Durch den Prozess der europäischen Integration ist ein einzigartiger transnationaler Raum entstanden, der die Binnenmigration von Unionsbürger*innen stark begünstigt. Insbesondere die Arbeitsmigration stellt dabei einen zentralen Trend im innereuropäischen Wanderungsgeschehen dar. Während sich eine Vielzahl von Studien mit den Auswirkungen der EU-Binnenmigration auf die zentralen EU-Zielländer und ihre Arbeitsmärkte beschäftigt, richtet sich der Blick deutlich seltener auf die damit verbundenen komplexen Wechselwirkungen in den EU-Herkunftsländern. Angesichts der zunehmenden Verflechtung der einzelnen EU-Staaten erscheint eine Auseinandersetzung mit den Konsequenzen von Migrationsbewegungen und arbeitsmarkt- sowie migrationspolitischen Entscheidungen für andere Mitgliedstaaten notwendig. Wirtschaftliche, demografische und soziale Entwicklungen, die mit Abwanderungs- und Rückwanderungsbewegungen verbunden sind, stehen dementsprechend im Zentrum dieser Studie. Darüber hinaus wird das zunehmend dynamische Migrationsgeschehen in der Europäischen Union mit Blick auf Deutschland als populäres Zielland bzw. Berlin als Zielregion für Unionsbürger*innen untersucht. Wie hat sich die EU-Binnenmigration innerhalb der letzten zehn Jahre innerhalb der EU, Deutschlands und Berlins entwickelt? Welche Faktoren beeinflussen die Bleibeabsicht von Unionsbürger*innen in Deutschland? Welche Auswirkungen, Potenziale und Herausforderungen ergeben sich durch Abwanderung und Rückwanderung für die hauptsächlich betroffenen EU-Mitgliedstaaten? Zur Untersuchung dieser Fragen hat Minor den aktuellen Forschungsstand aufgearbeitet, Expert*inneninterviews geführt und Ergebnisse einer eigenen Befragung von in Deutschland lebenden Unionsbürger*innen sowie weitere Sekundärdaten ausgewertet.
Aktualisiert: 2021-11-25
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Den Zugang von Zugewanderten aus den Westbalkanstaaten zum Berliner Arbeitsmarkt zu analysieren, verstehen und verbessern ist aus verschiedenen Gründen ein lohnenswertes Unterfangen. Alle Westbalkanländer verfügen über eine grundsätzliche Beitrittsperspektive zur Europäischen Union (EU). Zwar verlaufen die Beitrittsprozesse, je nach Land, in unterschiedlicher Geschwindigkeit. Das Ziel des finalen Beitritts in die EU wird jedoch klar verfolgt. Der Zuzug von Menschen aus dieser Region könnte sich also perspektivisch noch erhöhen, sobald die europäischen Freizügigkeitsrechte auch für Bürgerinnen und Bürger des Westbalkans gelten.
Durch die deutlich gestiegene Fluchtzuwanderung aus der Region in den Jahren 2014/2015 kamen die Staaten des Westbalkans ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Im Mittelpunkt der Debatten standen v. a. die steigenden, in der Regel abgelehnten Asylanträge von Menschen aus der Region, wobei die Themen vermeintlicher Asylmissbrauch und Rückkehrförderung dominierten.
In solch turbulenten Zeiten kann schnell aus dem Blick geraten, dass sich das Verhältnis zwischen Deutschland und den Staaten des Westbalkans keineswegs auf diese vergleichsweise kurze Zeitspanne reduzieren lässt. Im Gegenteil: Deutschland und die Region teilen eine bewegte, komplexe Geschichte der Migration. Ein wichtiger Grund für diese gemeinsame Geschichte ist die geografische Nähe und somit die relative Nachbarschaft Deutschlands zu dem Westbalkan. Durch die verschiedenen Phasen der Einwanderung sind in Deutschland und in Berlin bedeutsame Communities von Zugewanderten aus den Westbalkanstaaten entstanden.
Die Wanderungsbewegungen aus dem Westbalkan nach Deutschland und Berlin zeichnen sich durch eine Vielfalt an unterschiedlichen Motiven aus. Wichtige Bewegründe für die Migrationsentscheidung können u. a. der Wunsch nach einer Familienzusammenführung, die Aufnahme eines Studiums oder einer Ausbildung oder die Suche nach Schutz sein. Eine zentrales Migrationsmotiv für Menschen aus den Westbalkanstaaten – sowohl historisch als auch gegenwärtig – bildet der Wunsch nach einer Arbeit (mit besseren Arbeitsbedingungen als im Herkunftsland).
