Deutsche sehen die Sowjetunion
Gesine Bey, Ulrich Busch, Steffen Dietzsch, Anne Hartmann, Wladislaw Hedeler, Janosik Herder, Heiner Karuscheit, Andreas Koziol, Thomas Möbius, Thomas Mueller, Karl Schlögel, Michael Thomas, Astrid Volpert
Im Themenschwerpunkt „Deutsche sehen die Sowjetunion“ stehen historische Konstellationen und Prägungen des deutschen Blicks auf Russland ebenso im Fokus wie die Darstellung und Verarbeitung des dortigen Geschehens seit 1917 aus deutscher Perspektive. Die Beiträge stellen ausgewählte Personen und Phänomene wie den Polit-Tourismus in die Sowjetunion vor. Exemplarisch untersuchen sie, was den jeweiligen Blick motivierte und formte. Dabei handelt es sich nicht zuletzt um Erfahrungen von Grenzüberschreitungen, wie der Osteuropaforscher Karl Schlögel sie nennt. Die meisten der in den Beiträgen vorgestellten Autorinnen und Autoren reisten in die Sowjetunion. Ein anderes zentrales Moment ist die Vergegenwärtigung russischer Erfahrungen. „Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen!“ lautete ein Slogan. Das war die ideologisch schlichte Form, von oben dekretiert. Doch es geht um mehr und anderes: um die Auseinandersetzung mit dem Russland des 20. Jahrhunderts – was sowohl dortiges eigenes Erleben umfasst, die Reflexion der russischen Geschichte und ihrer Ausstrahlung auf Europa und die Welt, als auch die (Wieder-)Entdeckung und Vermittlung der russischen literarischen Moderne. Damit knüpfen die Beiträge auch an den Themenschwerpunkt „Russland in Blut gewaschen“ (Berliner Debatte Initial 1/2017) an, der das Revolutionsjahr 1917 und seine literarische Verarbeitung ins Zentrum rückte. Außerhalb des Themenschwerpunktes analysiert Ulrich Busch die Niedrig-, Null- und Negativzinspolitik der letzten Jahre. Ausgehend von grundsätzlichen Überlegungen zum Zinsbegriff und auf einer breiten Datenbasis zeigt er, wie unterschiedlich die Folgen dieses geldpolitischen Experiments für den Staat, die Unternehmen und die privaten Haushalte sind. Zum 100. Jahrestag der Novemberrevolution fragt Heiner Karuscheit nach der Politik der SPD vor und während der revolutionären Ereignisse 1918/19. Seine These ist: Die Weimarer Republik war nicht das Ergebnis einer siegreichen demokratischen Revolution, sondern einer von der SPD organisierten Konterrevolution. Dies erkläre auch, warum die Republik nicht lange Bestand hatte. Weiter zurück in die Geschichte politischer Ideen geht Janosik Herder in seinem Beitrag über das Konzept der sozialen Bewegung und zwei seiner bekanntesten Vordenker: Lorenz von Stein und Karl Marx. Herder legt nicht nur dar, worin sich Stein und Marx unterscheiden, sondern erläutert auch die – aus der Marxschen Begriffsbestimmung resultierenden – Differenzen zwischen Stein und der neueren Bewegungsforschung.