Wenn das Lied sich vom ermüdeten Körper befreit.

Wenn das Lied sich vom ermüdeten Körper befreit. von Barbakadse,  Dato, Chotiwari-Jünger,  Steffi;Chotiwari,  Artschil;Lisowski,  Maja;Crauss;Ledebur,  Benedikt, Gehrisch,  Peter, Rothfuss,  Uli, Traian,  Pop
Das Curriculum Vitae des Dichters, der 1966 in Tiflis zur Welt kommt, kann ... Aufschlussreiches vermitteln. Nach der Schule erlernt Barbakadse das Schlosserhandwerk und ist auf diese Weise mit Statik und Mechanik der Metalle befasst, ein Arbeitsgebiet, das ihm eine Basis realen Daseins vermittelt. Noch als Sowjetbürger leistet er zwei Jahre lang seinen Militärdienst (d.h. Unterordnung und Brüte-Station für den eingeschlossenen Geist), dann folgt das Studium der Philosophie, Soziologie und der Alten Geschichte. Der Versuch der Kommunikation mit seinesgleichen, die – selbstredend – seinesgleichen nicht sind, gestaltet sich als weniger lenkbar. So nämlich erfährt er sich als Outcast, entfernt sich für einige Zeit von Haus und Heim, gelangt 2002 nach Deutschland und gründet 2005 das Buchreihenprojekt Öster- reichische Lyrik des 20. Jahrhunderts, dessen Leitung er über- nimmt. Damit stellen sich für Barbakadse (der die wissenschaftliche Laufbahn zugunsten der Dichtung verließ) denkbare Positionen zum Zwiegespräch ein. Peter Gehrisch
Aktualisiert: 2023-05-30
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Chronos, preise mir jetzt nicht das Chaos!

Chronos, preise mir jetzt nicht das Chaos! von Gehrisch,  Peter, Traian,  Pop
Er sucht nach Antworten auf rätselhafte Fragen … Danach, was unwiederbringlich vergangen ist wie die Zeugen ständiger Veränderungen „im großen Pendel der Zeit“, und obwohl er einen gewissen Niedergang wahrnimmt …, verfällt er nicht in Hoffnungslosigkeit, sondern vermittelt seine Botschaften an die Leser und an zukünftige Generationen … Marek Sekyra, Světlik, Liberec, Tschechien, 2017 Peter Gehrisch benutzt das Wort im ursprünglichen Sinne: als Me- tapher eines menschheitlichen Zustandes, als verlorengegangene oder wiederzugewinnende Uto- pie, zu der der Mensch unterwegs ist. Dorothea von Törne, Berlin 1993
Aktualisiert: 2023-05-30
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Rückkehr aus dem Exil

Rückkehr aus dem Exil von Comănescu,  Denisa, Cornelius,  Jan, Gehrisch,  Peter
Denisa Comănescus Dichtung kreist um eine Erfahrung, die ihr das schwierige Leben in Rumänien eintrug – mit der Familie, Vater, Mutter, Großmutter, Gefährten der Kindheit, Geliebten, Personen aus ihrem Umkreis. Ihre Motive sind die Beengung, die Randständigkeit, Suizid, die Zuflucht zum Buch, zur Literatur und zur Kunst. Sie sind erfüllt vom Pendeln zwischen Freude am Dasein und Trostlosigkeit, einem Spannungsverhältnis zwischen dem Traum der Kindheit und der Empirie einer erwachsenen Frau, welche das Zartgefühl trotz allem in ihrem Inneren nicht aufgeben kann. In ihrem Gedicht „Persephone“ verwendet Comănescu ein Zitat Ezra Pounds – „Here let thy clemency, Persephone…“ –, das ihre Neigung verdeutlicht. Die Brutalität des Lebens aber zwingt das hier umrissene Subjekt zur Demonstration von Gefühllosigkeit und Anpassung an Verhaltensmuster in der Gesellschaft. „Nur ich noch gehe der Freude entgegen / mit Beinen aus Zucker kommt sie durch einen Fluss / auf mich zu.“ („Nur ich noch gehe der Freude entgegen“) Zu finden sind frappante Metamorphosen des Traums und des Albtraums: „… ich reise / auf einem riesigen Schwan / die leeren Autobahnen entlang“ („Die Vertreibung aus dem Paradies 1979“) – „ich irre durch eine Stadt / […] ich spür nur ein finsteres Eisen / wie es sich stiehlt in mein Blut / bei jeder Bewegung. Sooo. / Und mir fehlt es an Kraft.“ („Die Provokation“) Im Bezug auf Fragen der Liebeserfüllung verschanzt sich das leidende, indessen scheinbar abgeklärte Ich hinter grotesken Situationen. „[…] der Ex-Geliebte klopft an die Tür / ich bin zusammen mit meinem Freund“ („Der Fisch“) Im folgenden führt die peinliche Begegnung in eine absurde, abseits liegende Handlung, indem die Autorin von einem „chinesischen Karpfen“ spricht, dessen „Leiche“ von einem „Zigeuner“ durch „die ganze Stadt“ getragen wird. Politische Themen kommen nicht offen zur Geltung, obgleich Comănescu einen großen Teil innerhalb der Ceaușescu-Diktatur verbracht hat. Allenfalls sind sie zwischen den Zeilen erfahrbar: „Großmutter hat mich das Vaterunser gelehrt / aber nur für zu Hause.” („Meinem Vater“) Mit „Die Welt der Sprache“ wird das Verhältnis zwischen Weltgeschehen und Schicksal der Einzelperson in eine gültige Formel gebracht und ist Gedichten der Weltliteratur ebenbürtig: Der Krieg ist real. Die ruhigen Abende wie auch der Mond sind täuschende Pausen Animation zu Verbrechen. Die Worte stehlen sich fort. Derart verletzlich und in Welteinsamkeit. Denisa Comănescu zählt zu den bedeutendsten rumänischen Gegenwartsdichterinnen, ihre Gedichte wurden in fünfzehn Sprachen übersetzt.
