Netzwerke des Konservatismus
Berner Burgergemeinde und Patriziat im 19. und 20. Jahrhundert
Katrin Rieder
Die aristokratische Vergangenheit hat auch in Bern ihre Spuren hinterlassen und prägt die stadtbernische Gesellschaft und Politik bis in die Gegenwart. Madame de Meuron ist als Berner Original vielen in Erinnerung geblieben, doch sie war beileibe nicht die Einzige ihrer Zeit, die einer aristokratischen Werthaltung und einem adeligen Selbstverständnis verpflichtet blieb.
Um seine symbolische Herrschaft zu bewahren, konnte sich das Berner Patriziat auf die stadtbernische Burgergemeinde stützen, die seit 1831 die Heimatgemeinde der patrizischen und altburgerlichen Geschlechter sowie zahlreicher später eingetretener Familien aus dem städtischen Bürgertum bildete. Ausserhalb der Burgergemeinde engagierte sich das Patriziat in konservativen Vereinen und Parteien – in der Regenerationszeit zunächst im Widerstand gegen die demokratische Verfassung, während des ‚Burgersturms‘ gegen die verschiedenen Vorstösse zur Abschaffung der bernischen Burgergemeinden. Eine Aufbruchstimmung kam in der Zwischenkriegszeit auf, als sich zahlreiche Vertreter der Patriziergeschlechter, getragen von der Hoffnung auf eine autoritäre wenn nicht gar aristokratische Erneuerung, in rechtskonservativen und frontistischen Organisationen engagierten.
Bern steht als aufschlussreiches Beispiel dafür, dass ‚überkommene Institutionen offensichtlich ebenso wenig vergehen wie sozialmoralische Milieus‘ (Steinbach). Die Burgergemeinde der Stadt Bern – die reichste Korporation in der Schweiz und Grundeigentümerin eines Drittels des stadtbernischen Bodens – ist dank ihrem Leitbild, das sie als soziale und kulturelle Institution zugunsten der Allgemeinheit präsentiert, heute praktisch unhinterfragt. Dass sie durch ihre Beteiligung am Bernischen Historischen Museum oder durch die ‚Rettung‘ von Altstadthäusern, mit der sie sich als ‚Hüterin der bernischen Tradition‘ positionierte, auch kulturpolitisch aktiv war oder dass sie als private Grundeigentümerin auch bodenpolitisch wirkte und in politischen Prozessen stets als mächtige Akteurin mitspielte, blieb dabei im Hintergrund.