Mitöffentlichkeit
Zur deutsch-deutschen Arbeit der Evangelischen Akademie Berlin-Brandenburg. EBook
Peter Paul Schwarz
Im Mittelpunkt dieser beziehungsgeschichtlichen Darstellung steht die Geschichte der deutsch-deutschen Arbeit der Evangelischen Akademie Berlin-Brandenburg seit ihrer Gründung 1951 bis Ende der 1970er- bzw. Anfang der 1980er-Jahre. Nach einem Überblick zur Geschichte der Ev. Akademien und der Evangelischen Akademie Berlin-Brandenburg wird sie als ein exemplarischer deutsch-deutscher Ort literarischer Kommunikation, der „Vergangenheitsbewältigung“ und des christlich-jüdischen Dialogs als Teil der NS-Auseinandersetzung beschrieben. Im Rahmen der literarischen Arbeit wurden häufig in der DDR – noch – nicht veröffentlichte westdeutsche und westeuropäische Texte in den literarischen Kreislauf eingespeist; hiermit konstitutiv verbunden ist das ebenfalls hochpolitische und gesamtdeutsch dimensionierte Thema der Vergangenheitsbewältigung. Über den Kontext der Akademie hinaus versteht sich die Arbeit auch als ein Beitrag zur deutsch-deutschen Geschichte der Vergangenheitsbewältigung. Mit den seit 1961 durchgeführten Israel-Tagungen institutionalisierte sich der christlich-jüdische Dialog etwa 15 Jahre früher als in der evangelischen Kirche in der DDR. Damit bietet diese Arbeit auch neue Aspekte der Geschichte des Protestantismus in Ostdeutschland und der christlich-jüdischen Beziehungen in der DDR. Hinsichtlich der kirchlichen Vergangenheitsbewältigung leistete die Akademie Pionierarbeit. Im Horizont deutschland-, kultur- und kirchenpolitischer Entwicklungen schwächte sich ab Ende der 1960er-Jahre der gesamtdeutsche Bezug ab. Die Akademie war durch Nähe und Distanz zu staatlichen und kirchlichen Kontexten geprägt. Massive Überwachungen durch die Staatssicherheit und Konflikte mit staatlichen Organen sind Ausdruck dieses „Eigen-Sinns“. Als christlicher Akteur beharrte die Akademie auf Mitgestaltung und Mitwirkung und erzeugte durch ihre Arbeit Mitöffentlichkeit. Dieser neu eingeführte Begriff entzieht sich dem Dualismus von offizieller Öffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit und leistet eine wesentliche Differenzierung des Formenkreises von Öffentlichkeit in der DDR.