Dekarbonisierung ist das Schlüsselwort für die nächsten Dekaden. In historisch einmaliger Weise hat sich die Weltgemeinschaft im Pariser Abkommen zu diesem Ziel bekannt, wenn auch in der etwas unklareren Version der „Klimaneutralität“, die einem ganzen Bündel von Kompensationsmechanismen und fragwürdiger CO2-Bilanzierung das Tor öffnet. 2050 soll das Ziel erreicht werden. Seit der Unterzeichnung des Abkommens am 12. Dezember 2015 ist viel passiert: die Covid-19-Pandemie, einschließlich Wirtschaftskrise und der Ukraine-Krieg mit einer Explosion der Preise für Energie und Weizen. Und während das Pariser Abkommen noch aus einer Zeit der globalen Kooperation zu kommen scheint, stehen nun die Zeichen auf ein Revival von Geopolitik, das durch die Konkurrenz und Konfrontation großer Blöcke bestimmt ist. Ohne Zweifel, die Lage ist unübersichtlich und hat in Europa eine einigermaßen klar definierte Agenda für das Vorantreiben der Dekarbonisierung ins Wanken gebracht. Plötzlich ist Kohle wieder gefragt und die Brücken(-technologie) Gas in Teilen eingestürzt.
Aber 2022 kamen auch die Bilder von brennenden Wäldern nicht mehr nur aus Amazonien, sondern auch aus Frankreich und Brandenburg. Eine lange Periode der Trockenheit und ungekannte Hitzewellen haben das Klimathema wieder zurück in die öffentliche Aufmerksamkeit gebracht, so wie das Ziel, zumindest langfristig weitgehend von Öl und Gas unabhängig zu werden. Trotz vieler Verwirrungen für die kurzfristigen Perspektiven bleibt also die Langzeitperspektive Dekarbonisierung/Klimaneutralität aktuell, und wird sowohl im deutschen Klimaschutzplan wie in dem European Green Deal der EU konkretisiert.
Es ist dieser Kontext, der dem Konzept einer „Bioökonomie“ Bedeutung verleiht. Zwar konzentrieren sich in Europa die Kräfte der Dekarbonisierung auf den Ausbau von Wind- und Sonnenenergie, welche nicht zur Bioökonomie zu rechnen sind. Aber der Einsatz natürlicher Ressourcen (als Biomasse) ist sozusagen die zweite Säule für die Strategien der Dekarbonisierung und hat auch bereits jetzt eine große Bedeutung, die gerade in Europa oft unterschätzt wird. Das Verbrennen von Holz zu Heizzwecken, der Einsatz von „Biosprit“, all das ist Bioökonomie. Dazu kommt, dass die bioenergetische Nutzung nachwachsender Rohstoffe in Europa nach wie vor die meistgenutzte erneuerbare Energiequelle ist.
Bioökonomie ist daher mehr als ein Buzzword und eine Modeerscheinung, es ist eine entscheidende Baustelle der Dekarbonisierung. Allerdings ist Bioökonomie auch ein sehr weit gefasstes Feld, das von unterschiedlichen Akteuren aufgriffen wird. Landwirtschaft gehört nach allen gängigen Definitionen zu Bioökonomie. Vor diesem Hintergrund ist Bioökonomie auch ein Feld, in dem global um Welternährung und/oder Ernährungssouveränität gerungen wird. Ankoppeln können sich an das Konzept auch die Konzerne, die durch Gentechnologie, Digitalisierung und massiven Einsatz von Agrargiften die Produktivität der Landwirtschaft steigern wollen, um so ‚die Welt zu ernähren‘. In dieser Gemengelage wird die Bioökonomie zugleich zum Hoffnungsträger wie zum Schreckgespenst. Mehr als ein klar definiertes Konzept markiert Bioökonomie eine Kampfzone verschiedener gesellschaftlicher Kräfte und ihrer Visionen einer sozial-ökologischen Transformation.
Diese Kampfzone ist so global wie die Landwirtschaft. Es ist inzwischen Allgemeinwissen, dass die europäische Landwirtschaft von Importen abhängig ist. Das gesamte Modell der hiesigen Fleischproduktion hängt an Sojaimporten aus Argentinien, Brasilien und den USA. Umgekehrt ist das Agrarmodell dieser Länder abhängig von den multinational agierenden Chemie- und Saatgutkonzernen wie Bayer/Monsanto und BASF. Für die Bioökonomie und deren Nachhaltigkeitsanspruch ist die Frage zentral, wo die notwendige Biomasse herkommen soll und unter welchen Bedingungen sie produziert wird. In diesem Kontext richtet die vorliegende Publikation den Blick auf Lateinamerika, mit deutlichem Schwerpunkt auf Brasilien. Denn wenn es ein Bioökonomieland auf diesem
Planeten gibt, dann ist es Brasilien –ein Gigant aufgrund seiner Natur, wie es in der brasilianischen Nationalhymne heißt.
Die Beiträge von Thomas Fatheuer (Kapitel 2 und 3) analysieren das Beispiel Brasilien und zeigen auf, wie in der tropischen Agrargroßmacht Bioökonomie vom Agrobusiness gekapert worden ist. Aber dabei dient Bioökonomie nicht nur dem Greenwashing des Agrobusiness, es ist auch ein Werkzeug, technologische Innovationen voranzutreiben und den Agrarsektor als Teil einer Dekarbonisierungsrhetorik neu aufzustellen. In diesem Kontext kommt dem ausführlich abgehandelten Zuckerrohr-Ethanol-Komplex eine herausragende und strategische Bedeutung zu. Allerdings fehlt der brasilianischen Bioökonomie ein belastbares Konzept von Nachhaltigkeit und eine Transformationsperspektive. Wie die Einordnung in das größere Bild der Entwicklung der Energieversorgung in Brasilien zeigt: zusammen mit dem Bioökonomiesektor soll auch die Förderung von Erdöl und Gas wachsen.
