In Berlin leben mehr als 284.000 Bürgerinnen und Bürger mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU‐Mitgliedstaates. Insbesondere in den letzten zehn Jahren hat die EU‐Binnenmigration nach Berlin stark zugenommen. Zusammen mit dem Zuzug von Drittstaatsangehörigen bildet sie eine der Hauptursachen für das Bevölkerungswachstum der Hauptstadt.
Durch seine Anziehungskraft verfügt Berlin über einen großen Vorteil gegenüber anderen Regionen, da der Arbeitskräftemangel sich zu einem die Wirtschaftslage stark beeinflussenden Faktor entwickelt hat. Deutschlandweit sind inzwischen über 1,2 Millionen Stellen unbesetzt. Die Zuwanderung aus Europa wird zunehmend als Teil von Strategien zur Stärkung des Arbeitsmarktes erkannt. Sie trägt derzeit in deutlich größerem Maße zur Deckung von Arbeitskräftebedarfen bei, als das zuwandernde Fachkräfte aus Drittstaaten tun. Entsprechend steigt auch das Interesse bei Bund und Ländern, sich mit dem Thema EU‐Zuwanderung auseinanderzusetzen und Integrationssysteme zu verbessern.
Dank des EU‐Freizügigkeitsrechtes können sich EU‐Zugewanderte in der Hauptstadt aufhalten, eine Arbeit suchen bzw. einer Arbeit nachgehen, ohne dafür ein Visum zu benötigen. Daten der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass die Arbeitsmarktbeteiligung von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern im letzten Jahrzehnt deutlich gestiegen ist. Einem guten Teil der nach Berlin Zugezogenen gelingt demnach der Einstieg in den Berliner Arbeitsmarkt gut. Jedoch lassen die Daten auch erkennen: Nach wie vor ist die Arbeitslosenrate unter ihnen überdurchschnittlich hoch. Zudem ist der Anteil an Personen, deren Beschäftigung Prekaritätsmerkmale aufweist, ebenfalls erhöht (Dubois 2019). Daraus lässt sich schlussfolgern: Die Arbeitsmarktintegration von EU‐Bürgerinnen und EU‐Bürgern ist ein Thema, an dem verstärkt gearbeitet werden muss.
In dieser Studie wird die Rolle von Einrichtungen der öffentlichen Arbeitsverwaltung im Zusammenhang mit der Heranführung von EU‐Zugwanderten an den Berliner Arbeitsmarkt ins Auge gefasst. Es existiert eine ganze Reihe an Angeboten von Jobcentern und Arbeitsagenturen, die diesem Zweck dienen. Gemeint sind damit zum einen Unterstützungsleistungen der aktiven Arbeitsmarktförderung, d. h. Beratung, Informationsvermittlung, Hilfeleistung bei der Suche nach geeigneten Arbeitsstellen und (Weiter‐)Bildungsangebote für Arbeitssuchende. Zum anderen zählen dazu auch finanzielle Leistungen, die in Phasen von Arbeitslosigkeit zur Sicherung des Lebensunterhalts beitragen.
Erkenntnisleitend im gesamten Entstehungsprozess der Publikation war die Frage, welche Erfahrungen Unionsbürgerinnen und Unionsbürger in Berlin mit den Angeboten von Jobcentern und Arbeitsagenturen sammeln. Dabei interessierten sowohl die Chancen, die mit dem Zugang zu den genannten Angeboten einhergehen können, als auch die möglichen Barrieren, die bei dem Versuch entstehen können, die Angebote zu nutzen.
Um ein möglichst umfängliches und vielschichtiges Bild von der Lage von EUBürgerinnen und EU‐Bürgern in Berlin zeichnen zu können, wurden dabei sowohl die Perspektiven von neuzugewanderten Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern als auch von Expertinnen und Experten aus der Beratung der Zielgruppe sowie von Mitarbeitenden der Berliner Arbeitsverwaltung eingefangen und berücksichtigt.
