Parallele Grund- und Menschenrechtsschutzsysteme in Europa?
Ein Vergleich der Europäischen Menschenrechtskonvention und des Straßburger Gerichtshofs mit dem Grundrechtsschutz in der Europäischen Gemeinschaft und dem Luxemburger Gerichtshof.
Katharina Gebauer
Grund- und Menschenrechte werden in Europa sowohl von der Europäischen Menschenrechtskonvention als auch im Rahmen der Europäischen Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt. Die nebeneinander existierenden Grundrechtsschutzsysteme haben unterschiedliche Ausgangspunkte und beruhen auf unterschiedlichen Konzeptionen. Ursprünglich existierten keine Berührungspunkte, inzwischen gibt es jedoch zahlreiche Überschneidungen und Interdependenzen zwischen den beiden Rechtsordnungen.
Katharina Gebauer untersucht vergleichend die beiden europäischen Grundrechtsordnungen, die Systematik und Struktur der jeweils gewährleisteten Rechte und die Rolle der Gerichtshöfe für die Ausgestaltung des Grund- und Menschenrechtsschutzes. Sie wertet die Rechtsprechung des Straßburger und des Luxemburger Gerichtshofs in parallel gelagerten Fällen aus und analysiert die Straßburger Rechtsprechung zur Kontrolle von Gemeinschaftsrecht.
Der Vergleich ergibt, dass sich die beiden Grundrechtsschutzsysteme sowohl inhaltlich als auch in ihrer Wirkungskraft immer weiter annähern. Zwar können in der zunehmenden Zahl der Fälle, in denen sich die Zuständigkeiten des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Menschenrechtsgerichtshofs überschneiden, vereinzelt weiterhin Divergenzen auftreten. Dies beruht insbesondere auf der unterschiedlichen Zielrichtung der Rechtsordnungen, die sich auf den Kreis der jeweiligen Grundrechtsberechtigten auswirkt. Die Rechtsprechungsauswertung zeigt jedoch, dass beide Gerichtshöfe bemüht sind, solche Divergenzen im Sinne einer Konfliktreduzierung nach Möglichkeit zu vermeiden und das jeweils andere Grundrechtsschutzsystem sinnvoll aufzugreifen.