Der Beitrag von Thomas Vogelpohl vertieft einen zentralen Aspekt des brasilianischen Modells der Bioökonomie (Kapitel 4). Deren dynamischster Sektor ist die Produktion von Ethanol auf der Basis von Zuckerrohr. Mit dem Programm Renavabio soll nun auch das Potential eines CO2-Marktes erschlossen werden, eine Schlüsselstrategie in der neoliberalen Vision der Dekarbonisierung.
Fabricio Rodríguez beleuchtet in seinem Beitrag die unterschiedlichen Facetten des Handels mit Agrarprodukten, die im Kontext der Bioökonomie nun auch zur Biomasse deklariert werden (Kapitel 5). Dieser Handel reproduziert globale Ungleichheiten und es fehlt ihm jeglicher Bezug zu Gerechtigkeitsfragen und der Überwindung der sozialen Spaltung der Welt.
Ein kurzer Ausblick auf weitere Länder des Subkontinents (Kapitel 6) mit den Beiträgen von Anne Tittor, Philip Koch und Thomas Fatheuer zeigt in Argentinien ähnliche Tendenzen wie in Brasilien, während in Ecuador und Kolumbien Bioökonomie mit einer anderen Bedeutung verbunden wird. In diesen Ländern ist Bio nicht das neue Wort für Agro, sondern es stellt den Bezug zur Biodiversität her. Beide Länder sehen Biodiversität als strategische Ressource und in deren kommerzieller Nutzung einen wichtigen Baustein für eine Green Economy.
Dem Resümee (Kapitel 8) zu dieser Publikation nachgestellt findet sich als Anhang ein ergänzender Beitrag von Camila Moreno (Kapitel 9). Sie versucht sich in einen Überblick über das komplexe globale Koordinatenfeld, in dem die Bioökonomie heute eingelassen ist und zeichnet nach, wie sich die Agenda für eine Bioökonomie im Kontext eines globalen Klima- und Umwelt-Governance-Rahmens entwickelt. Der Text kann in seiner Kürze nicht alle diese Felder analysieren, er bietet jedoch Anstöße für weitere Debatten und zeigt die vielfältigen sowie teilweise widersprüchlichen globalen Tendenzen im Übergang zu einer „Green Economy“ auf.
Aktualisiert: 2023-05-11
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Dekarbonisierung ist das Schlüsselwort für die nächsten Dekaden. In historisch einmaliger Weise hat sich die Weltgemeinschaft im Pariser Abkommen zu diesem Ziel bekannt, wenn auch in der etwas unklareren Version der „Klimaneutralität“, die einem ganzen Bündel von Kompensationsmechanismen und fragwürdiger CO2-Bilanzierung das Tor öffnet. 2050 soll das Ziel erreicht werden. Seit der Unterzeichnung des Abkommens am 12. Dezember 2015 ist viel passiert: die Covid-19-Pandemie, einschließlich Wirtschaftskrise und der Ukraine-Krieg mit einer Explosion der Preise für Energie und Weizen. Und während das Pariser Abkommen noch aus einer Zeit der globalen Kooperation zu kommen scheint, stehen nun die Zeichen auf ein Revival von Geopolitik, das durch die Konkurrenz und Konfrontation großer Blöcke bestimmt ist. Ohne Zweifel, die Lage ist unübersichtlich und hat in Europa eine einigermaßen klar definierte Agenda für das Vorantreiben der Dekarbonisierung ins Wanken gebracht. Plötzlich ist Kohle wieder gefragt und die Brücken(-technologie) Gas in Teilen eingestürzt.
Aber 2022 kamen auch die Bilder von brennenden Wäldern nicht mehr nur aus Amazonien, sondern auch aus Frankreich und Brandenburg. Eine lange Periode der Trockenheit und ungekannte Hitzewellen haben das Klimathema wieder zurück in die öffentliche Aufmerksamkeit gebracht, so wie das Ziel, zumindest langfristig weitgehend von Öl und Gas unabhängig zu werden. Trotz vieler Verwirrungen für die kurzfristigen Perspektiven bleibt also die Langzeitperspektive Dekarbonisierung/Klimaneutralität aktuell, und wird sowohl im deutschen Klimaschutzplan wie in dem European Green Deal der EU konkretisiert.
Es ist dieser Kontext, der dem Konzept einer „Bioökonomie“ Bedeutung verleiht. Zwar konzentrieren sich in Europa die Kräfte der Dekarbonisierung auf den Ausbau von Wind- und Sonnenenergie, welche nicht zur Bioökonomie zu rechnen sind. Aber der Einsatz natürlicher Ressourcen (als Biomasse) ist sozusagen die zweite Säule für die Strategien der Dekarbonisierung und hat auch bereits jetzt eine große Bedeutung, die gerade in Europa oft unterschätzt wird. Das Verbrennen von Holz zu Heizzwecken, der Einsatz von „Biosprit“, all das ist Bioökonomie. Dazu kommt, dass die bioenergetische Nutzung nachwachsender Rohstoffe in Europa nach wie vor die meistgenutzte erneuerbare Energiequelle ist.