In Kapitel I werden zunächst grundlegende Erkenntnisse zum soziodemografischen Profil nach Berlin zugewanderter EU‐Bürgerinnen und EU‐Bürger dargeboten. Dazu werden Angaben aus einer von Minor 2019 durchgeführten, breit angelegten Befragung unter Zugewanderten aus Bulgarien, Frankreich, Italien, Polen, Rumänien und Spanien ausgewertet. Dabei handelt es sich um die sechs EUMitgliedstaaten (Großbritannien herausgenommen), die am stärksten in der Berliner Bevölkerung vertreten sind. Die Umfrageergebnisse geben auch Aufschluss darüber, welche Gründe ausschlaggebend waren für die Entscheidung, nach Berlin zu ziehen und wie der Umzug vorbereitet wurde. Berücksichtigt wurden in der Auswertung der Befragung nur Antworten von Personen, die seit 2008 nach Berlin zugereist sind. Grund dafür ist der gewählte Fokus, der in dieser Untersuchung auf der Neuzuwanderung liegen soll – also dem Migrationsgeschehen, das sich zeitlich an den Ausbruch der Finanz‐ und Wirtschaftskrise 2008 anschloss.
Um ein tiefgreifendes Verständnis dafür zu gewinnen, wie sich der Zugang von EU‐Zugewanderten zu den Angeboten von Jobcentern und Arbeitsagenturen gestaltet, muss zunächst geklärt werden, in welchem rechtlichen Rahmen dieser stattfindet. In Kapitel II wird daher ein Überblick darüber gegeben, welche Leistungen in Jobcentern oder Arbeitsagenturen beantragt werden können und welche rechtlichen Bestimmungen gelten.
Wie häufig Unionsbürgerinnen und Unionsbürger Kontakt mit den Einrichtungen der Berliner Arbeitsverwaltung aufnehmen und welche Angebote sie wie oft in Anspruch nehmen, wird in Kapitel III aufgeschlüsselt. Dabei werden Unterschiede nach Nationalität, Alter, Geschlecht und Bildungsgrad offensichtlich.
Nachdem geklärt ist, zu welchen Angeboten EU‐Bürgerinnen und EU‐Bürger unter welchen Voraussetzungen Zugang haben und wie oft sie von ihrem Anspruch Gebrauch machen, wird in Kapitel IV aufgezeigt, welche Chancen diesem Vorgang innewohnen. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, welche Faktoren aus Sicht der Neuzugewanderten dazu beitragen, dass der Kontakt mit einem Jobcenter oder einer Arbeitsagentur als positiv erlebt wird. Diese gut funktionierenden Aspekte können dabei als Ansatzpunkte für die Stärkung eines erfolgreichen Zugangs zu den Angeboten von Jobcentern und Arbeitsagenturen dienen.
In Kapitel V werden Faktoren unter die Lupe genommen, die sich als Barrieren für den Zugang zu den benannten Angeboten erweisen. Diese werden auf drei Ebenen verortet: Erstens hat sich herauskristallisiert, dass Wissenslücken bei verschiedenen Akteursgruppen dazu führen, dass EU‐Zugewanderte nicht immer zu den Angeboten finden, auf die sie Anspruch hätten und die für ihren (Arbeitsmarkt‐)Integrationsprozess förderlich wären. Zweitens hat sich gezeigt, dass es bei dem Versuch der Kontaktaufnahme mit den Einrichtungen der öffentlichen Arbeitsverwaltung Hürden unterschiedlicher – organisatorischer, sprachlicher und einstellungsbedingter – Natur gibt. Schließlich existiert eine ganze Reihe von Hindernissen, die – auch wenn die Kontaktaufnahme erfolgreich war – den Zugang zu den passenden Leistungen erschweren können. Diese bewegen sich auf der Ebene des Austausches zwischen den Behördenmitarbeitenden und den neuzugewanderten Kundinnen und Kunden.
Auf Basis der zusammengetragenen Erkenntnisse werden in Kapitel VI Handlungsempfehlungen ausgesprochen, die dazu beitragen können, den Zugang von EU‐Bürgerinnen und EU‐Bürgern in Berlin zu Angeboten der Jobcenter und Arbeitsagenturen zu erleichtern. Dabei werden mögliche Wege aufgezeigt, wie erstens der Wissensstand zu den Angeboten der öffentlichen Arbeitsverwaltung bei allen relevanten Beteiligten angehoben werden kann, zweitens die Kontaktaufnahme mit den Einrichtungen für die Zielgruppe erleichtert werden kann und drittens der konstruktive Austausch zwischen Mitarbeitenden der öffentlichen Arbeitsverwaltung und EU‐Bürgerinnen und EU‐Bürgern, die Interesse an ihren Angeboten haben, gefördert werden kann.
