Napalmjenny. Bonobos schmusen inkognito
Thomas Herget
Nach dem tödlichen Anschlag auf den Gesundheitsminister werden die unendlichen Gräberfelder einer Friedhofsmaschine zu Resonanzräumen und Projektionsflächen einer fragmentierten Gesellschaft, die auf ein Drittel der einstigen Bevölkerung zusammengeschrumpft ist. Der Impfstoff gegen das tückische Antilopenvirus hat ausschließlich blauäugige Menschen wie Peggy und Rico vor dem Tod bewahrt. Doch während das semmelblonde Pärchen felsenfest davon überzeugt ist, dass die letzte Ruhestätte des geschätzten Politikers kein profanes Reihengrab am Stadtfriedhof, sondern ein Pyramiden-Mausoleum im heimischen Garten sein sollte, fassen die libertären Globetrotter Jenny und Flutze die ministrable Exhumierung ausschließlich unter dem mitleidlosen Vorsatz der Grabschändung ins Auge. Erst wenn die Gebeine von den Hyänen des benachbarten Zoos zerkaut sind, so deren Hoffnung, könne die Erinnerung an die vermeintliche Lichtgestalt verblassen und der Aufbau freiheitlicher Korrektive voranschreiten. Dumm nur, dass sich mittlerweile niemand mehr an eine aufgeklärte Demokratie noch an deren Feinde erinnern mag, und die Leiche des Ministers, mit der Jenny und Peggy ihren jeweiligen Kampf um die ideologische Deutungshoheit zu begründen versuchen, unauffindbar bleibt. Aus rollenspielartigen Perspektivwechseln, diffusen Wahrnehmungen und kriminalistisch verschränkten Zeitebenen schält sich langsam ein konspiratives Kaleidoskop heraus, das dieses Impfdrama als prophetisch-fröstelnde Groteske fortschreibt.
Neben „Napalmjenny. Bonobos schmusen inkognito“ findet sich in diesem Band mit „Das Bienenhotel“ ein weiteres Hörstück, das als kurioser Schwank über eine dysfunktionale Gesellschaft gelesen werden kann und von der Unbehaustheit des beschädigten Individuums in all seinen künstlich erschaffenen Peripherien erzählt.