Aktualisiert: 2023-05-30
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Rückkehr aus dem Exil

Rückkehr aus dem Exil von Comănescu,  Denisa, Cornelius,  Jan, Gehrisch,  Peter, Pop,  Traian
Denisa Comănescus Dichtung kreist um eine Erfahrung, die ihr das schwierige Leben in Rumänien eintrug – mit der Familie, Vater, Mutter, Großmutter, Gefährten der Kindheit, Geliebten, Personen aus ihrem Umkreis. Ihre Motive sind die Beengung, die Randständigkeit, Suizid, die Zuflucht zum Buch, zur Literatur und zur Kunst. Sie sind erfüllt vom Pendeln zwischen Freude am Dasein und Trostlosigkeit, einem Spannungsverhältnis zwischen dem Traum der Kindheit und der Empirie einer erwachsenen Frau, welche das Zartgefühl trotz allem in ihrem Inneren nicht aufgeben kann. In ihrem Gedicht „Persephone“ verwendet Comănescu ein Zitat Ezra Pounds – „Here let thy clemency, Persephone…“ –, das ihre Neigung verdeutlicht. Die Brutalität des Lebens aber zwingt das hier umrissene Subjekt zur Demonstration von Gefühllosigkeit und Anpassung an Verhaltensmuster in der Gesellschaft. „Nur ich noch gehe der Freude entgegen / mit Beinen aus Zucker kommt sie durch einen Fluss / auf mich zu.“ („Nur ich noch gehe der Freude entgegen“) Zu finden sind frappante Metamorphosen des Traums und des Albtraums: „… ich reise / auf einem riesigen Schwan / die leeren Autobahnen entlang“ („Die Vertreibung aus dem Paradies 1979“) – „ich irre durch eine Stadt / […] ich spür nur ein finsteres Eisen / wie es sich stiehlt in mein Blut / bei jeder Bewegung. Sooo. / Und mir fehlt es an Kraft.“ („Die Provokation“) Im Bezug auf Fragen der Liebeserfüllung verschanzt sich das leidende, indessen scheinbar abgeklärte Ich hinter grotesken Situationen. „[…] der Ex-Geliebte klopft an die Tür / ich bin zusammen mit meinem Freund“ („Der Fisch“) Im folgenden führt die peinliche Begegnung in eine absurde, abseits liegende Handlung, indem die Autorin von einem „chinesischen Karpfen“ spricht, dessen „Leiche“ von einem „Zigeuner“ durch „die ganze Stadt“ getragen wird. Politische Themen kommen nicht offen zur Geltung, obgleich Comănescu einen großen Teil innerhalb der Ceaușescu-Diktatur verbracht hat. Allenfalls sind sie zwischen den Zeilen erfahrbar: „Großmutter hat mich das Vaterunser gelehrt / aber nur für zu Hause.” („Meinem Vater“) Mit „Die Welt der Sprache“ wird das Verhältnis zwischen Weltgeschehen und Schicksal der Einzelperson in eine gültige Formel gebracht und ist Gedichten der Weltliteratur ebenbürtig: Der Krieg ist real. Die ruhigen Abende wie auch der Mond sind täuschende Pausen Animation zu Verbrechen. Die Worte stehlen sich fort. Derart verletzlich und in Welteinsamkeit. Denisa Comănescu zählt zu den bedeutendsten rumänischen Gegenwartsdichterinnen, ihre Gedichte wurden in fünfzehn Sprachen übersetzt. Peter Gehrisch
Aktualisiert: 2023-05-30
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„So streicht das Leben dahin…“. Gedichte, vietnamesisch / deutsch. Ins Deutsche übertragen von Peter Gehrisch.

„So streicht das Leben dahin…“. Gedichte, vietnamesisch / deutsch. Ins Deutsche übertragen von Peter Gehrisch. von Brudnicki,  Jan Zdzisław, Gehrisch,  Peter, Lebioda,  Dariusz Tomasz, Pop,  Traian, Quang Mỹ,  Lâm
Der Titel des Bandes „So streicht das Leben dahin…“ assoziiert uns ein sentimentales Lied. Denn der Autor ist nicht nur als Künstler der Feder bekannt, sondern auch als Interpret seiner eigenen Gedichte in Form des Gesangs. Er macht das wundervoll. Er singt nicht nur vor dem Publikum mit Empathie, sondern mit jedem Gedicht erzeugt er eine besondere Aura. (...) Die Kunst mit dieser Gabe, wenn man sie vermittelt bekommen hat, besteht darin, andere zu erreichen. Aber sie ist es, die den Sinn herausbringt, sie erregt die Aufmerk- samkeit, zeigt die andere Seite der Natur und erlaubt die Blütenpracht der Poesie zu versammeln. So entsteht die tiefe Me- ditation über das, was uns umgibt: den Baum, den Nebel, den Fluss, den Rauch, die Blüte. Aber sie erlaubt auch in die mys- tische Landschaft einzudringen, wie sie Leśmian beschrieb, das Ganze der Mensch- heit, der Landschaft, des Kosmos nur in einem Quäntchen zu sehen. Jan Zdzisław Brudnicki
Aktualisiert: 2023-05-30
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Sonnenwenden

Sonnenwenden von Ferencz,  Győző, Gehrisch,  Peter, Nemes Nagy,  Agnes, Pop,  Traian, Schiff,  Julia
„Riesige, unglaubliche Löcher gibt es in meinem Lebenswerk“ Zu Ágnes Nemes Nagys Poesie Die ungarische Dichterin Ágnes Nemes Nagy (1922-1991) gehörte jener Generation an, deren Jugend und Heranreifen zur Dichterin in die Jahre des Zweiten Weltkriegs fiel. Der Krieg zwang sie alle zur Stellungnahme und er wurde für ihr ganzes Leben zur Referenzbasis. Auch dann, wenn sie keine Zeile darüber geschrieben haben. Wenn ich versuche, sie innerhalb ihrer Generation auf der Weltkarte der Lyrik zu platzieren, dann gehört Nemes Nagy in die Gesellschaft von Lyrikern, deren Poetik miteinander verwandt war oder, im Gegenteil, zueinander in Opposition stand wie Paul Celan, Ingeborg Bachmann, Yves Bonnefoy, Wislawa Szymborska, Lorand Gaspar, Miroslav Holub, Philip Larkin, Vasko Popa, Allen Ginsberg und Robert Lowell, ebenso Franz Fühmann, der an seinem Lebensabend einen Gedichtband von ihr übersetzt hat. Diese Lyriker waren entweder Verfolgte oder sie kämpften gezwungenermaßen oder aus Überzeugung auf einer der Seiten. Es gab solche, die den Dienst verweigert hatten oder sich tatkräftig am antifaschistischen Widerstand beteiligten. Ágnes Nemes Nagy half 1944 an der Rettung der verfolgten Juden, gemeinsam mit ihrer Chemikerin-Schwägerin fälschte sie Dokumente und brachte befreiende Bescheinigungen sowie Kleidungsstücke in die mit einem Stern bezeichneten Häuser. Hierüber sprach sie aber kaum. Kam es in Interviews dennoch zur Sprache, erwähnte sie es kurz angebunden und sachgemäß. 