Den Zugang von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern zu Angeboten der öffentlichen Arbeitsverwaltung zu verbessern, ist aus verschiedenen Gründen ein lohnenswertes Unterfangen. Für die Neuzugewanderten selber kann es zu einer Verbesserung ihrer Situation auf dem Arbeitsmarkt beitragen: Sie können verstärkt an diesem teilhaben und dabei unterstützt werden, eine qualifikationsadäquate Beschäftigung zu finden. Die Partizipation am Arbeitsmarkt ist ein zentraler Bestandteil der gesellschaftlichen Integration. Neben der finanziellen Absicherung kann sie wesentlich zur sozialen Einbindung und Persönlichkeitsentfaltung beitragen. All dies wiederum kann dazu führen, dass Zugewanderte eine langfristige Bleibeperspektive entwickeln. Zugleich ist eine solche, gefestigte Arbeitsmarktintegration auch für die Stadt Berlin von Vorteil. Die Bundeshauptstadt ist auf den Zuzug und Verbleib von Fachkräften aus dem (EU‐)Ausland angewiesen, um den bereits existierenden und vermutlich weiter zunehmenden Fachkräftebedarf zu decken.
Jobcenter und Arbeitsagenturen können dabei eine wichtige Brückenfunktion erfüllen. Aufgrund des Freizügigkeitsrechtes besteht für in Berlin lebende EU‐Bürgerinnen und EU‐Bürger keine unmittelbare Notwendigkeit, mit einer staatlichen Einrichtung in Kontakt zu treten, sobald sie ihre Anmeldung im Bürgeramt vorgenommen haben. Suchen sie die Einrichtungen der öffentlichen Arbeitsverwaltung auf, so kann dies sie an staatliche Unterstützungsstrukturen heranführen und gleichzeitig eine höhere gesellschaftliche Integration mit sich bringen. Ziel dieser Publikation ist es, einen Beitrag zu einem Verständnis dafür zu leisten, wie diese Chance in Zukunft noch besser genutzt werden kann, welche bereits gut funktionierenden Prozesse noch ausgebaut werden sollten und an welchen Stellen noch nachgesteuert werden sollte, um den Zugang von EU Zugewanderten zu den Angeboten der Jobcenter und Arbeitsagenturen zu verbessern.
Aktualisiert: 2023-03-30
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Ungefähr 1 % der EU-Bürgerinnen und EU-Bürger ohne deutsche Staatsbürgerschaft lebt in Deutschland. Das mag zunächst nicht nach viel klingen. Anders verhält es sich, wenn wir absolute Zahlen heranziehen: 4,7 Mio. Menschen mit der Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Mitgliedsstaates haben ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland. Damit sind es 82,2 % mehr als noch im Jahr 2008. Die EU-Zuwanderung nach Deutschland stellt somit neben der Fluchtmigration ein wesentliches Phänomen im Migrationsgeschehen dar. Im Vergleich zu den Geflüchteten wurde über EU-Zugewanderte in den vergangenen Jahren relativ wenig berichtet. Wurde die EU-Binnenmigration doch in den Medien aufgegriffen, so geschah dies meist in negativen Zusammenhängen – namentlich beispielsweise mit Bezug auf die Sorge, dass es nach der Aufhebung der Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu einer massenhaften Zuwanderung aus den neuen Mitgliedsstaaten im (Süd-)Osten Europas kommen könnte – einer „Armutsmigration“, die eine erhebliche Belastung für den deutschen Sozialstaat mit sich bringen würde.
