Eisenhüttenstadt und die Idealstadt des 20. Jahrhunderts
Elisabeth Knauer-Romani
Erstmals wird hier eine architekturgeschichtliche Monographie zur ‚Ersten sozialistischen Stadt auf deutschem Boden‘ vorgelegt. Im Mittelpunkt der städtebaulichen Analyse steht die Frage nach der Idealstadtkonzeption. Ausgehend vom Anspruch der Planer, einen guten und schönen Lebensraum für alle schaffen zu wollen, wird in einer doppelten Brechung der Reflexion das städtebauliche Konzept an seinen eigenen Maßstäben und an seiner Ausführung gemessen. Die Verfasserin geht also der Frage nach, inwieweit der Planung der neuen Stadt Kriterien zugrunde lagen, die sich zu einem Idealstadtkonzept verdichten lassen und versucht zu klären, welche Faktoren ideologischer, ökonomischer und baupraktischer Art zu jenen Änderungen und Umbrüchen geführt haben, die schon in der Planungsphase den utopischen Ansatz relativierten und während der gesamten Bauzeit zu beobachten waren. Der Fragestellung entsprechend, wird in einer Erweiterung des Betrachtungshorizontes die Nutzung der Stadt in die Analyse mit einbezogen. Aus zwei entgegengesetzten Blickwinkeln werden sowohl die politischen Indienstnahme als auch die realen Lebensbedingungen in der neuen Stadt kritisch beleuchtet. Dabei zeigt sich, daß die propagandistische Instrumentalisierung der Stadt schon in der architektonischen Gestaltung angelegt wurde. Die Indienstnahme durch die Politik setzt sich fort in einer umfassenden medialen Inszenierung und reglementierte auch die Nutzung und Aneignung der Stadt von seiten ihrer Bewohner.
Abschließend wird überprüft, ob und inwieweit der Anspruch der Planer zutrifft, für den Städtebau ‚eine neue Lösung in reiner Form‘ gefunden zu haben, ‚die nicht mit den Schlacken der Vergangenheit behaftet ist‘. In einer vergleichenden Gegenüberstellung wird die städtebauliche Konzeption Eisenhüttenstadts in den Rahmen der alternativen Idealstadtkonzepte des 20. Jahrhunderts eingeordnet. Als Ergebnis erscheint das Konzept der ‚Ersten sozialistischen Stadt auf deutschem Boden‘ als synkretistisches Modell, das städtebauliche Motive unterschiedlicher Herkunft zu einem neuen Idealstadtkonzept verbindet.
Diss. Bonn.