1997 erhielt sie posthum die Yad Vashem-Auszeichnung des Staates Israel. In ihrem Essay Vorwort zu einem Lyrikband, das sie für eine englischsprachige Lyrikauswahl vorbereitete, charakterisierte sie ihre Dichtung folgendermaßen: „Der Dichter ist der Spezialist der Gefühle. Im Laufe der Ausübung meines Berufs machte ich die Erfahrung, dass die sogenannten Gefühle aus mindestens zwei Schichten bestehen. Die allgemeine Vereinbarung hat im Großen und Ganzen dasselbe Verständnis von ihnen, ihnen ist eine Vergangenheit, eine Wissenschaft und Literaturgeschichte eigen. Sie sind Staatsbürger unserer Herzen. – Die andere Schicht ist das Niemandsland der Namenlosen. Wenn ich um 18 Uhr abends an der Ecke der Kékgolyó-Straße ankomme und sehe, dass der Rand des Sonnenscheins in einem gewissen Winkel auf die Burg fällt und die Olivenbäume des Vérmező ihren Schatten auf eine gewisse Weise werfen, werde ich immer wieder erschüttert. Diese Gemütsbewegung hat keinen Namen. Dabei stand schon jeder an der Ecke je einer Kékgolyó-Straße. Wie oft bin ich genötigt, dem namenlosen Gefühl einen konventionellen Namen zu geben! Und nicht nur um die Schraube der Logik der allgemeinen Vereinbarung mit Öl zu beträufeln. Nein. In meiner verständnislosen Verwirrung verderbe ich selbst die Sache, und stürze das Namenlose der Kékgolyó-Straße in eine Pfütze herbstlicher Nostal-gie oder in ein Becken historischer Begeisterung. Gewiss, zumal die herbstliche Nostalgie und die historische Begeisterung bereits unser Herz bewohnen. Ich glaube, es gehört zu den Pflichten des Dichters, immer mehr Namenlosem Bürgerrecht zu verschaffen.“ Wenige Seiten weiter fügte sie noch hinzu: „Mir vermitteln dieses Unbekannte hauptsächlich die Objekte, daher bin ich bemüht, dem Leser Objekte zu vermitteln. Einen Geysir, einen Ast, das Bruchstück einer Skulptur, eine Straßenbahn, die Kriegserlebnisse mitreißen können (der Krieg: Grunderfahrung meiner Generation) oder das Erlebnis der Natur (das Zusammenleben mit der Natur ist eine der bedrohten Nostalgien des heutigen Menschen), eventuell den Mythos eines ägyptischen Pharaonen (der moderne Mythos ist ein Modell unseres Lebensgefühls)“. In der Tat erscheinen in ihren Gedichten die biographischen Elemente durch mehrfache poetische Filter entfremdet. Wenn ich, ihren Platz von ihrer Generation abstrahierend, aufgrund ihrer poetischen Auffassung suche, so würden sie dem Kreis der Erschaffenden von sogenannter objektiver Poesie zugehören. Sie selbst meinte es auch so. Die objektive Lyrik sei keine Richtung, sondern, wie sie es in einem Essay erörterte, vielmehr eine Epochen überbrückende Methode. Zudem keinesfalls eine einheitliche Methode. Rilke, den sie auch übersetzt hatte, hatte sie beeinflusst, sie kannte die Gedichte und die Theorie von T. S. Eliot über die poetische Entpersönlichung, sie las die Dichter der Neuen Sachlichkeit, beobachtete die ähnlichen französischen Bestrebungen von Mallarmé bis zu den eigenen Zeitgenossen. Und sie kannte natürlich die ungarischen Präzedenzen von innen. Jenseits ihrer eigenen Neigungen kommt es vielleicht nicht von ungefähr, dass sie Anfang der 1950er Jahre ihre eigene Auffassung erschuf, als nach dem Krieg eine erneute Diktatur auf Ungarn lastete. Ágnes Nemes Nagy hatte nicht nur geschrieben, sondern auch ununterbrochen reflektiert, was sie tat. Dies ist für die Nachwelt um so wertvoller, als im größten Teil ihrer schöpferischen Jahre die Verhältnisse dem von ihr vertretenen Literaturideal nicht gewogen waren. Dieses Ideal hätte die Literatur vorrangig als Literatur betrachtet. Daher waren Ágnes Nemes Nagy die Fragen des poetischen Metiers so wichtig: Durch sie vertrat sie die Freiheit der Literatur zu einer Zeit, die wechselweise, anfangs mit grob administrativen, später auch mit umgesetzten Methoden diese Unabhängigkeit beschränken wollte. Sie war auch eine hervorragende Essayistin, ihre kristallklaren Aufsätze über die moderne Poesie hatten in der literarischen Welt der 70er und 80er Jahre einen Sensationswert. Zum Teil dadurch, dass sie in einer homogen durchpolitisierten und -ideologisierten Welt – die aber, zugegebenermaßen immer weniger eine offene Stellungnahme erforderte –, ihrem Beruf nachging. Und dies war eine eindeutige Stellungnahme. Sie selbst beobachtete ungläubig, dass sie es tun konnte, aber sie tat es. Den äußeren Rahmen ihres Lebens lieferte bis zu ihrem Auftakt als Dichterin der sich zum offenen Terror steigernde Faschismus, von 1948 an der Stalinismus, und im größten Teil ihrer Laufbahn, nach der Niederwerfung der 1956er Revolution, die allmählich milder werdende kommunistische Diktatur. Inzwischen konnte sie in drei Nachkriegsjahren die schwindende Illusion der Demokratie erleben, und an ihrem Lebensende erlebte sie den Sturz der Berliner Mauer und die demokratische Umwandlung Europas, deren Zerbrechlichkeit sie nicht mehr erleben konnte. Gemeinsame Erfahrung der osteuropäischer Völker ist es, dass die äußeren Eroberer und die innere regierende Klasse sich würgend auf ihr Alltagsleben setzten, das kleinste Detail festsetzten, und dem Individuum keinen Bewegungsraum zugestanden. Das freie Denken und das selbstständige künstlerische Schaffen waren hier zu jeder Zeit und in jedem Regime verdächtig. Die Politik ist mal gewaltsam, mal bewilligend, aber sie will sie immer ihrer Kontrolle unterziehen. Noch mehr, die extrem autokratischen Systeme erfordern, dass die Künstler sie lobpreisen. Dies wäre für in den westlichen Demokratien sozialisierte Dichter wie Philip Larkin oder Yves Bonnefoy gewiss eine unverständliche Situation. Das trifft aber nicht auf