Dreiecksgeschichten
Die Schweizer Diplomatie, das "Dritte Reich" und die böhmischen Länder 1938–1945
Daniel C Schmid
Die sukzessive Zerstückelung der Tschechoslowakei 1938/39 durch das ‚Dritte Reich‘ offenbart die Herausforderung, der sich die Schweiz stellen musste, um ihre eigenen Interessen in den böhmischen Ländern zu wahren. Bundesrat und Parlament wussten sich in diplomatischer Pragmatik auf die europäische Gesamtsituation einzustellen. Gleichzeitig setzten Landesregierung und Wirtschaftsvertreter alles daran, den Handelsverkehr mit dem ‚Reichsgau Sudetenland‘ und dem ‚Protektorat Böhmen und Mähren‘ aufrecht zu erhalten. Weiter spielte die Schweizer Diplomatie eine bedeutende Rolle im zwischenstaatlichen Verkehr der Feindstaaten: Durch das alliierte Schutzmandat für ausländische Juden war insbesondere das Wissen um den nationalsozialistischen Vernichtungsprozess in hohem Mass vorhanden. Aufgrund zahlreicher neuer Quellen aus ausländischen Archiven kommt der Autor zum Schluss, dass der Einbezug der multinationalen Optik neue Aspekte bei der Beurteilung des nationalsozialistischen Besatzungsregimes ermöglicht. Denn gerade die Berichte der Schweizer Diplomaten belegen, dass die nationalsozialistische ‚Protektion‘ in Böhmen und Mähren eine allumfassende war, der sich die okkupierte tschechische Bevölkerung aus eigenen Kräften nicht entziehen konnte.