Bioökonomie ist daher mehr als ein Buzzword und eine Modeerscheinung, es ist eine entscheidende Baustelle der Dekarbonisierung. Allerdings ist Bioökonomie auch ein sehr weit gefasstes Feld, das von unterschiedlichen Akteuren aufgriffen wird. Landwirtschaft gehört nach allen gängigen Definitionen zu Bioökonomie. Vor diesem Hintergrund ist Bioökonomie auch ein Feld, in dem global um Welternährung und/oder Ernährungssouveränität gerungen wird. Ankoppeln können sich an das Konzept auch die Konzerne, die durch Gentechnologie, Digitalisierung und massiven Einsatz von Agrargiften die Produktivität der Landwirtschaft steigern wollen, um so ‚die Welt zu ernähren‘. In dieser Gemengelage wird die Bioökonomie zugleich zum Hoffnungsträger wie zum Schreckgespenst. Mehr als ein klar definiertes Konzept markiert Bioökonomie eine Kampfzone verschiedener gesellschaftlicher Kräfte und ihrer Visionen einer sozial-ökologischen Transformation.
Diese Kampfzone ist so global wie die Landwirtschaft. Es ist inzwischen Allgemeinwissen, dass die europäische Landwirtschaft von Importen abhängig ist. Das gesamte Modell der hiesigen Fleischproduktion hängt an Sojaimporten aus Argentinien, Brasilien und den USA. Umgekehrt ist das Agrarmodell dieser Länder abhängig von den multinational agierenden Chemie- und Saatgutkonzernen wie Bayer/Monsanto und BASF. Für die Bioökonomie und deren Nachhaltigkeitsanspruch ist die Frage zentral, wo die notwendige Biomasse herkommen soll und unter welchen Bedingungen sie produziert wird. In diesem Kontext richtet die vorliegende Publikation den Blick auf Lateinamerika, mit deutlichem Schwerpunkt auf Brasilien. Denn wenn es ein Bioökonomieland auf diesem
Planeten gibt, dann ist es Brasilien –ein Gigant aufgrund seiner Natur, wie es in der brasilianischen Nationalhymne heißt.
Die Beiträge von Thomas Fatheuer (Kapitel 2 und 3) analysieren das Beispiel Brasilien und zeigen auf, wie in der tropischen Agrargroßmacht Bioökonomie vom Agrobusiness gekapert worden ist. Aber dabei dient Bioökonomie nicht nur dem Greenwashing des Agrobusiness, es ist auch ein Werkzeug, technologische Innovationen voranzutreiben und den Agrarsektor als Teil einer Dekarbonisierungsrhetorik neu aufzustellen. In diesem Kontext kommt dem ausführlich abgehandelten Zuckerrohr-Ethanol-Komplex eine herausragende und strategische Bedeutung zu. Allerdings fehlt der brasilianischen Bioökonomie ein belastbares Konzept von Nachhaltigkeit und eine Transformationsperspektive. Wie die Einordnung in das größere Bild der Entwicklung der Energieversorgung in Brasilien zeigt: zusammen mit dem Bioökonomiesektor soll auch die Förderung von Erdöl und Gas wachsen.
Der Beitrag von Thomas Vogelpohl vertieft einen zentralen Aspekt des brasilianischen Modells der Bioökonomie (Kapitel 4). Deren dynamischster Sektor ist die Produktion von Ethanol auf der Basis von Zuckerrohr. Mit dem Programm Renavabio soll nun auch das Potential eines CO2-Marktes erschlossen werden, eine Schlüsselstrategie in der neoliberalen Vision der Dekarbonisierung.
Fabricio Rodríguez beleuchtet in seinem Beitrag die unterschiedlichen Facetten des Handels mit Agrarprodukten, die im Kontext der Bioökonomie nun auch zur Biomasse deklariert werden (Kapitel 5). Dieser Handel reproduziert globale Ungleichheiten und es fehlt ihm jeglicher Bezug zu Gerechtigkeitsfragen und der Überwindung der sozialen Spaltung der Welt.
Ein kurzer Ausblick auf weitere Länder des Subkontinents (Kapitel 6) mit den Beiträgen von Anne Tittor, Philip Koch und Thomas Fatheuer zeigt in Argentinien ähnliche Tendenzen wie in Brasilien, während in Ecuador und Kolumbien Bioökonomie mit einer anderen Bedeutung verbunden wird. In diesen Ländern ist Bio nicht das neue Wort für Agro, sondern es stellt den Bezug zur Biodiversität her. Beide Länder sehen Biodiversität als strategische Ressource und in deren kommerzieller Nutzung einen wichtigen Baustein für eine Green Economy.
Dem Resümee (Kapitel 8) zu dieser Publikation nachgestellt findet sich als Anhang ein ergänzender Beitrag von Camila Moreno (Kapitel 9). Sie versucht sich in einen Überblick über das komplexe globale Koordinatenfeld, in dem die Bioökonomie heute eingelassen ist und zeichnet nach, wie sich die Agenda für eine Bioökonomie im Kontext eines globalen Klima- und Umwelt-Governance-Rahmens entwickelt. Der Text kann in seiner Kürze nicht alle diese Felder analysieren, er bietet jedoch Anstöße für weitere Debatten und zeigt die vielfältigen sowie teilweise widersprüchlichen globalen Tendenzen im Übergang zu einer „Green Economy“ auf.
Aktualisiert: 2023-02-09
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Manche einfachen Fragen sind schwer zu beantworten. So die Frage: Wem gehört eigentlich Amazonien? Sie führt direkt in das schwierige Gelände der Landfrage in Amazonien oder, wie es auf Portugiesisch heißt, der questão fundiária. Alle, die sich mit Brasilien beschäftigen, lernen schnell, dass dies eine ganz wichtige Frage ist, die aber kaum zu überschauen, geschweige denn zu lösen ist. Wie in alten Palimpsesten legen sich Schichten von Dokumenten über viele Landstriche in Amazonien, so dass man oft von mehreren Etagen von Ansprüchen an Land spricht.
