Ad salutem consulere
Die Paränese Cyprians im Kontext antiken und frühchristlichen Denkens
Rolf Noormann
Mit Cyprian von Karthago betritt erstmals ein römischer Aristokrat als Bischof die Bühne der lateinischen Kirchen- und Theologiegeschichte. Seine Schriften und Briefe geben nicht nur Einblick in die politischen, kirchlichen und theologischen Auseinandersetzungen seiner Zeit, sie zeugen auch von einer intensiven Durchdringung der theologischen Tradition und ihrer Neugestaltung im Blick auf die praktischen Erfordernisse ihrer Zeit. Die Untersuchung rückt das zentrale Anliegen der cyprianischen Schriften, die praktische Unterweisung und Ermahnung, das heißt seine Paränese, in den Mittelpunkt. Es wird gezeigt, wie Cyprian im Horizont einer Theologie der Gnade, die in wesentlichen Aspekten als Wegbereiter auch der augustinischen Gnadentheologie gelten kann, konsequent das christliche Leben und Handeln ins Zentrum seiner theologischen Aufmerksamkeit rückt. Dabei wird deutlich, wie Cyprian das Erbe Tertullians, den er mit gutem Grund als seinen Lehrer betrachtet, umgestaltet, weiterentwickelt und zum Teil auch korrigiert. Ebenso wichtig ist die Auseinandersetzung Cyprians mit seinem römischen Erbe. Seine Theologie erweist sich als in starkem Maße durch römisch-stoische Traditionen, insbesondere durch das Denken Senecas, geprägt. Auch hier zeigt sich Cyprian als ein ebenso gelehriger wie eigenständiger Schüler. Er nimmt vieles auf, was andere vor ihm gedacht und formuliert haben, gibt aber dem Rezipierten eine charakteristisch neue Gestalt. Die theologische Haltung Cyprians resultiert aus seiner Rolle als Bischof von Karthago (und Primas des christlichen Nordafrika): Verantwortlich für das Wohl der ihm anvertrauten Kirche, ist für Cyprian die Ausübung der disciplina der christlichen Gemeinde grundlegend. In der »salus publica« der christlichen Gemeinde geht es aber zugleich um das Heil des einzelnen. Jedem einzelnen durch Unterweisung und nötigenfalls auch durch strenge Ermahnung zum Heil zu raten, ist für ihn die zentrale Aufgabe des Bischofs.