Das Potenzial der Vertrauensförderung
Sprachwissenschaftliche Explikation anhand von Texten der Brücke|Most-Stiftung
Pavla Schäfer
Was haben Euro-Krise, der Rücktritt des ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, die Sexualskandale in der katholischen Kirche, der Atomausstieg Deutschlands und der Prozess gegen die Neonazi-Terroristen des NSU gemeinsam? Diese ausgewählten medial präsenten Ereignisse deuten ein typisches Merkmal von Vertrauen an: Es wird erst dann thematisiert, wenn es tatsächlich problematisch wird und das gilt unabhängig davon, ob es um Vertrauen in gesellschaftliche Systeme wie Politik, Wirtschaft, Kirche, Polizei und ihre Vertreter geht, um Vertrauen in die Mitmenschen oder Vertrauen in die Technik. Es handelt sich immer um Affären, Skandale, Krisen, Havarien und andere negative Eregnisse, die öffentliche Diskussionen über Vertrauen auslösen. Die steigende Präsenz des Vertrauensphänomens in den Medien, in der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit führt uns vor Augen, dass ohne grundlegendes Vertrauen keine sozialen Akteure langfristig erfolgreich sein können. Ihre Vertrauenswürdigkeit ist folglich ein wertvolles Kapital, das zum öffentlichen Image eines jeden Akteurs gehört.
Vertrauenswürdigkeit entsteht in und durch Kommunikation und im Normalfall ist es die Sprache, die als Mittel der Kommunikation dient. Über diesen engen Zusammenhang zwischen Vertrauen und Kommunikation besteht in der interdisziplinären Vertrauensforschung breiter Konsens. Dennoch wurde die Beziehung zwischen Vertrauen und Sprache bisher nicht näher beleuchtet. Ausgehend von dieser Beobachtung stellt sich die vorliegende Arbeit das Ziel, die Mittel der Vertrauensförderung aus linguistischer Sicht zu untersuchen. Es wird der Frage nachgegangen, wie soziale Akteure ihre Vertrauenswürdigkeit kommunikativ inszenieren, um das Vertrauen ihres Umfeldes zu fördern. Der Fokus der Untersuchung liegt auf schriftlicher Kommunikation und beleuchtet sie aus der Perspektive des Textproduzenten. Somit steht das Potenzial der Texte zur Förderung von Vertrauen im Vordergrund und nicht ihre tatsächliche Wirkung auf die Rezipienten.
Die durchgeführte Operationalisierung von Vertrauen basiert auf Erkenntnissen aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen und auf einer theoretischen Modellierung der Vertrauensförderung. Die Operationalisierung anhand vier potenziell vertrauensfördernder Faktoren stellt die eigentliche Hypothese der Studie dar und wird in einer exemplarischen Analyse überprüft. Das Untersuchungskorpus besteht aus Texten der Brücke|Most-Stiftung, die sich für die Förderung der deutsch-tschechischen Verständigung und Zusammenarbeit einsetzt und sich somit indirekt das Ziel setzt, Vertrauen zwischen Deutschen und Tschechen zu fördern.
Die Analyse erfolgt mit der Methode der pragmatischen Stilistik. Die entwickelte Methode hat sich in der Analyse bewährt, denn sie liefert differenzierte und ausgiebige Ergebnisse. Sie kann somit als Grundlage für weitere linguistische Auseinandersetzung mit dem Vertrauensphänomen dienen, wozu diese Arbeit gerne anregen möchte. Anhand der Analyse kann gezeigt werden, dass die Stiftung versucht, Vertrauen durch verschiedene Mittel der Selbstdarstellung, der Beziehungsgestaltung und durch die Auswahl und Behandlung konkreter Themen zu fördern. Relevant sind dabei nicht nur sprachliche, sondern auch nichtsprachliche Mittel, denn die Vertrauensförderung wird als ein allgemein semiotischer Prozess verstanden. Die Studie zeigt eine Möglichkeit, wie Vertrauen aus sprachwissenschaftlicher Sicht konzeptualisiert und operationalisiert werden kann. Gleichzeitig liefert sie konkrete Erkenntnisse über die Mittel, die die Brücke/Most-Stiftung in ihren Texten verwendet, um sich als vertrauenswürdig darzustellen und dadurch ihre Zielgruppe zur Zusammenarbeit zu motivieren. Dadurch wird sichtbar, worin das vertrauensfördernde Potenzial der untersuchten Texte besteht.