Aktuell sind über 50 Millionen Menschen weltweit dazu gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, um sich und ihre Angehörigen in Sicherheit zu bringen. Mit der Erhöhung der Geflüchtetenzahlen diversifizieren sich die Fluchtmotive. Zu den altbekannten Gründen wie (Bürger-)Krieg, politische Verfolgung und Vertreibung kommen seit ein paar Jahren auch Fluchtmotive wie Klimawandel, Umweltzerstörung, Naturkatastrophen sowie die zunehmende Armut, oft gepaart mit Hungerkatastrophen, hinzu. Im Zuge der Globalisierung erlangte ein Teil der Welt, unser Teil, unvorstellbaren Wohlstand. Die Globalisierung kehrt sich aktuell gewissermaßen um: Auf einmal kommt der andere, ärmere Teil der Welt zu uns, auch da es bei uns friedlich ist. Diese Entwicklungen machen es immer schwieriger, klar und eindeutig von legitimen Fluchtgründen zu sprechen und welche Fluchtmotive mehr oder weniger Berechtigung haben als andere. Die stark steigenden Zahlen derjenigen, die von ihrem Grundrecht auf Asyl Gebrauch machen (möchten) und zum Teil lebensgefährliche Überfahrten über das Mittelmeer auf sich nehmen, fordern die bisherigen Strukturen und Verfahren heraus. Da viele Menschen die Passage mit dem Leben bezahlen oder irgendwo in Europa unter den unwürdigsten Bedingungen leben sind damit auch moralische Fragen verbunden. Schon seit einigen Monaten hört man in Politik, Öffentlichkeit und Medien kaum mehr etwas davon, dass unsere Werte universell, Menschenrechte unteilbar, das Grundgesetz unmittelbar geltendes Recht und die Würde des Menschen unantastbar seien – zumindest im aktuellen Kontext von Vertreibung, Flucht und Asyl. Hierzulande gibt es Vorbehalte und Ängste, die Gesellschaft könnte durch die Aufnahme der vielen Schutzsuchenden überfordert sein – an den radikalisierten Überzeugungen innerhalb der deutschen Gesellschaft hat sich bereits das Journal 4/2015 abgearbeitet. Doch zugleich gibt es aktuell viele zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich für die Unterstützung von Geflüchteten einsetzen. Diesen gesellschaftlichen Rückenwind gilt es zu nutzen, um vor allem die Kommunen, andere lokale Akteure, und die politische Bildung noch besser zu unterstützen. Dieses Heft widmet sich den aktuellen Herausforderungen des Themas in Theorie und Praxis. Einleitend wird ein Schlaglicht auf das komplexe Themenfeld geworfen, wobei insbesondere aktuelle Phänomene und Motive der Migration sowie ökonomistische Kategorisierungen Geflüchteter sowie Geschlechterverhältnisse kritisch besprochen werden. Ebenfalls wird detailliert darauf eingegangen, wie die deutsche Gesellschaft mit einem wachsenden Anteil von Zugewanderten umgehen sollte und wie eine Kulturalisierung von sozialen Problemlagen vermieden werden kann. Auf drei theoretischen Beiträge folgen drei Beispiele aus der Praxis politischer Bildung. Hierbei werden die Notwendigkeit einer interkulturellen Öffnung der Einrichtungen politischer Bildung betont und Praxisbeispiele der Unterstützung und Orientierung für Flüchtlinge sowie von Bildungsangeboten für die aufnehmende Gesellschaft vorgestellt. Zudem werden Tipps zur Auseinandersetzung mit Vorurteilen, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gegeben; auch im Kontext einer internationalen Jugendbegegnung. Über das SchwerPunkt-Thema hinaus thematisiert das Heft ein Modellprojekt zwischen Schule und außerschulischer Bildungseinrichtung, in dem Gelingensbedingungen einer Verbindung von sozialem und politischem Lernen erarbeitet wurden sowie die Studie „Antisemitismus als Problem und Symbol. Phänomene und Interventionen in Berlin“.
Aktualisiert: 2020-03-29
Autor:
Boris Brokmeier,
Sebastian Engmann,
Friedrun Erben,
Nissar Gardi,
Daniela Keeß,
Ulrike Lingen-Ali,
Paul Mecheril,
Berthold Meyer,
Markus Ottersbach,
Judith Sucher,
Julian von Oppen,
Alexander Wohnig
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