Dabei handelt es sich bei der Zuwanderung nach Deutschland um ein sehr vielschichtiges, diverses Phänomen. 4,7 Mio. Menschen lassen sich selbstverständlich nicht über einen Kamm scheren. Sie kommen aus verschiedenen Himmelsrichtungen nach Deutschland, aus verschiedenen Beweggründen, mit unterschiedlichen (Bildungs-)Biografien und mit unterschiedlichen Zielen für ihren Aufenthalt in Deutschland. Auch in Bezug auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen lassen sich erhebliche Differenzen feststellen. Diese Vielfalt der EU-Zuwanderung deutlich werden zu lassen und damit einseitigen Sichtweisen entgegenzutreten, ist Anliegen dieses Buches.
Ziel dieses Buches ist es, zu verschiedenen wichtigen gesellschaftlichen Bereichen vorhandene Kenntnisse zusammenzutragen und so einen Beitrag zu einem differenzierten Verständnis der EU-Binnenmigration nach Deutschland zu leisten. Die Datenlage gestaltet sich dabei je nach Themenfeld sehr unterschiedlich. Während wir für die Beschreibung der Situation auf dem Arbeitsmarkt oder im Bildungssystem auf offizielle Statistiken zugreifen können, basiert die Beschreibung der Communities von EU-Zugewanderten stärker auf Social-Media-Analysen und Erkenntnissen aus explorativen Diskussionsrunden. Über Diskriminierungserfahrungen von EU-Zugewanderten wiederum können wir v. a. unter Bezugnahme auf Studien und Interviews mit Expertinnen und Experten Aussagen treffen. Entsprechend haben die in den verschiedenen Beiträgen dieses Buches dargestellten Beobachtungen und Analysen unterschiedlichen Charakter. Während in einigen Beiträgen repräsentative Aussagen über die Gesamtheit der EU-Bürgerinnen und EU-Bürger getroffen werden können, formulieren wir in anderen Beiträgen eher Thesen, die sich auf nicht-repräsentative empirische Indizien stützen. Letzteres trifft beispielsweise auf das Unterkapitel zu den politischen Aspekten der EU-Migration zu. Um größtmögliche Transparenz zu bieten und es somit der Leserschaft zu erleichtern, die Beiträge richtig einzuordnen, geben wir stets an, auf welcher Datengrundlage die einzelnen Beiträge fußen.
Aktualisiert: 2020-06-30
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Der Einwanderung und Integration wird gegenwärtig viel Aufmerksamkeit im öf-fentlichen Diskurs geschenkt. Der schnelle Zuwachs an Schutzsuchenden seit 2015 brachte eine intensive Auseinandersetzung mit den Fragestellungen der Migration und Integration in Gang und wurde zum wichtigen Thema des diesjäh-rigen Wahlkampfs für die Bundestagswahlen.
Die Arbeitsmigration aus der EU ist neben der Fluchtmigration weiterhin der zentrale Trend im Migrationsgeschehen.
Die Zuwanderung von EU-Bürgerinnen und EU-Bürgern nach Berlin steigt weiter. Knapp 40 % der in Berlin lebenden Menschen ohne deutschen Pass hat die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats der EU. Waren 2010 noch gut 150.000 Menschen mit der Staatsbürgerschaft eines anderen EU-Landes in Berlin gemel-det, stieg diese Zahl bis 2016 auf 260.400 Personen. Drei Viertel von ihnen kommt aus acht Mitgliedstaaten: Polen, Italien, Bulgarien, Frankreich, Rumä-nien, Vereinigtes Königreich, Spanien und Griechenland. Die Zuwanderung aus der EU macht somit einen wichtigen Teil des Wachstums der Stadt aus.
Den Analysen von Minor – Projektkontor für Bildung und Forschung zufolge lässt sich zum einen ein sehr hohes Arbeitsmarktpotenzial der EU-Zugewanderten feststellen – und eine gleichzeitig schwierige Umsetzung dieses Potenzials in qualifikationsadäquate Arbeitsmarktintegration. Zum anderen verändert sich die Zuwanderung, auch die aus der EU auf der Grundlage der Freizügigkeit, in ihrer Zusammensetzung der Teilgruppen, ihren Motiven und ihren Integrations-wegen in einer stetigen Dynamik.
Sowohl in Anbetracht der stark gesunkenen Quantität der Flüchtlingszuwande-rung als auch wegen der durchschnittlich relativ hohen Bildungs- und Integrati-onsanforderungen bei Geflüchteten ist die Integration von qualifizierten EU-Zu-wandernden ein weiter an Wichtigkeit gewinnendes Element der Fachkräftesi-cherung in Berlin.