deutsche Schriftsteller wie z. B. Franz Fühmann zu und auch Ingeborg Bachmann dürfte Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht haben. In diesem Milieu, ihre geistige Unabhängigkeit verteidigend, schuf Nemes Nagy ihr Lebenswerk. In Ungarn gab es nie eine entwickelte Stadtkultur, ein selbstbewusstes, um seine Rechte kämpfendes Bürgertum, es gab immer nur Versuche, sie zu schaffen. In der in ewigem Feudalismus stecken gebliebenen Gesellschaft wurde die unentbehrliche fachkundige Schicht in den früheren Jahrhunderten von den Bürgern der emporstrebenden sächsischen und schwäbischen Städte gestellt, und ab Ende des 19. Jahrhunderts von dem sich assimilierenden Judentum bzw. dem verarmenden ungarischen Kleinadel. Die Ahnen von Nemes Nagy aus dem Norden Siebenbürgens waren solche fachkundigen Menschen. Ihr Vater war Anwalt, wie mehrere ihrer Vorfahren, und es gab in der Familie reformierte Priester, Lehrer und Ingenieure. Das ehemalige Land ihrer Geburt, das Partium, wurde Teil Rumäniens. Sie kamen nach Budapest und wohnten zeitweilig, wie viele andere auch, in einem Waggon der Bahn. Ihre Tochter wurde also nicht in idyllische bürgerliche Verhältnisse hineingeboren, aber die Verhältnisse der Familie ordneten sich bald und Ágnes Nemes Nagy erhielt eine hervorragende Bildung in der innigen und Sicherheit gewährenden Atmosphäre eines freiheitlich gesinnten reformierten Mädchengymnasiums, dessen Direktor der bedeutende ungarische Dichter Lajos Áprily war. Nach dem Abitur ließ sie sich einschreiben ins Fach Ungarisch-Latein-Kunstgeschichte der Budapester Universität, wo sie 1944 ihr Studium mit dem Diplom abschloss. Bereits während ihrer Studienjahre kam sie in Kontakt mit einigen bedeutenden Vertretern des literarischen Lebens, darunter mit dem hervorragenden Ästheten und in den letzten Jahrzehnten auch international bekannten Romancier Antal Szerb, den sie während des nationalsozialistischen Terrors vergeblich zu retten versuchte: er wurde beim Arbeitsdienst totgeschlagen. 1944 schloss sie die Ehe mit dem Kritiker Balázs Lengyel. Im selben Jahr erschien ihr erster Lyrikband Kettős világban, für den sie die bedeutendste literarische Anerkennung der Zeit, den Baumgarten-Preis erhielt. 1946 lancierte sie mit Balázs Lengyel und anderen Vertretern ihrer Generation die kurzlebige, aber epochemachende Zeitschrift Újhold (Neumond), der 1948 unheilverkündende politische Angriffe zuteil wurden. Das Blatt wurde bald schon finanziell untergraben. Nach seiner Einstellung wurden sie und ihre Kompagnons aus dem literarischen Leben verdrängt. Ihre Gedichte konnten nicht erscheinen, bzw. sie war für politische Kompromisse oder um etwas zu schreiben, was hätte veröffentlicht werden können, nicht bereit. Aber sie übersetzte, und nach gewisser Zeit konnte sie Kindergedichte veröffentlichen. Von 1954 an unterrichtete sie im Gymnasium. Ab 1958 bestritt sie ihre sehr bescheidene Lebensunterkunft aus ihren Schriften und Übersetzungen. 1957 erschien ihr zweiter Band Szárazvillám (Trockenblitz). 1958 trennte sie sich von ihrem Mann, zu dem sie weiterhin enge schöpferische Verbindung pflegte. Ihr dritter Band Sonnenwende erschien weitere zehn Jahre später, 1967. Danach ordnete sie – ein fast beispielloses Exempel in der ungarischen Literatur statuierend – ihre neuen Gedichte keinen selbständigen Bänden zu, sondern fügte sie in ihre stets erweiterten Auswahl- und Sammelbände ein. A lovak és az angyalok (Pferde und Engel) (1969), Között (Dazwischen) (1981) und A föld emlékei (Erinnerungen der Erde) (1986) sind Stationen dieses außerordentlich anspruchsvollen Lebenswerks. Seit Anfang der 1960er Jahre durfte sie hier und da in westeuropäische Länder reisen und an Fachkongressen teilnehmen. 1979 nahm sie teil am Iowaer Programm für internationale Schriftsteller in den Vereinten Staaten von Amerika, ihre Gedichte erschienen auf Englisch. Sie führte Tagebuch über ihre Auslandsreisen, die post mortem erschienen. Ihrer Arbeit wurde mit bedeutenden Preisen Anerkennung gezollt. Ihre Radio- und Fernsehauftritte sowie seltene literaturpolitische Wortmeldungen wurden mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, denn ihren Worten verlieh ihr ganzes Leben und Werk Authentizität, größtenteils gerade dadurch, da sie sich nie auf ihre Heimsuchungen berief. Sie wurde zum Richtpunkt, und war Vorbild durch Haltung, ohne dies erstrebt zu haben. Nach drei Jahrzehnten konnte 1986 in Form eines Jahrbuchs ihre ehemalige Zeitschrift, das Újhold-Évkönyv (Neumond-Jahrbuch), wieder starten, dessen wichtigstes redaktionelles Prinzip ein allen Strömungen übergeordneter kritischer Geist war. Die Jahrbuch-Reihe erlosch 1991 mit ihrem Tod. Die Bedeutung der Dichtung Ágnes Nemes Nagys ist mehrschichtig. Zwar war ihr der experimentelle Radikalismus fern, dennoch hat sie die ungarische Lyrik wahrhaftig erneuert. Die Literaturkritik hat dies erst nach und nach, in den ihrem Tod folgenden Jahrzehnten zur Kenntnis genommen. Sie hat aber nicht nur dadurch Neues erbracht, dass sie entgegen der Tradition der subjektiven, flüchtige Eindrücke festhaltenden biographischen Erlebnisdichtung – eine objektive Dichtung pflegte, sondern auch, weil sie der lyrischen Wortmeldung einen ausgearbeiteten gedanklichen Rahmen verlieh. Die poetische Sprache, die den namenlosen Erfahrungen einen Namen verleiht, ist eine Form der Erkenntnis. Dazu musste sie Kompositionen schaffen, die auch dem Leser eine neue rezeptive Anschauung abverlangen. Diese neuen Gedichte sind möglicherweise schwer, zusammengesetzt, sie bewegen sich über komplizierte Ideenverknüpfungen, aber ebenso sind auch die Erfahrungen der Menschen, die das 20. Jahrhundert erlebt haben und dessen geschichtlich-politischen Ereignisse