Neue Aktualität hat die questão fundiária durch die internationale Diskussion um die richtige Strategie zur Reduzierung von Entwaldung erhalten. Längst ist die Zerstörung des Amazonasregenwaldes zu einem globalen Desaster geworden, beobachtet von einer aufmerksamen und kritischen Öffentlichkeit. Entwaldung ist nicht mehr eine lokale Entwicklung, sondern ist ein wichtiger Faktor der beiden globalen Krisen, die die Lebensgrundlage der Menschheit zu zerstören drohen: der sich zuspitzenden Klimakrise und des dramatischen weltweiten Verlustes von Biodiversität. Ist man sich – zumindest international – weitgehend einig, dass die Entwaldung so schnell wie möglich gestoppt werden muss, so bleibt doch die Frage umstritten, wie das denn gelingen kann. Lange Zeit richtete sich die Aufmerksamkeit auf die Viehwirtschaft als dem wichtigsten Treiber von Entwaldung. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass auf mindesten zwei Dritteln der entwaldeten Flächen Rinderweiden angelegt sind. Einige Forscher:innen weisen aber schon seit längerem darauf hin, dass am Anfang der Entwaldung die Aneignung von Land – zu welchem Zweck auch immer – steht.
In einer sehr lesenswerten Reportage über Amazonien zitiert der Filmemacher João Moreira Salles einen Forscher aus Princeton (Michael Oppenheimer), der nach einer langen Debatte ausruft: „Endlich habe ich die Logik der Eroberung Amazoniens verstanden. Es geht nicht um das Rind, es geht um Land.“ − „Es ging immer um Land“, fügt Moreira Salles hinzu. Andere hatten schon seit längerem die Logik der Aneignung von Land in den Mittelpunkt der Analysen gestellt, allen voran Maurício Torres und seine Mitautor:innen mit der wichtigen Publikation „Dono é quem desmata“ – Wer entwaldet, ist der Herr des Landes. Eine andere bedeutende Publikation von Maurício Torres liegt nun in gekürzter Fassung auf Deutsch vor: „Landraub in Amazonien für Anfänger. Die private Aneignung von Land für den Waldschutz“.
Die hier vorliegende Publikation soll nun diese Debatte fortführen, aktualisieren und erweitern. Dabei geht es zentral um ein Instrument, das als Umweltinstrument im neuen Waldgesetz (código florestal) 2012 eingeführt wurde, aber umstritten ist: das sogenannte Umweltkataster für den ländlichen Raum, CAR – Cadastro Ambiental Rural. Dieses sieht vor, den Waldschutz bei Waldflächen im Privatbesitz sicherzustellen, indem satellitengestützt überwacht wird, dass 80% der Fläche jedes Privatbesitzes mit Wald bedeckt ist oder entsprechend wieder aufgeforstet wird. Während Befürworter:innen mit dem Instrument große Hoffnungen auf eine effektive Bekämpfung der Entwaldung verbinden, befürchten Kritiker:innen, dass es missbraucht wird, um Landraub zu legalisieren. In der vorliegenden Publikation bilden wir diese Diskussion ab: Nach einer kurzen Einführung in die komplexe Gemengelage der questão fundiária von Thomas Fatheuer (Kapitel 2), diskutieren drei Beiträge das Thema Landraub und Entwaldung im brasilianischen Amazonasgebiet mit einem besonderen Fokus auf verschiedene Aspekte des Umweltkatasters CAR (Kapitel 3). Maurício Torres ordnet CAR in die Geschichte der grilagem ein und zeigt an dem Beispiel eines indigenen Territoriums, wie CAR für Versuche der Aneignung von Land genutzt wird. Jan Börner argumentiert, dass trotz aller Probleme CAR ein wichtiges Instrument zum Waldschutz werden kann. Eliane Moreira legt dar, wie die brasilianische Staatsanwaltschaft (ministério público) versucht, dem Missbrauch von CAR zu begegnen.
Doch in der aktuellen Debatte um Amazonien geht es nicht nur um die alten Praktiken des Landraubs mit modernen Methoden, sondern auch um neue Ansätze zur „Inwertsetzung“ der Region. Dabei hat das Versprechen einer „Bioökonomie“ neue Zentralität erlangt, obgleich diese nur unscharf definiert bleibt. Entsprechend ausführlich diskutieren deshalb Maria Backhouse und Thomas Fatheuer die Möglichkeiten und Fallstricke der Konzepte einer Bioökonomie in Amazonien (Kapitel 4).
Alternativen zu diesen Ansätzen der Inwertsetzung von außen existieren, sie werden insbesondere von indigenen Völkern in die nationalen und internationalen Debatten eingebracht. Einen kurzen Blick auf diese Alternativen wirft das Schlusskapitel.
Aktualisiert: 2023-04-06
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Die Suche nach dem Guten Leben ist weltweit in Gang gesetzt. Machen auch wir uns auf den Weg! Der Werkbrief führt an grundsätzliche Fragen nach dem „Guten Leben“ heran. Dabei bietet er einen ersten Zugang zu indigenen Weltanschauungen und den politischen Konzepten „Buen Vivir“ aus Lateinamerika.
„Buen Vivir“ darf dabei, ebenso wenig wie der Werkbrief, als Patentrezept verstanden werden. Vielmehr regen die Inhalte an, sich selbst zu fragen, was das eigene Leben mit dem Miteinander der Menschen, der Gemeinschaft und allen Lebewesen zu tun hat. Die Überlegungen, aber auch die gelebte Praxis in den indigenen Gemeinschaften können die Auseinandersetzung mit Wegen eines „Guten Lebens für alle“ in jedem Fall bereichern.