Bisher gibt es jedoch nur wenige Beiträge, die sich mit der konkreten, regionalen Arbeitsmarktintegration der Zugewanderten aus dem Westbalkan auseinandersetzen. Mit dieser Publikation möchten die Autorinnen und Autoren einen Beitrag zum Schließen dieser Lücke leisten. Berlin als ausgewählte Region bietet sich für eine solche Betrachtung an, da die Metropole ein Magnet für Migrantinnen und Migranten aus aller Welt und auch aus den Westbalkanstaaten darstellt. Wie unter einem Vergrößerungsglas werden hier Potenziale, aber auch Hürden in der Arbeitsmarktintegration von Zugewanderten deutlich.
Folgende Leitfragen sind für diese Publikation zentral:
> Wie gestalte(te)n sich die Zuwanderungswege aus dem Westbalkan nach Deutschland und Berlin in der Vergangenheit und Gegenwart? Welche Rolle kommt dabei dem Migrationsmotiv „Arbeit“ zu?
> Welche Hürden, Barrieren und Potenziale bestehen für die Zielgruppe bei der Integration in den Berliner Arbeitsmarkt?
> Welche Muster und Trends lassen sich im Hinblick auf die demografische Entwicklung der unterschiedlichen Zuwanderungsgruppen aus dem Westbalkan in Berlin nachzeichnen?
> Welche Auswirkungen hatten die erleichterten Möglichkeiten der Arbeitsmigration, die seit 2016 im Rahmen von § 26 Beschäftigungsverordnung bestehen?
> Welche Erfahrungen machen Zugewanderte aus den Westbalkanstaaten auf dem Berliner Arbeitsmarkt?
Ein Ziel dieser Publikationen ist es, ein möglichst vielschichtiges und facettenreiches Bild von der Lage von Migrantinnen und Migranten aus den Ländern des Westbalkans in Berlin zeichnen zu können. Dazu werden mit Hilfe von qualitativen Interviews sowohl die Perspektiven von Zugewanderten aus den sechs Westbalkanländern als auch von Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Berufsfeldern wie der Beratung, der Verwaltung, Gewerkschaften und weiteren Organisationen eingeholt. Eine Analyse ausgewählter, in Facebook identifizierter Diskussionsforen der Zielgruppe ergänzt und erweitert diese Perspektiven. Zudem wurden öffentlich verfügbare Daten, u. a. des Berliner Melderegisters und des statistischen Bundesamtes, genutzt, um die Bevölkerungsentwicklung und die aufenthaltsrechtliche Situation dieser Personengruppe zu beschreiben. Im Rahmen einer Sonderabfrage bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) wurden zusätzliche Daten eingeholt, die es erlauben, die Arbeitsmarktintegration der Zielgruppe differenziert zu betrachten.
In Kapitel I werden zunächst die Rahmenbedingungen der Migration aus den Westbalkanstaaten nach Deutschland und Berlin analysiert. Die Geschichte der Zuwanderung aus den Westbalkanländern nach Deutschland ist eine Geschichte wechselseitiger Verflechtung. Seit den frühen 1960er-Jahren haben eine Reihe von unterschiedlichen Push- und Pull-Faktoren vielfältige Wanderungsbewegungen ausgelöst. Die Erweiterung des § 26 der Beschäftigungsverordnung – besser bekannt als Westbalkanreglung – markiert den bislang jüngsten, im Ausgang noch offenen Versuch, die Zuwanderung aus der Region zu gestalten.
Im Mittelpunkt dieses Buches steht jedoch die aktuelle Zuwanderung und Arbeitsmarktintegration von Menschen aus den Westbalkanländern in Berlin. Um ein tiefgreifendes und empirisch belastbares Verständnis dafür zu gewinnen, wie sich diese Zuwanderung entwickelt hat, ist zunächst ein Blick auf die Zahlen notwendig. In Kapitel II wird daher ein Überblick darüber gegeben, wie sich die Anzahl der gemeldeten Personen aus dem Westbalkan von 2008 bis 2018 entwickelt hat. Neben einer Betrachtung der Entwicklung der Meldezahlen wird auch die sozialräumliche Verteilung der Zielgruppe auf die Berliner Bezirke beleuchtet.