verstehen wollen, schwer und zusammengesetzt. Wer sie aber zu lesen lernt, dem werden sie trotzdem transparent, vom Humanismus der Verfasserin durchleuchtet. Für sie hat das poetische Wortergreifen einen moralischen Inhalt. Aber das Gedicht als Kunstschöpfung – als Objekt – muss sich mit poetischen Mitteln authentifizieren. Nemes Nagy ist eine der prominentesten Formkünstlerinnen der ungarischen Dichtungsgeschichte, die jedoch nie mit ihrer überlegenen Virtuosität prahlte. Sie benutzte ihre Mittel funktional, sparsam. Sie sprach oft auch darüber, dass in der Literatur die höchste Qualität das verpflichtende Minimum ist, die Authentizität sei aber nie eine ausschließlich ästhetische Frage. Ágnes Nemes Nagy hatte eine sehr dezidierte Meinung von der Politik. Sie definierte ihre Auffassung entlang der liberal-humanistischen Werte. Ihrer Überzeugung nach kann der Dichter seine künstlerische Freiheit keiner politischen Bewegung unterordnen. In ihren Gedichten – beispielsweise in Echnatons Nacht die 1956er Revolution – erscheint das Politikum in einer ebenso objektivierten Form wie jedes andere Thema auch. Auch darin brach sie mit einer sehr starken Tradition der ungarischen Dichtung, und zwar nicht der begrenzenden Diktatur, sondern der eigenen gedanklichen Ansprüche wegen. Ágnes Nemes Nagys Dichtung ist in einer weiteren Annäherung definierend und befreiend. Von den 1960er Jahren an, als ihre Bedeutung immer unwiderlegbarer wurde und den in der westlichen Welt sich entfaltenden Frauenbewegungen im totalitären System kein Raum zustand, wurde sie für viele, besonders für ihre jüngeren Berufskolleginnen, zum persönlichen Beispiel für eine Haltung, die an der Gleichberechtigung der Geschlechter keinen Zweifel lässt. Für diese Vorbildrolle war sie auch dadurch geeignet, dass ihren Gedichten die eindimensionale Empfindsamkeit fern war, die konservative Kritiker für gewöhnlich mit der Frauendichtung assoziieren. Diese Rolle wird durch den umfangreichen, nach ihrem Tod erschienenen Interviewband dokumentiert. Die inneren Spannungen ihres Lebens und ihrer Dichtung wurden sichtbar, als nach ihrem Tod aus dem Nachlass jene Hefte auftauchten, in die sie jahrzehntelang Gedichte und Gedichtskizzen notierte, die ihrer sonstigen, der Öffentlichkeit zugestandenen Poetik diametral entgegen standen. Ein unerwarteter, bruchstückhafter Fund, der ihr poetisches Lebenswerk ungefähr verdoppelte, und der zahlreiche wunderbare Werke beinhaltet – unter anderem jene den Gipfel ihrer Lyrik markierende Poesie Über Gott –, die ihre ganze Aktivität wie im Gegenlicht beleuchtet. So wurde das Lebenswerk von Ágnes Nemes Nagy nicht einfach zu einer Reihe hervorragender Gedichte, sondern auch zur gedanklich ausgearbeiteten einheitlichen Komposition. An ihrem Lebensende bedauerte sie bitter, so vieles nicht mehr geschrieben zu haben. „Riesige, unglaubliche Löcher gibt es in meinem Lebenswerk. Jetzt sehe ich es, da ich den gesammelten Essayband zusammenstelle“, schrieb sie in einer kurzen Notiz. Die Nachwelt sieht es aber anders. Auch in ihrer Geschlossenheit bleibt ihre Dichtung, auf deren äußeren Ringen ihre Kindergedichte und Übersetzungen Platz nehmen, offen, mutig und rein, und die glänzend geistreiche Interpretation dazu liefern ihre Essays, eine der wunderbarsten Leistungen der Lyrikgeschichte des 20. Jahrhunderts. Julia Schiff ist berufene Übersetzerin der ungarischen Gegenwartslyrik. Die hier figurierenden Gedichte hat sie nach gründlichem Studium des lyrischen Lebenswerks von Ágnes Nemes Nagy ausgewählt. Sie konzentrierte sich dabei auf vier Hauptthemenkreise: den Echnaton-Zyklus, die um die geologisch-meteorologischen Metaphern gruppierten Kompositionen Nemes Nagys objektivierender Lyrik, die Naturlyrik und die seltenen persönlichen Gedichte. Diese Motive durchweben den Band wie vier Leitmotive. Wir geben die Gedichte in der von Ágnes Nemes Nagy herausgebildeten Reihenfolge wieder, in die wir die aus dem Nachlass aufgetauchten Werke einfügen. Es muss erwähnt werden, dass Julia Schiff nie die formelle Treue anstrebte. Sie hätte es auch kaum tun können. In ihrem bereits zitierten Essay war sich Ágnes Nemes Nagy dessen wohl bewusst, was für ein Problem die Übersetzung ungarischer Gedichte bedeute. Das den finnougrischen Sprachen zuzuordnende Ungarisch ist, in Abweichung von den indoeuropäischen Sprachen, eine flektierende Sprache – ein Umstand, der sich auch auf die Versifikation auswirkt. „Dem ist auch zuzuschreiben – schrieb sie –, dass die ungarische Lyrik des 20. Jahrhunderts, die Flexibilität ihrer Sprache, d. h. ihr Reichtum an Assonanz ausnutzend, in viel größerem Maße Reime anbietet als dies in der Weltliteratur üblich ist. Und was die Rhythmik angeht: Die scharfe Trennbarkeit der Silben des Ungarischen ermöglichte es, dass in der ungarischen Dichtung drei rhythmische Systeme koexistieren: ein betontes, ein gereimt-metrisches und ein klassisch-metrisches. Und dies macht sie kaum zu übersetzen“. Eine Übersetzung, die steif den Reimen und der Metrik des Originals folgt, erreicht leicht eine andere Wirkung als die erwünschte. Sie würde diese sehr modern musikalische, wenn nötig, klassisch geschlossene, mal dissonant gehetzte Poesie konventionell machen. Die ungebundene Form lässt Ágnes Nemes Nagys Stimme paradoxerweise treuer erklingen. Győző Ferencz
Aktualisiert: 2023-05-30
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Auf der Suche nach der Muttererde

Auf der Suche nach der Muttererde von Gehrisch,  Peter, Mandics,  György, Traian,  Pop