Neben persönlichen Perspektiven verbinden wir zwischenmenschliche Fragen im Kleinen mit großen gesellschaftspolitischen Themen und Fragen des Zusammenlebens und des Umgangs mit unseren Lebensgrundlagen, unserer „Mitwelt“. Praxisanregungen für die Jugendarbeit machen die Suche nach dem Guten Leben greifbar und erfahrbar.
Aktualisiert: 2022-12-08
Autor:
Mervyn Abrahams,
Alberto Acosta,
Juliane Diller,
Jana Echterhoff,
Theresa Ehrmaier,
Thomas Fatheuer,
Christian Felber,
Alexandra Fröhlich,
Deyanet Garzón,
Claudia Kolletzki,
Thomas Mueller,
Elena Muguruza,
Martin Rasper,
Regina Reinart,
Margot Rodriguez,
Theresa Schäfer,
Emmanuel Schlichter,
Barbara J. Th. Schmidt,
Heinz Schulze,
Pablo Solón,
Christoph Steinbrink,
Maria Stöckl,
Corinna Würzberger
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Im europäischen Sommer 2019 schockierten die Bilder des brennenden Regenwaldes Amazoniens die Welt. Und auch wenn im seit Anfang 2020 die Corona Pandemie alles in den Hintergrund drängte, geht die Zerstörung weiter. Der brennende Regenwald wird längst als globales Problem wahrgenommen, denn ohne die Eindämmung der Entwaldung sind die Klimaziele des Pariser Abkommens genauso wenig zu erreichen wie die Erhaltung der globalen Biodiversität.
Der größte Teil des Amazonaswaldes befindet sich in Brasilien – und wird damit von einer der problematischsten Regierungen der Welt verwaltet: der Regierung des rechtsradikalen Präsidenten Bolsonaro. Aber – auch das ist inzwischen allgemein bekannt – der Amazonas brennt, um Viehweiden und Sojafelder anzulegen. Dies dient nicht der Ernährung der lokalen Bevölkerung, sondern dem Exporte in die urbanen Zentren Brasiliens und in das Ausland. Die Entwaldung ist mit den internationalen Handelsströmen genauso verknüpft wie mit der der Aneignung von Land in Brasilien.
Ende 2017 und Anfang 2019 hat der Autor dieser Publikation in zwei Veröffentlichungen versucht, einen Überblick zu den Ursachen und der Dynamik der Entwaldung zu geben und die Strategien, selbige einzudämmen, zu beleuchten: das Dossier Amazonien: Entwaldung „Entwicklung“ und Widerstand wurde vom FDCL veröffentlicht und Amazonien heute von der Heinrich-Böll-Stiftung. Die hier vorliegende Publikation baut auf diese auf und aktualisiert sie. Der Schwerpunkt liegt auf den Entwicklungen in Brasilien und einer Bilanz der Folgen der ersten zwei Jahre der Regierung Bolsonaro für Amazonien. Spezifische Aspekte werden dabei in den Blick genommen, andere wichtige Themen aber nicht oder nur am Rande behandelt. Dies gilt bspw. für das EU-Mercosur Abkommen, zu dessen absehbaren Auswirkungen mittlerweile einige gute Publikationen vorliegen. Hervorgehoben sei hier die von Misereor herausgegebene Studie: Das EU-Mercosur
– Abkommen auf dem Prüfstand. Soziale Ökologische und menschenrechtliche Konsequenzen. Einen allgemeinen Überblick zur Regierung Bolsonaro mit einem besonderen Schwerpunkt auf der Rolle der deutschen Wirtschaft gibt die vom FDCL und der Rosa-Luxemburg-Stiftung veröffentlichte Studie: Extraktivismus und Territorialkonflikte in Brasilien. Deutsch – Brasilianische Beziehungen auf dem Prüfstand. 2020 hat Amazon Watch zusammen mit der Articulação dos Povos Indígenas do Brasil – APIB ein wichtiges Dossier (auf Englisch und Portugiesisch) zur Rolle internationaler Investitionen bei der Zerstörung Amazoniens veröffentlicht.
Aktualisiert: 2021-09-09
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„The target has not been achieved“ – Das Ziel wurde nicht erreicht. Dies ist wohl der häufigste Satz des im September 2020 veröffentlichten Global Biodiversity Outlook des Sekretariats der UN-Konvention zum Schutz der Biodiversität (CBD). Gemeint sind die strategischen Ziele, die sich die Vertragsstaaten der CBD 2010 in Japan gesetzt hatten, auch als Aichi Ziele bekannt. Trotz einiger Fortschritte ist die Bilanz katastrophal. Viele der Ziele wurden nicht nur verfehlt, der Verlust der biologischen Vielfalt ist weltweit sogar noch fortgeschritten.
Eigentlich sollte 2020 ein Schlüsseljahr für die Zukunft der Biodiversität werden, aber dann kam die Corona-Pandemie. Die ursprünglich für Oktober 2020 angesetzte CBDKonferenz, die in China neue Ziele für die internationale Biodiversitätspolitik beschließen sollte, wurde auf 2021 verschoben.
Bereits im Jahre 2019 wurden zwei Berichte veröffentlicht, die für die Debatte um die Zukunft von Klima- und Biodiversitätspolitik grundlegend sind. Gemeint sind die Berichte des Weltklimarates (IPCC) und des Biodiversitätsrates (IPBES), die sich mit den Fragen der Landnutzung beschäftigen. Denn eines wird immer deutlicher: Bei den Verhandlungen über Strategien gegen Klimawandel und Biodiversitätsverlust rückt die Frage der Landnutzung immer mehr in den Mittelpunkt. Beide Berichte bilden eine gute Zusammenfassung des „state of the art“ und zeigen wichtige Handlungsperspektiven auf. Dabei hat die Corona-Pandemie die Aktualität dieser Berichte noch verstärkt: Denn sie haben bereits vor ihr darauf hingewiesen, dass die Ausweitung intensiver Landnutzung und die Vernichtung von Naturräumen die Gefahr erhöht, dass Seuchen und Krankheiten ausbrechen und sich weiterverbreiten. Die vorliegende Publikation fasst einige zentrale Aussagen dieser Fachberichte im Kontext der aktuellen Debatten um Landnutzung klar und übersichtlich zusammen. Corona hat ihre Veröffentlichung verzögert, sie kommt aber zu einem guten Zeitpunkt, um die Debatten im Vorfeld der Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention 2021 zu bereichern und zu schärfen.