Aus diesen Gründen analysiert Minor für die Berliner Senatsverwaltung für In-tegration, Arbeit und Soziales die Situation immer wieder aufs Neue: Wie sieht die Situation der EU-Zugewanderten in Berlin aus? Was für Potenziale und Her-ausforderungen bringen sie für den Arbeitsmarkt und für neue Arbeitsformen („Arbeit 4.0“) mit ein? Durch welche Zuwanderungsmotive ist die aktuelle Ein-wanderung nach Deutschland und, spezifischer, in die Hauptstadt gekennzeich-net?
Dies sind die zentralen Fragen dieser Publikation, die in drei Teile gegliedert ist:
Im ersten Teil des Bandes wird die aktuelle Situation der EU-Zugewanderten in Berlin in den Blick genommen. Es wird einerseits analysiert und dargestellt, wo diese in Berlin wohnen, andererseits wird der Frage ihrer Arbeitsmarktintegra-tion in der Hauptstadt nachgegangen.
Das erste der zwei Kapitel dieses ersten Teils konzentriert sich auf den Lebens-bereich Wohnen. Für die zehn größten EU-Zuwanderungsgruppen in Berlin wird analysiert, wie sie sich in der Hauptstadt verteilen. Als Grundlage dafür werden Daten des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg genutzt, die Auskunft darüber geben, in welchen Bezirken, Stadtteilen und Planungsräumen wie viele Men-schen einer Staatsangehörigkeit wohnhaft sind. Darüber hinaus wird die aktuelle Verteilung der EU-Bürgerinnen und EU-Bürger mit den Entwicklungen in den letzten Jahren verglichen und nachgezeichnet.
Im zweiten Kapitel wird die Arbeitsmarktintegration der acht größten EU-Zuwan-derungsgruppen betrachtet. Es wird die Situation der Personen aus Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Italien, Polen, Rumänien, Spanien und dem Vereinig-ten Königreich auf dem Berliner Arbeitsmarkt betrachtet. Dabei gehen die Auto-rinnen der Frage nach, ob und wenn ja inwiefern sich ihre Situation von der der gesamten beschäftigten Bevölkerung der Hauptstadt und des Bundesgebietes unterscheidet. Weiterhin wird analysiert, welche Auffälligkeiten sich je nach Staatsangehörigkeit beobachten lassen. Berücksichtigt werden soziodemografi-sche Faktoren wie das Alter, das Geschlecht und der Berufsabschluss sowie das Anforderungsniveau und die Arbeitsbranche der ausgeübten Tätigkeit. Diese Auswertung basiert auf Daten der Bundesagentur für Arbeit.
Im zweiten Teil der Publikation stehen die Integrationspotenziale neuer Arbeits-formen wie dem Crowdworking und der transnationalen Selbstständigkeit im
Vordergrund. Es wird untersucht, ob und wenn ja inwiefern diese neuen Arbeits-formen EU-Zugewanderten eine qualifikationsadäquate und zügige Arbeits-marktintegration ermöglichen.
In einem kurzen Überblickskapitel wird – einführend in die Thematik der zwei nachfolgenden Kapitel – das Profil der neuzugewanderten EU-Bürgerinnen und EU-Bürger in Berlin dargestellt, das Minor mithilfe von Umfragen in den Jahren 2015 und 2016 ermittelt hat. Zusammengestellt werden die zentralen Erkennt-nisse über die aktuelle Entwicklung der Zahlen der nach Berlin einwandernden EU-Bürgerinnen und EU-Bürger sowie deren soziodemografisches Profil und ihre Arbeitsmarktsituation in Berlin. Es lässt sich feststellen, dass die neuzugewan-derten EU-Bürgerinnen und EU-Bürger in Berlin häufig gut qualifiziert, jung und hinsichtlich ihrer Aufenthaltsdauer flexibel sind. Dennoch haben sie oft Schwie-rigkeiten bei der Arbeitsmarktintegration. Vor allem geringe Deutschkenntnisse und fehlende professionelle Netzwerke erweisen sich als herausfordernd.
