Urban Mining
Die Stadt als Bergwerk der Zukunft
Leopold LUKSCHANDERL
Nominiert zum „Umweltbuch des Jahres“.
In Mitteleuropa verbraucht jeder Einwohner rein rechnerisch täglich etwa
40 Kilogramm Bodenschätze und Rohstoffe: Sand und Kies, Erdöl, Gas
und Kohle, aber auch Holz, Kunststoff und Metalle. Diesen natürlichen
Ressourcen verdanken wir unseren hohen Lebensstandard. Der alltägliche
Konsum sorgt aber auch dafür, dass die Lagerstätten an natürlichen
Rohstoffen kontinuierlich schrumpfen, während gleichzeitig der
Materialbestand um uns herum rasant zunimmt.
Fachleute sprechen vom wachsenden „anthropogenen Lager“ oder
„Konsumlager“. Das vom Menschen angelegte Lager von Kupfer, so der
Sachverständigenrat für Umweltfragen der deutschen Bundesregierung, ist
heute schon größer als die verbleibenden natürlichen Reserven. In einem
Einfamilienhaus befinden sich etwa zehn Tonnen Eisen. Unser Alltag ist
geprägt von eisenhaltigen Produkten, in welchen das Eisen oft Jahrzehnte
gebunden ist. Jeder von uns vergrößert unbewusst das Lager an Eisen um
etwa 240 kg pro Jahr in Form von Infrastruktur und Gebrauchsgütern.
In Österreich sind jederzeit rund 2,3 Millionen Tonnen in Gebäuden, 8,2
Millionen Tonnen in Straßen, und jeweils etwa zehn Millionen Tonnen in
Gebäuden bzw. Kfz gebunden. Pro Person verbrauchen die Österreicher im
Jahr 417 kg Eisen, davon werden aber nur 169 kg zurück gewonnen – der
Rest verbleibt im „Konsumlager“.
Solche Fakten werfen naheliegende Fragen auf: Warum besinnen wir uns
nicht auf die Rohstoffe, die wir bereits bezahlt haben? Warum nutzen wir
nicht verarbeitete und verbaute Materialien erneut und immer wieder?
Experten sprechen längst von „Urban Mining“. Ein Begriff für die Tatsache,
dass jede dichtbesiedelte Stadt in einem industrialisierten Land eine riesige
Rohstoffmine ist. Zum Beispiel befinden sich in der Stadt Wien gegenwärtig
pro Person etwa 4.500 kg Eisen, 340 kg Aluminium, 200 Kg Kupfer, 40 kg
Zink oder 210 kg Blei.
„Urban Mining“
Ziel von „Urban Mining“ ist das Erkennen von Wertstoffen in Gebäuden
und der Infrastruktur, noch bevor diese zu Abfall werden und sie zukünftig
als Sekundärrohstoffe zu nutzen. Dadurch müssen weniger natürliche
mineralische Rohstoffe abgebaut werden. So werden die natürlichen
Lagerstätten geschont, der Schadstoffausstoß minimiert und Energie
eingespart. Für die Rückgewinnung von Sekundäraluminium werden
beispielsweise nur fünf Prozent jener Energie eingesetzt, welche für die
Herstellung von Primäraluminium benötigt wird.
„Urban Mining“ unterstützt auch die Wirtschaft. Die Rohstoffpreise
hängen von Angebot und Nachfrage ab. Durch den zunehmenden
Verbrauch an Bodenschätzen reduzieren sich die natürlichen Lagerstätten –
steigende Preise sind die Folge. „Urban Mining“ sorgt dafür, dass auch den
nachfolgenden Generationen noch Rohstoffe zur Verfügung stehen