Zur poetischen Strategie Schon ab 1968, als der erste Gedichtband zum Thema unter dem Titel Wunderbare Wurzeln erschien, war es klar, daß das alte Konzept, das den Zyklus als eine simple Summe einzelner Gedichte handhabt, nicht mehr aufrecht zu erhalten war. Der Autor, damals frischer Absolvent der Mathematikwissenschaften, wünschte seine neu erworbenen „Waffen“ nicht als Assistent an der Universität, sondern für die Umwälzung des Dichtens einzusetzen. In der Verskonstruktion kann man die individuellen Texte effizient überschreiten – in der Absicht der Aufwertung und Umwandlung in Richtung eines Supertextes – wenn man nach dem Modell der antiken Mosaikmeister das einzelne Gedicht als einen farbigen Mosaikstein behandelt, um eine größere Komposition zu schaffen. Werden die zusammenpassenden Teile in adäquater Weise ausgewählt, wird ersichtlich, daß das Endresultat, d.h. der Band, dann eine desto höhere Leistung darstellen würde, je größer die Distanz zwischen den einzelnen Elementen und dem Ganzen ist. Je mehr homogene und übersichtliche große Strukturen auf dem Niveau des Bandes erkennbar werden (deren Anwesenheit auf der Ebene der einzelnen Gedichte sogar als zufällig und in der Buntheit der diffusen Bedeutungen unterzugehen erscheint) desto mehr Möglichkeiten eröffnen sich für das Zusammenbrauen neuer und überraschender Mitteilungen und Inhalte. In diesem Band, wo die Gedichte bewusst so ausgewählt wurden, daß sie zur orientierten Quelle solcher metasprachlichen Kommunikation werden, wurden schließlich drei Sinnesebenen bestimmt. Die tiefste Deutungsebene ist durch die Summe der einzelnen Basisgedichte bestimmt, wo der Bonus lediglich aus der Platzierung und der Korrelation besteht. Die zweite Ebene ergibt sich aus der Deutung der allegorischen und kodifizierten Worte der ersten Ebene und besteht aus der unsagbaren Realität, die die Wahrheiten der Existenz im Ceaușescu-Regime (1976) umschreibt; schließlich erhalten wir eine dritte abstrakte Ebene auf dem Niveau der philosophischen Verallgemeinerungen, wo es um das Wesentliche des dichterischen Universums geht: zuerst um die allgemeinen gesellschaftlichen Erscheinungen (Existenz in der Diktatur), dann um die Aspekte der epistemologischen Bedeutungen der Gedichte. Der Schlüssel (Code) der sich an bestimmten Ebenen manifestierenden Bedeutungen kann durch den kontrastiven Vergleich der einzelnen Gedichte gefunden werden, da wir die drei Zyklen, die den Band bilden, so gestaltet haben, daß diese dasselbe Thema aus drei verschiedenen Herangehensweisen umschreiben: sensoriell, rational und synthetisch. Dieser dreifache Ansatz macht es, daß ein und dasselbe Gedicht nicht nur einfach einen dichterischen Text darstellt, sondern zu einem Objekt in einer dreidimensionalen Mosaikkomposition wird. Sehen wir nun, wie dieses System in seiner Konkretheit funktioniert, da es eine Reihe mathematischer Instrumente und Begriffe in die Konstruktion einbezogen hat, und dem 1976 im Klappentext der Name mathematische Dichtung angehängt wurde. Hier zum Beispiel gleich das Öffnungsgedicht des Bandes Gefundene Muttererde, unter dem Titel Theseus im Labyrinth. Beim ersten Blick könnten wir denken, wir seien dabei, ein mythologisches Gedicht zu lesen, in welchem Theseus, der Sohn des Königs Aigios, sich nach Kreta begibt, um für die Niederlage der Griechen Rache zu nehmen. Es ist nämlich so, daß König Minos, der die Athener besiegte, jährlich befahl, ein Schiff mit den schönsten und besten jungen Leuten zu füllen, um sie dem menschenfressenden Minotaurus zur Stillung seines Hungers anzubieten. Diese schreckliche Zwangsabgabe wurde seitens der Athener Jahrzehnte lang Jahr für Jahr verrichtet, nur Theseus, der Sohn des Königs, begehrte dagegen auf. Er war Soldat, der gewandteste Krieger, er hoffte, das menschenfressende Monster erlegen zu können. Selbst wurde er nicht als Opfer ausgelost. Dennoch ging er freiwillig mit, weil er im Herzen mutig war und den Säbel wohl beherrschte. Er dachte, das würde reichen, um dem grausigen Ungetüm entgegenzutreten. Daß dasselbe in einem Labyrinth lebte, machte ihm keine Sorgen. Er hatte von Ariadne erfahren, daß sie ein Fadenknäuel besitzt, dessen Ende er am Eingang befestigen und nach dem Sieg über das Ungeheuer einen leichteren Rückzug anstellen konnte. Sollte der Labyrinth und das darin wohnende Monster Realität sein, wäre dieses Geschehen das passende Abenteuer für eine Superproduktion. Aber unsere Fragestellung ist eine andere: Was geschieht, wenn niemand im Labyrinth wäre? Wenn das Labyrinth kein Ende hätte und es gäbe keinen Faden, der bis zum Ende reicht? Wenn das Labyrinth nur eine metaphysische Realität wäre und man könne es weder mit rationalen und noch weniger mit Waffengewalt besiegen; diese Fragen bewegen sich auf ganz anderen Ebenen, sie sind zur Meditation geeignet. Eine weitaus größere Aufgabe ist es, diesem Thema eine dichterische Gestalt zu geben. Der Sinn dieses Poems wird durch sein Doppel-Gedicht mit dem Titel Ausgehtag ergänzt. Anscheinend geht es hier auch um eine einfache Formel. Gegeben ist eine Kaserne, ein militärisches Ausbildungszentrum, am Hang eines Leidensweg-Hügels. Der Dichter, der Held des Gedichtes, steht da und schaut durch das Fenster eines höheren Stockwerks auf die Stadt – auf eine physische Realität (Lippa/Maria Radna an der Miresch). Das Tor steht offen, er könnte hinausgehen, es ist der freie Tag der Soldaten. Alle tun es, er selbst aber akzeptiert die Gegebenheit nicht, nicht die Formel der Freiheit für einen Tag..., weil er kein zwangsverpflichteter (einberufener) Soldat sein will. Als Soldat will er nicht leben, nicht später, nach der scheinbaren Freilassung bis zu seinem Tod, als Reserveoffizier beharren. Und nun wird es gleich klar, daß das Dilemma der beiden Protagonisten daraus entspringt, daß ein als Soldat lebender und denkender Held – Theseus – in ein metaphysisches Labyrinth geraten ist, während sich im zweiten Gedicht ein Anti-Soldat in der Kaserne wiederfindet. Wäre Theseus im Bau, würde er keine Gedichte schreiben, nur gewöhnliche Vers-Reaktionen. Das aber ist für den Autor nicht von Interesse genauso wenig wie die Gefühle des Dichters im Labyrinth; dieses wurde von vielen schon besungen. Mich bewegen nur die paradoxen Situationen, die nicht-adäquaten Verhaltensmuster. In einer philosophisch präziseren Formulierung, jene Situationen, wo die durch die Epistemologie aufgezwungenen methodischen Forderungen nicht eingehalten werden. György Mandics