Nachdem geklärt ist, wie die demografische Entwicklung der Zielgruppe in der letzten Dekade verlaufen ist, wird in Kapitel III analysiert, wie es um die Arbeitsmarktintegration der Zielgruppe bestellt ist. Neben dem quantitativen Zugang zum Arbeitsmarkt, nachgezeichnet anhand der Entwicklung der Beschäftigungs- und Arbeitslosenquote im Zeitverlauf, wird dafür ein besonderes Augenmerk auf die Qualität der Beschäftigung gelegt: Gemeint ist hiermit die Frage danach, ob die ausgeübten Beschäftigungen auch soziale und finanzielle Sicherheit bieten, angemessen entlohnt werden und den mitgebrachten Qualifikationen entsprechen. Dieses Kapitel enthält zudem einen Exkurs zu der Inanspruchnahme ausgewählter Leistungen des Sozialstaates (ALG I und ALG II) sowie eine knappe Übersicht über die rechtlichen Zugangsmöglichkeiten zu diesen.
In Kapitel IV stehen zunächst die Migrationsmotive von Menschen, die in den letzten zehn Jahren aus den Westbalkanstaaten nach Deutschland und Berlin gezogen sind, im Vordergrund. Zudem werden die Erfahrungen und Wahrnehmungen dieser Zugewanderten sowie von Expertinnen und Experten bezüglich des Zugangs zu Beschäftigung und Arbeitsbedingungen dieser Gruppe dargestellt. Ebenso diskutiert werden langfristige Rückkehr- und Bleibeperspektiven.
In Kapitel V wird analysiert, inwiefern sich an den offiziellen Statistiken für Berlin Auswirkungen der modifizierten Rechtslage für Zuwandernde aus den Westbalkanstaaten ablesen lassen. Anschließend wird dargestellt, wie Zugewanderte aus den Staaten des Westbalkans selbst die Verabschiedung und Umsetzung der Westbalkanregelung wahrnehmen.
Die Zahlen des Berliner Melderegisters zeigen, dass die Zahl der gemeldeten Zugewanderten aus dieser Region seit dem Jahr 2008 insgesamt gestiegen ist. Um eine langfristige Bleibeperspektive zu entwickeln und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, ist die Integration in den Arbeitsmarkt eine wichtige Voraussetzung. Zudem ist Berlin dringend auf den Zuzug weiterer Fachkräfte angewiesen. Aus diesem Grund ist die nachhaltige Integration von wachsenden Zuwanderungsgruppen wie den Menschen aus den Ländern des Westbalkans im Kerninteresse der Stadt.
Ein kurzes, gebündeltes Fazit mit besonderem Augenmerk auf mögliche Schritte zur Verbesserung der Arbeitsmarktintegration von Zugewanderten, rundet daher diese Publikation ab.
Aktualisiert: 2023-03-30
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In Berlin leben mehr als 284.000 Bürgerinnen und Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU‐Mitgliedstaates. Insbesondere in den letzten zehn Jahren hat die EU‐Binnenmigration nach Berlin stark zugenommen. Zusammen mit dem Zuzug von Drittstaatsangehörigen bildet sie eine der Hauptursachen für das Bevölkerungswachstum der Hauptstadt.
Durch seine Anziehungskraft verfügt Berlin über einen großen Vorteil gegenüber anderen Regionen, da der Arbeitskräftemangel sich zu einem die Wirtschaftslage stark beeinflussenden Faktor entwickelt hat. Deutschlandweit sind inzwischen über 1,2 Millionen Stellen unbesetzt. Die Zuwanderung aus Europa wird zunehmend als Teil von Strategien zur Stärkung des Arbeitsmarktes erkannt. Sie trägt derzeit in deutlich größerem Maße zur Deckung von Arbeitskräftebedarfen bei, als das zuwandernde Fachkräfte aus Drittstaaten tun. Entsprechend steigt auch das Interesse bei Bund und Ländern, sich mit dem Thema EU‐Zuwanderung auseinanderzusetzen und Integrationssysteme zu verbessern.
Dank des EU‐Freizügigkeitsrechtes können sich EU‐Zugewanderte in der Hauptstadt aufhalten, eine Arbeit suchen bzw. einer Arbeit nachgehen, ohne dafür ein Visum zu benötigen. Daten der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass die Arbeitsmarktbeteiligung von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern im letzten Jahrzehnt deutlich gestiegen ist. Einem guten Teil der nach Berlin Zugezogenen gelingt demnach der Einstieg in den Berliner Arbeitsmarkt gut. Jedoch lassen die Daten auch erkennen: Nach wie vor ist die Arbeitslosenrate unter ihnen überdurchschnittlich hoch. Zudem ist der Anteil an Personen, deren Beschäftigung Prekaritätsmerkmale aufweist, ebenfalls erhöht (Dubois 2019). Daraus lässt sich schlussfolgern: Die Arbeitsmarktintegration von EU‐Bürgerinnen und EU‐Bürgern ist ein Thema, an dem verstärkt gearbeitet werden muss.