Aktualisiert: 2021-07-01
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Brasilien ist die Zuckerweltmacht Nr. 1. Dennoch war es um das Zuckerrohr in Brasilien ruhig geworden – anders als Soja stand es nicht im Mittelpunkt internationaler Debatten. Doch mit dem EU-Mercosur-Handelsabkommen und den darin enthaltenen Regelungen zur Liberalisierung der Agrarimporte Europas aus dem Mercosur-Raum und der Festlegung von Importquoten für u.a. das aus Zuckerrohr gewonnene Ethanol, hat sich dies geändert: Die EU soll 450.000 Tonnen Ethanol zollfrei – für chemische Zwecke – sowie 200.000 Tonnen mit einem sehr geringen Zoll – insbesondere zur Nutzung als Benzinersatz – aus den Mercosur-Staaten importieren können. Dies entspricht fast der Hälfte der derzeitigen Gesamt-Ethanolexporte aus der Region. Der mit Abstand größte Ethanol-Produzent und -exporteur ist Brasilien und so ist ein Anstieg der Produktion von Zuckerrohr zur Ethanolherstellung vor allem dort absehbar. Es passt zu diesem Bild, dass die Regierung Bolsonaro das Ende eines seit 2009 bestehenden Moratoriums verkündete, das den Zuckerrohranbau in der Amazonasregion untersagte – Proteste von Umweltgruppen und Prominenten blieben ergebnislos. Es steht zu befürchten, dass nun die Zuckerrohrmonokulturen auch in das Amazonasgebiet vordringen. Der ehemalige Umweltmister Carlos Minc bezeichnete die Aufhebung des Moratoriums als eine Umwelttragödie.
Aktualisiert: 2021-01-27
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Die ökonomischen und ökologischen Grundlagen eines allgemeinen Wohlstands sind in Gefahr, die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Das Konzept der 'Grünen Ökonomie' will als neues Leitbild Lösungen anbieten. Im Zentrum aktuellen Wirtschaftens stehen meist Großtechnologien, die global agierenden Unternehmen noch mehr Kontrolle über zentrale Bereiche unseres Lebens gewähren. Doch können 'grüne' Technologien eine Lösung sein, wenn sie den Konsum weiter anheizen? Wer kommt für die Folgekosten von Atomstrom, Fracking & Co. auf? Das Buch unterzieht die Grüne Ökonomie einer kritischen Prüfung, testet ihre Versprechen, erörtert ihre Möglichkeiten, beschreibt die tatsächlichen Konsequenzen, nennt ihre blinden Flecke – und skizziert einen Weg, um globale Krisen auch unter sozialen Gesichtspunkten zu meistern.
Aktualisiert: 2020-09-17
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Die ökonomischen und ökologischen Grundlagen eines allgemeinen Wohlstands sind in Gefahr, die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Das Konzept der 'Grünen Ökonomie' will als neues Leitbild Lösungen anbieten. Im Zentrum aktuellen Wirtschaftens stehen meist Großtechnologien, die global agierenden Unternehmen noch mehr Kontrolle über zentrale Bereiche unseres Lebens gewähren. Doch können 'grüne' Technologien eine Lösung sein, wenn sie den Konsum weiter anheizen? Wer kommt für die Folgekosten von Atomstrom, Fracking & Co. auf? Das Buch unterzieht die Grüne Ökonomie einer kritischen Prüfung, testet ihre Versprechen, erörtert ihre Möglichkeiten, beschreibt die tatsächlichen Konsequenzen, nennt ihre blinden Flecke – und skizziert einen Weg, um globale Krisen auch unter sozialen Gesichtspunkten zu meistern.
Aktualisiert: 2020-01-01
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Wem gehört das Land und wie wird es genutzt – das ist eine Grundfrage gesellschaftlicher Entwicklung. Gerade in Lateinamerika stand die „Landfrage“ oft im Mittelpunkt der politischen Debatten. Wenig produktive Latifundien auf der einen Seite und der Kampf von Kleinbauern und Kleinbäuerinnen um das Land auf der anderen Seite prägten die Wahrnehmung des Kontinents. Und trotz aller Urbanisierung gilt auch heute noch Via Campesina als die wichtigste soziale Bewegung des Kontinents.
Unübersehbar ist aber auch, dass die Landfrage tiefgreifende Metamorphosen erlebt hat und noch erlebt. Landnutzung ist inzwischen in ein Netz unterschiedlicher Ansprüche, Begehrlichkeiten und Tendenzen eingebunden. Neben den klassischen Funktionen, Nahrungs- und Futtermittel bereitzustellen, produziert die Landwirtschaft auch verschiedenste pflanzliche Rohstoffe, wie Fasern für Kleidung und Papier, sowie zunehmend Energie – Food, Feed, Fibre, Fuel so lautet die griffige Kurzformel. Und immer noch ist etwa 1/3 der Landfläche der Erde mit Wäldern bedeckt, die auch für Holzproduktion und für die Energieerzeugung genutzt werden. Zunehmend wird aber die Bedeutung von Wäldern und anderen Naturräumen (z.B. Feuchtgebieten) für den Erhalt der Biodiversität und die Bekämpfung des Klimawandels erkannt. Strategien des Waldschutzes sind heute aufs Engste mit dem Klimadiskurs verzahnt.