Der Darstellung des Profils der neuzugwanderten EU-Bürgerinnen und EU-Bür-ger folgt Kapitel vier (das zweite Kapitel dieses Teils), das die (transnationale) Selbstständigkeit betrachtet. Berlin liegt mit einer Selbstständigenquote von 16 % sechs Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt. Kennzeichnend für die Hauptstadt ist zudem, dass hier jede zweite Gründerin bzw. jeder zweite Grün-der nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt und dass sich der Zu-wachs an Gründungen von Startups insbesondere in der Medien-, der Technolo-gie- und der Kreativbranche verzeichnen lässt. Im Hinblick darauf untersuchen die Autorinnen dieses Kapitels den Zusammenhang der Entwicklung von dieser neuen Arbeitsform mit den wachsenden Einwanderungszahlen aus der EU nach Berlin. Dabei wird der besondere Fokus auf die mit dieser Arbeitsform verbun-denen Vor- und Nachteile gelegt.
Im fünften Kapitel steht eine weitere, neue, flexible Arbeitsform, die sich im Zuge zunehmender Digitalisierung und Vernetzung über das Internet entwickelt hat, im Mittelpunkt. Crowdworking kann eine Chance für zugewanderte EU-Bürge-rinnen und EU-Bürger in Berlin bedeuten, deren Zugang zum regulären Arbeits-markt sich häufig als erschwert darstellt. In diesem Zusammenhang analysieren Autorinnen und Autoren die Potenziale und Herausforderungen dieser Arbeits-form bei der Arbeitsmarktintegration der neuzugewanderten EU-Bürgerinnen und EU-Bürger. Darüber hinaus dargestellt werden Ergebnisse einer explorativen
Umfrage von Minor, die einen ersten Einblick in die Erfahrungen der EU-Zuge-wanderten in Berlin mit dieser neuen Arbeitsform gewährleisten. Ein besonderer Fokus wird – mit Berücksichtigung externer Studien sowie Erkenntnissen aus ei-nem Austausch mit Expertinnen und Experten – auf die Potenziale, aber auch die Gefahren von Crowdworking gelegt.
Der dritte Teil des Bandes widmet sich der Analyse der möglichen neuen Migra-tionsmotive der Zuwandernden aus der EU nach Berlin. Es lässt sich beobachten, dass EU-Neueinwandernde unterschiedliche Wanderungsmotive mitbringen. Neben der Zuwanderung aufgrund der Suche nach Arbeit bzw. besseren Arbeits-bedingungen ist auch die Suche nach einem liberalen und toleranten Lebensum-feld ein wichtiger Grund, andere Staaten (v. a. solche mit stark nationalistischen Regierungen) in Richtung Berlin zu verlassen. In dem Artikel: „Offenes Berlin“ gehen die Autorinnen der Frage nach, ob derzeit von einer politischen Zuwande-rung aus der EU nach Berlin zu sprechen ist. Steigt die Migrationsbereitschaft derjenigen, die mit den politischen Entwicklungen in ihren Herkunftsländern nicht zufrieden sind? Hält es bereits im Ausland Lebende davon ab, in ihre Her-kunftsländer zurückzukehren? Der Hintergrund dieser Analyse ist der Umstand, dass in den letzten Jahren eine Reihe einschneidender politischer Veränderun-gen in einigen EU-Staaten stattgefunden hat. In diesem Zusammenhang darge-stellt werden einige von diesen Phänomenen: Das Erstarken (rechts-)populisti-scher Bewegungen, ein Rückbesinnen auf nationalistische Interessen und eine Ausbreiten von Euroskepsis in einigen EU-Ländern. Des Weiteren stellen die Au-torinnen des Artikels die Erkenntnisse aus der von Minor 2017 durchgeführten Veranstaltungsreihe: „Offenes Berlin“ dar, die sich an in Berlin lebende EU-Bür-gerinnen und EU-Bürger aus Polen, Ungarn und dem Vereinigten Königreich rich-tete und die Anregung einer Diskussion über die aktuellen Migrationsmotive aus diesen Herkunftsländern nach Berlin zum Ziel hatte.
Aktualisiert: 2022-12-31
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