In dieser Studie wird die Rolle von Einrichtungen der öffentlichen Arbeitsverwaltung im Zusammenhang mit der Heranführung von EU‐Zugwanderten an den Berliner Arbeitsmarkt ins Auge gefasst. Es existiert eine ganze Reihe an Angeboten von Jobcentern und Arbeitsagenturen, die diesem Zweck dienen. Gemeint sind damit zum einen Unterstützungsleistungen der aktiven Arbeitsmarktförderung, d. h. Beratung, Informationsvermittlung, Hilfeleistung bei der Suche nach geeigneten Arbeitsstellen und (Weiter‐)Bildungsangebote für Arbeitssuchende. Zum anderen zählen dazu auch finanzielle Leistungen, die in Phasen von Arbeitslosigkeit zur Sicherung des Lebensunterhalts beitragen.
Erkenntnisleitend im gesamten Entstehungsprozess der Publikation war die Frage, welche Erfahrungen Unionsbürgerinnen und Unionsbürger in Berlin mit den Angeboten von Jobcentern und Arbeitsagenturen sammeln. Dabei interessierten sowohl die Chancen, die mit dem Zugang zu den genannten Angeboten einhergehen können, als auch die möglichen Barrieren, die bei dem Versuch entstehen können, die Angebote zu nutzen.
Um ein möglichst umfängliches und vielschichtiges Bild von der Lage von EUBürgerinnen und EU‐Bürgern in Berlin zeichnen zu können, wurden dabei sowohl die Perspektiven von neuzugewanderten Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern als auch von Expertinnen und Experten aus der Beratung der Zielgruppe sowie von Mitarbeitenden der Berliner Arbeitsverwaltung eingefangen und berücksichtigt.
In Kapitel I werden zunächst grundlegende Erkenntnisse zum soziodemografischen Profil nach Berlin zugewanderter EU‐Bürgerinnen und EU‐Bürger dargeboten. Dazu werden Angaben aus einer von Minor 2019 durchgeführten, breit angelegten Befragung unter Zugewanderten aus Bulgarien, Frankreich, Italien, Polen, Rumänien und Spanien ausgewertet. Dabei handelt es sich um die sechs EUMitgliedstaaten (Großbritannien herausgenommen), die am stärksten in der Berliner Bevölkerung vertreten sind. Die Umfrageergebnisse geben auch Aufschluss darüber, welche Gründe ausschlaggebend waren für die Entscheidung, nach Berlin zu ziehen und wie der Umzug vorbereitet wurde. Berücksichtigt wurden in der Auswertung der Befragung nur Antworten von Personen, die seit 2008 nach Berlin zugereist sind. Grund dafür ist der gewählte Fokus, der in dieser Untersuchung auf der Neuzuwanderung liegen soll – also dem Migrationsgeschehen, das sich zeitlich an den Ausbruch der Finanz‐ und Wirtschaftskrise 2008 anschloss.
Um ein tiefgreifendes Verständnis dafür zu gewinnen, wie sich der Zugang von EU‐Zugewanderten zu den Angeboten von Jobcentern und Arbeitsagenturen gestaltet, muss zunächst geklärt werden, in welchem rechtlichen Rahmen dieser stattfindet. In Kapitel II wird daher ein Überblick darüber gegeben, welche Leistungen in Jobcentern oder Arbeitsagenturen beantragt werden können und welche rechtlichen Bestimmungen gelten.
Wie häufig Unionsbürgerinnen und Unionsbürger Kontakt mit den Einrichtungen der Berliner Arbeitsverwaltung aufnehmen und welche Angebote sie wie oft in Anspruch nehmen, wird in Kapitel III aufgeschlüsselt. Dabei werden Unterschiede nach Nationalität, Alter, Geschlecht und Bildungsgrad offensichtlich.
Nachdem geklärt ist, zu welchen Angeboten EU‐Bürgerinnen und EU‐Bürger unter welchen Voraussetzungen Zugang haben und wie oft sie von ihrem Anspruch Gebrauch machen, wird in Kapitel IV aufgezeigt, welche Chancen diesem Vorgang innewohnen. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, welche Faktoren aus Sicht der Neuzugewanderten dazu beitragen, dass der Kontakt mit einem Jobcenter oder einer Arbeitsagentur als positiv erlebt wird. Diese gut funktionierenden Aspekte können dabei als Ansatzpunkte für die Stärkung eines erfolgreichen Zugangs zu den Angeboten von Jobcentern und Arbeitsagenturen dienen.