Die alte Landfrage ist im Widerstreit von Interessen und Strategien unübersichtlicher geworden. Umso wichtiger ist es, neue Dynamiken und Tendenzen genau zu analysieren. Eine der auffälligsten Entwicklungen in der Landnutzung der letzten zwanzig Jahre ist die steile Karriere des Palmöls. Seit 1990 verdreifachte sich die Anbaufläche und hat inzwischen die Marke von 17 Millionen Hektar überschritten – mehr als die Ackerfläche Deutschlands (12 Millionen Hektar). Innerhalb kürzester Zeit ist Palmöl zu einem fast ubiquitär verwendeten Rohstoff geworden, der sich in so unterschiedlichen Produkten wie Waschmitteln, Schokolade und Dieselkraftstoff wiederfindet. Gleichzeitig ist Palmöl aber auch zu einem Symbol der Umweltzerstörung geworden: die Bilder der brennenden Regenwälder in Indonesien und Malaysia sind omnipräsent. Die Zerstörung des Regenwaldes in Südostasien ist eine der gravierendsten Umweltkatastrophen der letzten Jahre. Und in jüngster Zeit wächst der Anbau von Palmöl außerhalb Südostasiens: Afrika und insbesondere Lateinamerika sind neue „Fronten“, die neuen Expansionsgebiete.
Es verwundert vor diesem Hintergrund nicht, dass die Ausbreitung des Anbaus von Ölpalmen zugleich Erwartungen auf Gewinn aber auch ökologische und soziale Befürchtungen erweckt. Die Tatsache, dass Palmöl gerade in Europa in beträchtlichem Ausmaß in den Tank wandert, verbindet die Diskussion um Palmöl untrennbar mit der nun keineswegs neuen, aber nach wie vor konfliktiven öffentlichen Debatte um Agrartreibstoffe, die unter der der Überschrift „Teller oder Tank“ vor etwa zehn Jahren ihren Ausgang nahm. Doch ist der Aufstieg des Palmöls offensichtlich nicht allein oder gar primär durch seine Nutzung als Treibstoff zu erklären. Es ist gerade die flexible Verwendungsmöglichkeit, die Palmöl für die industrielle Nutzung so interessant macht: Palmöl ist ein idealer pflanzlicher Rohstoff.
Und natürlich ist nicht die Palme das Problem, sondern die sozialen und ökologischen, von Menschen geschaffenen Bedingungen, die Produktionsweise also, unter der sich die Expansion vollzieht. Mit dieser Publikation will das Forschungs – und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) nicht die generelle Diskussion um Palmöl in den Mittelpunkt stellen, sondern die noch relativ neuen Tendenzen der Ausbreitung des Ölpalmenanbaus in Lateinamerika systematisieren und analysieren. Nach einem kurzen Überblick über die wichtigsten Palmölländer des Kontinents wird anschließend der Fall Brasilien exemplarisch dargestellt. Das Produktionsmodell des Palmöls erweist sich dabei als ein wichtiger Faktor von Modernisierungsprozessen, die Kleinbauern und Kleinbäuerinnen aber auch indigene Völker und traditionelle Gemeinschaften in Abhängigkeit einbinden, marginalisieren oder gar von ihrem Land vertreiben. Dahingehend zeigt sich Palmölproduktion in der Praxis als eine neue Form der Landnahme. „Es wandelt niemand ungestraft unter Palmen“ – die Sentenz Goethes scheint neue Aktualität zu gewinnen.
Aktualisiert: 2018-12-07
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Der Verlust der Biodiversität ist die wichtigste globale Bedrohung, nicht der Klimawandel. Das sagen wenigstens die Forscherinnen und Forscher des Stockholmer Resilience Center. Das von ihnen entwickelte Modell der planetarischen Grenzen (global boundaries) ist die wohl im Augenblick populärste Systematisierung globaler Prozesse.
Tatsächlich sind die Befunde zur Biodiversität bestürzend: Arten verschwinden mit einer so großen Schnelligkeit, dass die Forscherinnen und Forscher von einem sechsten großen Massensterben in der Geschichte der Menschheit sprechen. Nur dieses mal ist es keine erdgeschichtliche Katastrophe sondern eine Auslöschung, die durch den Menschen und seine Produktions- und Lebensweisen verursacht wird. Die Auswirkungen dieses Prozesses sind völlig ungewiss. Klar ist, dass sie die Grundlagen des Lebens auf dem Planten berühren: überquellende Vielfalt ist Basis und Erfolgsrezept der Evolution. Die „Rivet Hypothese“ soll dies verdeutlichen: wir verhalten uns wie jemand, der munter Kleinteile (Nieten – rivets) eines Flugzeuges entfernt und versichert, es fliege auch ohne diese Teile weiter – doch irgendwann geht das nicht mehr gut.
Mit der eindringlichen Analyse und den alarmierenden Zahlen korrespondiert weder eine adäquate allgemeine Wahrnehmung noch eine politischen Agenda. Wir wissen sehr viel und handeln sehr wenig. Alle reden vom Klima, so ließe sich die Lage zuspitzen. Tatsächlich ist der Klimawandel in das allgemeine Bewusstsein geradezu eingehämmert worden und hat, wenn auch unzureichend und widersprüchlich, den politischen Mainstream von Argentinien bis Zypern erreicht, sogar Nordkorea ist braves Mitglied der Klimarahmenkonvention (UNFCC). Globale Umweltpolitik gleicht immer mehr einem Kreuzzug gegen CO2, dem ausgemachten Umweltschurken Nr.1.
