Bruders Reise
Im Viehwaggon nach Auschwitz
Karin Welters
Dr. Werner Bruder, systemgetreuer SS-Gauleiter, ist für die Deportation der Juden in seinem Verwaltungsbezirk zuständig. Sein ehrgeiziges Ziel: den ersten judenfreien Gau im Reich vorzuweisen.
Unmittelbar vor der Abfahrt wird er, aus Versehen, in einem der Deportationszüge nach Auschwitz mit eingesperrt. Ausgerechnet in diesem Waggon befindet sich sein ehemals bester Freund und Kamerad – der Jude Robert Wiesinger – mit dem er gemeinsam die Schrecken des ersten Weltkriegs im Schützengraben Frankreichs unversehrt überstanden hat.
Während der vier nicht enden wollenden Tage seiner unfreiwilligen Reise nach Auschwitz wird er mit den unvorstellbaren Zuständen in den ‚Viehtransporten‘ konfrontiert, die er, als Obergruppenführer, zu verantworten hat. Doch der SS-Gauleiter sieht sich eher als Opfer des Systems, denn als verantwortlicher Mörder unschuldiger Menschen.
Die Auseinandersetzung zwischen Bruder und Wiesinger entwickelt sich zu einem unerbittlichen mentalen und emotionalen Machtkampf und mündet in eine schonungslose Abrechnung, deren Ausgang für Bruder nicht vorhersehbar ist. Schon nach wenigen Stunden und eingesperrt wie Vieh, verwischen sich in seinem Erleben die Grenzen zwischen Tätern und Opfern. Obwohl Bruder allmählich begreift, dass er sich in der Wirklichkeit der Folgen seiner eigenen Entscheidungen befindet, versucht er mit allen Mitteln, sein inneres Weltbild aufrecht zu halten und zu verteidigen.