In Kapitel V werden Faktoren unter die Lupe genommen, die sich als Barrieren für den Zugang zu den benannten Angeboten erweisen. Diese werden auf drei Ebenen verortet: Erstens hat sich herauskristallisiert, dass Wissenslücken bei verschiedenen Akteursgruppen dazu führen, dass EU‐Zugewanderte nicht immer zu den Angeboten finden, auf die sie Anspruch hätten und die für ihren (Arbeitsmarkt‐)Integrationsprozess förderlich wären. Zweitens hat sich gezeigt, dass es bei dem Versuch der Kontaktaufnahme mit den Einrichtungen der öffentlichen Arbeitsverwaltung Hürden unterschiedlicher – organisatorischer, sprachlicher und einstellungsbedingter – Natur gibt. Schließlich existiert eine ganze Reihe von Hindernissen, die – auch wenn die Kontaktaufnahme erfolgreich war – den Zugang zu den passenden Leistungen erschweren können. Diese bewegen sich auf der Ebene des Austausches zwischen den Behördenmitarbeitenden und den neuzugewanderten Kundinnen und Kunden.
Auf Basis der zusammengetragenen Erkenntnisse werden in Kapitel VI Handlungsempfehlungen ausgesprochen, die dazu beitragen können, den Zugang von EU‐Bürgerinnen und EU‐Bürgern in Berlin zu Angeboten der Jobcenter und Arbeitsagenturen zu erleichtern. Dabei werden mögliche Wege aufgezeigt, wie erstens der Wissensstand zu den Angeboten der öffentlichen Arbeitsverwaltung bei allen relevanten Beteiligten angehoben werden kann, zweitens die Kontaktaufnahme mit den Einrichtungen für die Zielgruppe erleichtert werden kann und drittens der konstruktive Austausch zwischen Mitarbeitenden der öffentlichen Arbeitsverwaltung und EU‐Bürgerinnen und EU‐Bürgern, die Interesse an ihren Angeboten haben, gefördert werden kann.
Den Zugang von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern zu Angeboten der öffentlichen Arbeitsverwaltung zu verbessern, ist aus verschiedenen Gründen ein lohnenswertes Unterfangen. Für die Neuzugewanderten selber kann es zu einer Verbesserung ihrer Situation auf dem Arbeitsmarkt beitragen: Sie können verstärkt an diesem teilhaben und dabei unterstützt werden, eine qualifikationsadäquate Beschäftigung zu finden. Die Partizipation am Arbeitsmarkt ist ein zentraler Bestandteil der gesellschaftlichen Integration. Neben der finanziellen Absicherung kann sie wesentlich zur sozialen Einbindung und Persönlichkeitsentfaltung beitragen. All dies wiederum kann dazu führen, dass Zugewanderte eine langfristige Bleibeperspektive entwickeln. Zugleich ist eine solche, gefestigte Arbeitsmarktintegration auch für die Stadt Berlin von Vorteil. Die Bundeshauptstadt ist auf den Zuzug und Verbleib von Fachkräften aus dem (EU‐)Ausland angewiesen, um den bereits existierenden und vermutlich weiter zunehmenden Fachkräftebedarf zu decken.
Jobcenter und Arbeitsagenturen können dabei eine wichtige Brückenfunktion erfüllen. Aufgrund des Freizügigkeitsrechtes besteht für in Berlin lebende EU‐Bürgerinnen und EU‐Bürger keine unmittelbare Notwendigkeit, mit einer staatlichen Einrichtung in Kontakt zu treten, sobald sie ihre Anmeldung im Bürgeramt vorgenommen haben. Suchen sie die Einrichtungen der öffentlichen Arbeitsverwaltung auf, so kann dies sie an staatliche Unterstützungsstrukturen heranführen und gleichzeitig eine höhere gesellschaftliche Integration mit sich bringen. Ziel dieser Publikation ist es, einen Beitrag zu einem Verständnis dafür zu leisten, wie diese Chance in Zukunft noch besser genutzt werden kann, welche bereits gut funktionierenden Prozesse noch ausgebaut werden sollten und an welchen Stellen noch nachgesteuert werden sollte, um den Zugang von EU Zugewanderten zu den Angeboten der Jobcenter und Arbeitsagenturen zu verbessern.
Aktualisiert: 2023-03-30
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