Ordnung und Weite von Siebel,  Walter Alfred

Ordnung und Weite

Texte zur Anthropologie des Rechts auf sich selbst

Rechtswissenschaft ist einerseits angewandte Geisteswissenschaft mit einem durchaus praktischen Ziel, andererseits gehört sie als Wissenschaft von den geltenden Ordnungen in unmittelbare Nähe zu den Sozialwissenschaften. Ohne diesen Kontakt zur sozialen Wirklichkeit kann Rechtswissenschaft keine angemessene Hermeneutik betreiben, da sie in der Isolation gegenüber der Realität sich selbst nicht mehr verstehen könnte.
“Ausnahmslos jedes juristische Problem ist nach unten in der Soziologie und nach oben in der ethisch-politischen Sphäre verwurzelt.” (Mäder, 2007, S. 49)
Zu den Methoden der Rechtswissenschaft gehört z. B. eben auch die grammatikalisch – logische Auslegung von Texten bei Anwendung von soziolog. – axiolog. Methoden (gesellschaftliche Bedingungen und die jeweils geltende Wertlehre).
Das Fachgebiet Ethik gehört deshalb zur Rechtswissenschaft und wird abgehandelt.
Der Fachbereich Soziologie (mit dem Teilgebiet Psychologie) wird in der philosophischen Fakultät angesiedelt. Dazu gibt es „Gemeinschaft und Menschenrecht. Einführung in die anthropologische Soziologie”,
Recht als denkbare Möglichkeit des geistigen Erfassens von Heil in Bezug auf Gerechtigkeit bedarf des Raumes eines Gemeinwesens und der Gefügtheit körperhaften Umgangs, um sich so zur Sprache zu bringen, dass durch das Recht selbst Erfahrung des Ja-Sagens zur Menschlichkeit des Menschen den Menschen Weite von “leben” zudarft und Inhalte so weist, dass der einzelne individuell antworten und sichten und damit per effectum sich offenbaren darf.
Die Angewiesenheit des Rechts auf dieses Gemeinwesen, das das Recht intendiert, darf nicht als Abhängigkeit verstanden werden. Denn mehrheitlich beschlossenes unrechtmäßiges Handeln setzt das Recht nicht außer Kraft. Gleichzeitig gilt, dass die Angewiesenheit des einzelnen auf gemeinschaftlich rechtmäßiges Handeln nicht als Abhängigkeit verstanden werden darf, da dieses Missverständnis. Abhängigkeiten erst konstituiert.
Recht gründet sich seiner Existenz nach auf die Richtigkeit von Seiendem, der Wahrheit nach auf die Selbst-Verständlichkeit von Sein, das Seiendes erhält. Das heißt, Recht ist seiner formalen Struktur nach Ausdruck der Richtigkeit von allem, was sein darf, wobei dürfen als pathische Kategorie dem individuellen Seienden so widerfährt, dass ein menschlicher Entschluss dazu nicht Voraussetzung ist. Wenn menschliche Entscheidung oder menschlicher Entschluss, an etwas beteiligt ist, das in Erscheinung tritt, handelt es sich:

a) bei rein menschlicher Beteiligung stets um eine Produktion, deren Nützlichkeit menschlichem Urteil unterliegt;
b) bei auch menschlicher Beteiligung um Folgen eines Engagements mit der Konsequenz, Inhalt des Engagements und Folgen zusammen einer Sinnprüfung unterziehen zu sollen.
Es ist bei in Erscheinung Getretenem deutlich zu unterscheiden zwischen natürlichen Folgen und menschlich intendierten Effekten. Recht gehört zu in Erscheinung Getretenem als Effekt des Gewordenseins aus natürlichen Gründen und hat keinen Relationspartner. Gerechtigkeit ist ein genuines Gefühl, das im Menschen ihm selbst gilt und dann erst per effectum auch anderen!
In Erscheinung Getretenes als Folge menschlicher Produktivität unterliegt der Konvention des Gemeinwesens, in dem produziert worden ist, und ist niemals in der Lage, Recht außer Kraft zu setzen. Das heißt: Verstößt das Ergebnis einer Produktion gegen das Recht, wird es nicht rechtmäßig dadurch, dass eine Mehrheit es für Recht hält oder eine so genannte Autorität es für Recht erklärt!

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