„Frau Berlin“ – Paula Thiede (1870-1919)
Vom Arbeiterkind zur Gewerkschaftsvorsitzenden
Uwe Fuhrmann
Paula Thiede wurde als Pauline Berlin am 6. Januar 1870 in Berlin geboren. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie rund um den heutigen Mehringplatz in Kreuzberg, am südlichen Rand des Zeitungsviertels. Sie kam aus proletarischen Verhältnissen, stand früh auf eigenen Beinen und wurde »Anlegerin« an Buchdruckschnellpressen. Mit 19 heiratete sie, mit 21 war sie Witwe und hatte eines ihrer beiden Kinder unter dramatischen Umständen verloren. Sie kämpfte sich zurück ins Leben und trat dem »Verein der Arbeiterinnen an Buchdruck-Schnellpressen« (siehe Kasten) bei. Sie heiratete erneut und versuchte trotz aller Schwierigkeiten, dem sozialen Elend des Kaiserreichs mit kämpferischer Gewerkschaftsarbeit zu begegnen.
Von 1898 bis zu ihrem Tod im Jahre 1919 war sie Vorsitzende des »Verbandes der Buch- und Steindruckerei-Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen Deutschlands«. Damit war sie, soweit bekannt, weltweit die erste Frau an der Spitze einer gemischtgeschlechtlichen Gewerkschaft.
In ihre Amtszeit fallen große Erfolge: Lohnsteigerungen durch heute vergessene Kampftaktiken, frühe Tarifverträge und ein hoher Anteil von organisierten HilfsarbeiterInnen. Auch zeigte sich, wie die einengende Geschlechterpolitik der Gesellschaft und der Gewerkschaften ins Wanken gebracht werden konnte. Paula Thiede starb am 3. März 1919 nach langer Krankheit.