Hinter Schloss und Riegel
An der Wiege zur Freiheitsstrafe - Das »Zucht- und Tollhaus« zu Celle in seinen Gründungsjahren (1706-1732)
Uta Schäfer-Richter
Das Zuchthaus »im Gewand einer Residenz« – im Volksmund ironisch »festes
Haus« oder »Hotel Allerblick« genannt – ragt als steinernes Zeugnis der Geschichte
der modernen Freiheitsstrafe in unsere Gegenwart hinein.
Das vor 300 Jahren im Stil einer barocken Schlossanlage neu erbaute Zuchthaus in Celle ist heute der älteste Gefängnisbau Deutschlands, der nach wie vor als Strafvollzugsanstalt genutzt wird. Die Gründung des Gefängnisses kurz nach 1700 markiert den Aufbruch zu etwas Neuem: Der gesellschaftliche Umgang mit Verbrechen und Strafe begann sich tiefgreifend zu verändern. Althergebrachte Formen der Leibesstrafe waren fragwürdig geworden. Bis dahin wurden die Delinquenten hingerichtet oder ausgepeitscht und vertrieben, um sie radikal aus der Gesellschaft auszusondern. Nun würden sie künftig zwar ein Teil des Gemeinwesens bleiben, jedoch eingesperrt hinter Schloss und Riegel und umfassender Kontrolle unterworfen. Die Freiheitsstrafe wurde im Verlauf des 18. Jahrhunderts zur dominierenden Strafform – eine Weichenstellung die im Kern bis heute Bestand hat. Die Gründung des Celler Zuchthauses war Ausdruck dieser grundlegenden Umorientierung des Strafrechtswesens. Ohne sich dessen bewusst gewesen zu sein, legten die damals Verantwortlichen mit der Einrichtung des Celler „Zucht- und Tollhauses“ einen bedeutsamen Grundstein des modernen Gefängniswesens. So ist die Anstalt ein steinernes Zeugnis geworden für den langwierigen, auch beschwerlichen Weg hin zum modernen Strafvollzug in Deutschland. Anhand noch zugänglicher Dokumente beschreibt die Autorin vor diesem Hintergrund anschaulich und perspektivenreich die Gründung und Entwicklung des Celler Gefängnisses im frühen 18. Jahrhundert.