Aktualisiert: 2023-05-30
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Vade-mecum

Vade-mecum von Gehrisch,  Peter, Norwid,  Cyprian Kamil
„Vade-mecum“ ist das Hauptwerk des polnischen Dichters Cyprian Kamil Norwid (1821-1883). Es steht im Rezeptionszusammenhang mit Charles Baudelaires „Les Fleurs du Mal“ (Die Blumen des Bösen) und gilt wie dieses als eines der wichtigsten Zeugnisse am Beginn der europäischen Moderne. Wie bei Baudelaire umfasst das polnische Pendant neben einer Vorrede, „An den Leser“, und einem „Epilog“ 100 Gedichte. Zum Zweck einer vertiefenden und innovativen Seins-Betrachtung stehen sie im Kontext zur Kultur- und Weltgeschichte, dem Alten und Neuen Testament, dem Wirken der Griechen, Römer, Inder, Chinesen etc. und in Korrespondenz mit konkreten Fragen des 19. Jahrhunderts, der zaristischen Besatzung Polens, dem daraus resultierenden Exil für die polnische Intelligenz, Belangen der Ethik, des Geistes und des künstlerischen Schaffens. Norwids Wort ist – anders als bei seinen berühmten Zeitgenossen, Mickiewicz, Słowacki und Krasiński – noch heute so zündend wie zum Zeitpunkt seines Entstehens. Sein Dichten vermittelt hermetische, das ganze Denken erfordernde Bildkonstruktionen wie die von der „Fledermaus-der-Geschichte“, die „mit ihrem Kopf / […] noch immer [atmet], / während ihr Rumpf in jedem Jahrhundert ausgestopft wird“ als Demonstration für das Erfassen von Seinsvollzug, Rezeption, Reaktion. Post mortem ist die Aufmerksamkeit für den genialen Polen in seiner Heimat und anderen slawischen Ländern ständig gestiegen. Josef Brodsky beispielsweise findet zu einem exorbitanten Urteil: „I consider Norwid as the best poet of the 19th century - of all I know, in any language. Better than Baudelaire, better than Wordsworth, better than Goethe.” ("Ich halte Norwid für den besten Dichter des 19. Jahrhunderts - von allen, welche ich kenne, in jeder Sprache. Besser als Baudelaire, besser als Wordsworth, besser als Goethe.") Neben der Adäquatheit der hier nachdichteten Texte liegt ein besonderer Schwerpunkt in der poetisch-metrischen Lesbarkeit der Gedichte. Den Zugang zu den oft bizarr erscheinenden Denk-Strukturen erleichtert ein ausgiebiger Anmerkungsteil. Cyprian Norwid (1821-1883): geb. in Laskowo-Gluchy, Lyzeum in Warschau, 1840 Lyrikdebüt in der Zeitschrift Pismiennictwo Krajowe, Reisen nach Dresden, Venedig, Florenz, Rom und Berlin, Festnahme durch die preußische Polizei, Ausweisung, 1849-1852 Aufenthalt in Paris, Bekanntschaft mit Chopin, Auswanderung nach Amerika, 1854 Rückkehr nach Paris, Armut, Tuberkulose.
Aktualisiert: 2023-05-24
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Vade-mecum

Vade-mecum von Gehrisch,  Peter, Norwid,  Cyprian Kamil
„Vade-mecum“ ist das Hauptwerk des polnischen Dichters Cyprian Kamil Norwid (1821-1883). Es steht im Rezeptionszusammenhang mit Charles Baudelaires „Les Fleurs du Mal“ (Die Blumen des Bösen) und gilt wie dieses als eines der wichtigsten Zeugnisse am Beginn der europäischen Moderne. Wie bei Baudelaire umfasst das polnische Pendant neben einer Vorrede, „An den Leser“, und einem „Epilog“ 100 Gedichte. Zum Zweck einer vertiefenden und innovativen Seins-Betrachtung stehen sie im Kontext zur Kultur- und Weltgeschichte, dem Alten und Neuen Testament, dem Wirken der Griechen, Römer, Inder, Chinesen etc. und in Korrespondenz mit konkreten Fragen des 19. Jahrhunderts, der zaristischen Besatzung Polens, dem daraus resultierenden Exil für die polnische Intelligenz, Belangen der Ethik, des Geistes und des künstlerischen Schaffens. Norwids Wort ist – anders als bei seinen berühmten Zeitgenossen, Mickiewicz, Słowacki und Krasiński – noch heute so zündend wie zum Zeitpunkt seines Entstehens. Sein Dichten vermittelt hermetische, das ganze Denken erfordernde Bildkonstruktionen wie die von der „Fledermaus-der-Geschichte“, die „mit ihrem Kopf / […] noch immer [atmet], / während ihr Rumpf in jedem Jahrhundert ausgestopft wird“ als Demonstration für das Erfassen von Seinsvollzug, Rezeption, Reaktion. Post mortem ist die Aufmerksamkeit für den genialen Polen in seiner Heimat und anderen slawischen Ländern ständig gestiegen. Josef Brodsky beispielsweise findet zu einem exorbitanten Urteil: „I consider Norwid as the best poet of the 19th century - of all I know, in any language. Better than Baudelaire, better than Wordsworth, better than Goethe.” ("Ich halte Norwid für den besten Dichter des 19. Jahrhunderts - von allen, welche ich kenne, in jeder Sprache. Besser als Baudelaire, besser als Wordsworth, besser als Goethe.") Neben der Adäquatheit der hier nachdichteten Texte liegt ein besonderer Schwerpunkt in der poetisch-metrischen Lesbarkeit der Gedichte. Den Zugang zu den oft bizarr erscheinenden Denk-Strukturen erleichtert ein ausgiebiger Anmerkungsteil. Cyprian Norwid (1821-1883): geb. in Laskowo-Gluchy, Lyzeum in Warschau, 1840 Lyrikdebüt in der Zeitschrift Pismiennictwo Krajowe, Reisen nach Dresden, Venedig, Florenz, Rom und Berlin, Festnahme durch die preußische Polizei, Ausweisung, 1849-1852 Aufenthalt in Paris, Bekanntschaft mit Chopin, Auswanderung nach Amerika, 1854 Rückkehr nach Paris, Armut, Tuberkulose.