Aktualisiert: 2020-07-01
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Wem gehört das Land und wie wird es genutzt – das sind Grundfragen gesellschaftlicher Entwicklung. Marx hat die Entstehung des Kapitalismus als eine Enteignung und Vertreibung vom Land dargestellt und diesen Prozess als ursprüngliche Akkumulation bezeichnet. Aber der Kampf um Land war damit nicht beendet, er geht bis heute weiter. Und in vielen Länder des Süden haben sich soziale Kämpfe und soziale Bewegungen um die Landfrage entwickelt.
Zur Landfrage gehört auch der Wald – etwa 30% der Landfläche der Welt sind von Wald bedeckt, mit rückläufiger Tendenz. Hauptursache dafür ist die Umwandlung von Wald in landwirtschaftlich genutzte Fläche – die Ausdehnung der Agrargrenzen auf Kosten des Waldes ist also ein weltumspannender Prozess der Aneignung von Land. Nach Schätzungen der Weltbank beruht der Lebensunterhalt von 1,6 Milliarden Menschen auf der Nutzung von Wäldern, darunter etwa 500 Millionen, die als Indigene gelten. Insbesondere die Wälder des Globalen Südens sind ein umkämpfter Lebensraum.
Die jüngste und vielleicht folgenschwerste Neubewertung der globalen Bedeutung von Wäldern vollzog sich im Rahmen der Klimapolitik. Die Reduzierung von Entwaldung wurde als wichtiger Beitrag zur Verringerung von CO2-Emissionen identifiziert und so avancierte die Erhaltung des Waldes zu einem fundamentalen Teil der internationalen Klimaverhandlungen.
Was auf den ersten Blick als sinnvoll erscheint, nahm aber bald eine Form an, die Walderhaltung im Namen des Klimas zu einem Streitthema machen. Denn der seit Jahren diskutierte Mechanismus REDD (für Reducing Emissions from Deforestation and Degradation) will nicht nur Entwaldung reduzieren, sondern auch eine neue Logik in internationale Klima- und Entwicklungszusammenarbeit einbringen: die Bezahlung aufgrund von nachgewiesener Reduzierung von CO2 und den Handel mit CO2-Zertifikaten. REDD wurde daher bald als Ablasshandel und Vermarktung der Natur kritisiert, während die Verfechter_innen von REDD diese Kritik als ideologische Verblendung zurückweisen. Dabei ist die Debatte um REDD immer komplexer und immer mehr zu eine Veranstaltung von Spezialist_innen geworden. Aber der Schutz der Wälder und REDD ist zu wichtig, um dieses Feld den so genannten Expert_innen zu überlassen. Denn es geht hier um Fragen, die für die Zukunft von internationaler Kooperation und eine Neuausrichtung globaler Umweltpolitik die Weichen stellen.
Aktualisiert: 2018-12-07
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Die ökonomischen und ökologischen Grundlagen eines allgemeinen Wohlstands sind in Gefahr, die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer. Das Konzept der 'Grünen Ökonomie' will als neues Leitbild Lösungen anbieten. Im Zentrum aktuellen Wirtschaftens stehen meist Großtechnologien, die global agierenden Unternehmen noch mehr Kontrolle über zentrale Bereiche unseres Lebens gewähren. Doch können 'grüne' Technologien eine Lösung sein, wenn sie den Konsum weiter anheizen? Wer kommt für die Folgekosten von Atomstrom, Fracking & Co. auf? Das Buch unterzieht die Grüne Ökonomie einer kritischen Prüfung, testet ihre Versprechen, erörtert ihre Möglichkeiten, beschreibt die tatsächlichen Konsequenzen, nennt ihre blinden Flecke – und skizziert einen Weg, um globale Krisen auch unter sozialen Gesichtspunkten zu meistern.
Aktualisiert: 2018-04-05
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Aktualisiert: 2018-07-11
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Aktualisiert: 2018-07-11
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Ernährung ist eine grundlegende Voraussetzung menschlicher Existenz und rückt immer wieder in den Mittelpunkt öffentlicher Debatten. Überproduktion und Verschwendung prägen insbesondere im Globalen Norden den Umgang mit Nahrungsmitteln. Gleichzeitig ist eine nahrhafte und ausgewogene Ernährung für einen Großteil der Weltbevölkerung noch immer Mangelware. Trotz des Menschenrechts auf angemessene Ernährung gibt es zur Zeit 805 Mio. Hungernde weltweit. Allein in Lateinamerika leiden 37 Mio. Menschen an Mangelernährung.
Diese Problematik greift die vorliegende Publikation auf und geht insbesondere auf alternative Konsum- und Produktionsformen im globalisierten Lateinamerika ein. Kann in Lateinamerika von einem SinnEssWandel gesprochen werden? Stellt sich ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein für Ernährung und Lebensmittelproduktion ein? Sieben Beiträge beschäftigen sich mit diesen Fragen. Der aktuelle Umgang mit Ernährung und Landwirtschaft wird beleuchtet. Zudem werden gegenwärtige Prozesse und Probleme auf regionaler und globaler Ebene skizziert. Neben der Darstellung der kulturellen und identitätsstiftenden Rolle von Ernährung werden außerdem Einblicke in die Lösungsansätze der Solidarischen Ökonomie und des Buen Vivir gegeben.
Aktualisiert: 2022-08-31
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Die Herausgeber tragen gemeinsam mit vielen anderen Autor_innen Aspekte des brasilianischen Fußballs und des Fußballs weltweit zusammen. Mit der Zuspitzung auf Widerstand und Utopie werden andere Blickwinkel auf die WM 2014 eröffnet.
Aktualisiert: 2019-01-11
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