Studie zur Ernährung bei zwei Stämmen in Nord-Tanganyika
Wolfgang Keller
Die Ernährungswissenschaft hat in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht. Erweiterte Kenntnisse über den Bedarf an Nährstoffen unter verschie denen Lebensbedingungen und über Wechselbeziehungen einzelner Nährstoffe haben es erlaubt, Ernährungswissenschaft als wohlabgegrenztes Wissenschafts gebiet zu etablieren. Mit Hilfe ausgefeilter statistischer Methoden können wir heute ein Bild der Konsumgewohnheiten erhalten, können Änderungen früh feststellen und können erkennen, inwieweit die Ernährung den Empfehlungen der nationalen und internationalen Expertengremien entspricht. Immer weitere Kreise – mindestens in den industrialisierten Ländern – werden über die Be deutung einer richtigen Ernährung aufgeklärt. Dank unserem jetzigen allge meinen Wohlstand gehören Nahrungs- und Nährstoffmangel zu den Selten heiten. Dieses harmonische Bild hat für denjenigen, der sich heute in Deutschland mit Ernährungsphysiologie beschäftigt, den einzigen Nachteil, daß er im Lande keine Erfahrungen darüber sammeln kann, wo die Grenzen liegen, an denen eine Verminderung der Nährstoffversorgung beginnt, die Funktionstüchtigkeit und Gesundheit des Menschen zu beeinträchtigen. Wir sind in der glücklichen, wenn auch beschwerlichen Lage, zu diesem Zweck weite Reisen machen zu müssen. Durch die finanzielle Unterstützung des Landesamtes für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen konnte ich 412 Monate in Nord-Tanganyika verbringen und erste Einblicke in die Ernährungsweise afrikanischer Bevöl kerungsgruppen tun. Am Beginn der Untersuchung nahm Prof. KRAUT, der Direktor des Max-Planck Instituts für Ernährungsphysiologie teil, der jedoch nur fünf Wochen in Tangan yika bleiben konnte. In der Hauptsache habe ich mich bei einem Stamm, den Warneru, aufgehalten.