Die ersten Zürcher Ärztinnen
Humanitäres Engagement und wissenschaftliche Arbeit zur Zeit der Eugenik
Heidi Thomann Tewarson
Die Studie verfolgt den Werdegang der vier ersten Zürcher Ärztinnen (geboren 1866/67) und untersucht erstmalig ihre medizinischen Veröffentlichungen. Pauline Gottschall, Jenny Koller, Ida Schmid und Josephine Zürcher waren als Studierende an der Universität Zürich mit besonderem Interesse am neuen Fachbereich Psychiatrie früh vertraut mit den wissenschaftlichen Kontroversen jener Zeit und somit auch mit den brisanten eugenischen Theorien und Maßnahmen der leitenden Professoren und Persönlichkeiten (A. Forel, E. Bleuler, J.M. Charcot u.a.). Als praktizierende Medizinerinnen standen sie mitten im Zeitgeschehen und verfolgten aufs genaueste die psychiatrischen, klinischen und sozialen Entwicklungen, von denen sie viele befürworteten. Doch richteten sie ihre Aufmerksamkeit ebenso auf die problematischen und bedrohlichen Aspekte gewisser ideologisch gefärbter Lehren und Praktiken. Aus Menschlichkeit und weil sie der Wissenschaftlichkeit verpflichtet waren und blieben, erhoben sie Einspruch – jede auf ihre Weise und in ihrem Spezialgebiet (Erblichkeitsforschung, Degeneration, Hypnose und Autosuggestion, psychiatrische Diagnostik, Prostitution und Frauenfürsorge und -rechte). Dies verdeutlichen vor allem ihre wissenschaftlichen Beiträge. Die Untersuchung eröffnet den Blick nicht nur auf das Leben und Wirken der vier Ärztinnen, sondern auch auf die weitere Zürcher Medizin- und Sozialgeschichte und die in so vieler Hinsicht allgemein turbulente Zeitspanne auf internationaler Ebene im letzten Drittel des ausgehenden 19. und ersten des 20. Jahrhunderts.