugo zum Autoren-Duell – und übt späte Rache für Arachne. In seinem Erstling Ma-dame Bovary baut Flaubert ein ganzes Gebäude aus verdeckten Spott-Zitaten und provokanten Verweisen auf den Jahrhundertroman Notre-Dame de Paris auf. Arachnes Rache öffnet die verborgenen Türen, die die zwei literarischen Bauwerke verbinden und folgt den von Flaubert zwischen den Zeilen angelegten Geheimgängen. Auf einem kryptisch im Text angelegten Hinterhof kommt es schließlich zum finalen Showdown, den Flaubert, soviel sei verraten, mit einem Geniestreich narrativen Webens für sich entscheidet.