Ich nenn mich einen „deutschen Dichter“
Von Bielitz-Bielsko durch Sibirien nach Buchara. Verse und Zeichnungen
Lea Belz, Richard Moschkowitz, Erhard R Wiehn
„Erinnern heißt leben“, lautet der Titel eines Dokumentarfilmes der Achtzigerjahre. Lea Belz verleiht mit dieser Sammlung von Gedichten, Zeichnungen und Fotos einem deutschsprachigen jüdischen Emigrations-Dichter Leben. Einige als Faksimile wiedergegebene Texte lassen auch seine ausgesprochen schöne Handschrift erkennen. Ob es um das Problem des Schreibens in der „Sprache der Mörder“ oder um die Beobachtung und Beschreibung von Ereignissen und Zuständen in der Heimat und im Exil geht, zeichnen sich diese Gedichte durch unbestechliche Klarheit aus. Er beklagt die Verzerrung seiner Muttersprache durch den Jargon des Naziregimes: „Das deutsche Wort im deutschen Lande / hat die vertierte, rohe Bande / entehrt, geknebelt und entweiht“; er folgert daraus: „Zu Stahl und Eisen ist erstarrt / die Welt, drum sei der Vers auch hart.“
Gesellschaftskritisch nimmt er den Offiziersgeist in der alten Donaumonarchie ebenso aufs Korn wie neue lyrische Tendenzen. Die Liebesgedichte sind voll zarter Sehnsucht, voll bissigem Spott die Gedichte über Hitler und sein „tausendjähriges Reich“ samt seinen willigen, geflissentlichen Helfern, „die heidnischen Horden, die grundlos die Ärmsten der Armen ermorden“. Dies alles beobachtete und kommentierte er im Exil, auch die Arbeit derer, die ihre eigenen Gräber schaufeln müssen.
Das Leben heimatloser Juden in Buchara nach sibirischen Lagern wird gerade im Unterschied zur einheimischen usbekischen Bevölkerung anschaulich beschrieben, zusammengefasst in den Versen über seine Unfähigkeit, in solchen Situationen ein Gedicht zu schreiben. „Zerstört denn Leid den Geist? / Wird wahrer Dichtergeist zerstört, / den sonst das Leid noch speist?“ In gestochen scharfer Schrift gibt das Gedicht „Asiatische Nächte“ stimmungsvolle Eindrücke wieder. Seine Gedichte über seine vielfältigen Betätigungen als Dichter, Maler, Holzhacker und Viehhirt sind von wehmütigem Humor durchzogen. Erschütternd ist ein Gedicht aus dem Januar 1945, in dem er gesteht, keine Zukunftshoffnung mehr zu haben, lediglich Rache an „Hitlers Mörderland“ zu üben. Selbst die einst geliebte deutsche Sprache ist ihm verleidet. Hitlers Tod kommentiert er, „zu spät hat sich ein Mörder selbst getötet – bis zu den Wolken reicht der Leichen Berg!“. Bis April 1946 reichen seine Gedichte aus Buchara, vom November 1946 stammt sein Gedicht aus der Heimat in Bielsko. Eines der letzten Gedichte dieses Büchleins drückt die Hoffnung aus: „Bis Deutsche meine Verse lesen / und gerne lesen, ohne Hass, / dann ist das deutsche Volk genesen, / der Hitlerwahn verweht, gewesen …“
Diese Sammlung bietet uns die Möglichkeit, die Probe aufs Exempel zu machen! (Dr. Hans Maaß)