Aktualisiert: 2023-05-24
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Auf der Suche nach der Muttererde

Auf der Suche nach der Muttererde von Gehrisch,  Peter, Mandics,  György, Traian,  Pop
Zur poetischen Strategie Schon ab 1968, als der erste Gedichtband zum Thema unter dem Titel Wunderbare Wurzeln erschien, war es klar, daß das alte Konzept, das den Zyklus als eine simple Summe einzelner Gedichte handhabt, nicht mehr aufrecht zu erhalten war. Der Autor, damals frischer Absolvent der Mathematikwissenschaften, wünschte seine neu erworbenen „Waffen“ nicht als Assistent an der Universität, sondern für die Umwälzung des Dichtens einzusetzen. In der Verskonstruktion kann man die individuellen Texte effizient überschreiten – in der Absicht der Aufwertung und Umwandlung in Richtung eines Supertextes – wenn man nach dem Modell der antiken Mosaikmeister das einzelne Gedicht als einen farbigen Mosaikstein behandelt, um eine größere Komposition zu schaffen. Werden die zusammenpassenden Teile in adäquater Weise ausgewählt, wird ersichtlich, daß das Endresultat, d.h. der Band, dann eine desto höhere Leistung darstellen würde, je größer die Distanz zwischen den einzelnen Elementen und dem Ganzen ist. Je mehr homogene und übersichtliche große Strukturen auf dem Niveau des Bandes erkennbar werden (deren Anwesenheit auf der Ebene der einzelnen Gedichte sogar als zufällig und in der Buntheit der diffusen Bedeutungen unterzugehen erscheint) desto mehr Möglichkeiten eröffnen sich für das Zusammenbrauen neuer und überraschender Mitteilungen und Inhalte. In diesem Band, wo die Gedichte bewusst so ausgewählt wurden, daß sie zur orientierten Quelle solcher metasprachlichen Kommunikation werden, wurden schließlich drei Sinnesebenen bestimmt. Die tiefste Deutungsebene ist durch die Summe der einzelnen Basisgedichte bestimmt, wo der Bonus lediglich aus der Platzierung und der Korrelation besteht. Die zweite Ebene ergibt sich aus der Deutung der allegorischen und kodifizierten Worte der ersten Ebene und besteht aus der unsagbaren Realität, die die Wahrheiten der Existenz im Ceaușescu-Regime (1976) umschreibt; schließlich erhalten wir eine dritte abstrakte Ebene auf dem Niveau der philosophischen Verallgemeinerungen, wo es um das Wesentliche des dichterischen Universums geht: zuerst um die allgemeinen gesellschaftlichen Erscheinungen (Existenz in der Diktatur), dann um die Aspekte der epistemologischen Bedeutungen der Gedichte. Der Schlüssel (Code) der sich an bestimmten Ebenen manifestierenden Bedeutungen kann durch den kontrastiven Vergleich der einzelnen Gedichte gefunden werden, da wir die drei Zyklen, die den Band bilden, so gestaltet haben, daß diese dasselbe Thema aus drei verschiedenen Herangehensweisen umschreiben: sensoriell, rational und synthetisch. Dieser dreifache Ansatz macht es, daß ein und dasselbe Gedicht nicht nur einfach einen dichterischen Text darstellt, sondern zu einem Objekt in einer dreidimensionalen Mosaikkomposition wird. Sehen wir nun, wie dieses System in seiner Konkretheit funktioniert, da es eine Reihe mathematischer Instrumente und Begriffe in die Konstruktion einbezogen hat, und dem 1976 im Klappentext der Name mathematische Dichtung angehängt wurde. Hier zum Beispiel gleich das Öffnungsgedicht des Bandes Gefundene Muttererde, unter dem Titel Theseus im Labyrinth. Beim ersten Blick könnten wir denken, wir seien dabei, ein mythologisches Gedicht zu lesen, in welchem Theseus, der Sohn des Königs Aigios, sich nach Kreta begibt, um für die Niederlage der Griechen Rache zu nehmen. Es ist nämlich so, daß König Minos, der die Athener besiegte, jährlich befahl, ein Schiff mit den schönsten und besten jungen Leuten zu füllen, um sie dem menschenfressenden Minotaurus zur Stillung seines Hungers anzubieten. Diese schreckliche Zwangsabgabe wurde seitens der Athener Jahrzehnte lang Jahr für Jahr verrichtet, nur Theseus, der Sohn des Königs, begehrte dagegen auf. Er war Soldat, der gewandteste Krieger, er hoffte, das menschenfressende Monster erlegen zu können. Selbst wurde er nicht als Opfer ausgelost. Dennoch ging er freiwillig mit, weil er im Herzen mutig war und den Säbel wohl beherrschte. Er dachte, das würde reichen, um dem grausigen Ungetüm entgegenzutreten. Daß dasselbe in einem Labyrinth lebte, machte ihm keine Sorgen. Er hatte von Ariadne erfahren, daß sie ein Fadenknäuel besitzt, dessen Ende er am Eingang befestigen und nach dem Sieg über das Ungeheuer einen leichteren Rückzug anstellen konnte. Sollte der Labyrinth und das darin wohnende Monster Realität sein, wäre dieses Geschehen das passende Abenteuer für eine Superproduktion. Aber unsere Fragestellung ist eine andere: Was geschieht, wenn niemand im Labyrinth wäre? Wenn das Labyrinth kein Ende hätte und es gäbe keinen Faden, der bis zum Ende reicht? Wenn das Labyrinth nur eine metaphysische Realität wäre und man könne es weder mit rationalen und noch weniger mit Waffengewalt besiegen; diese Fragen bewegen sich auf ganz anderen Ebenen, sie sind zur Meditation geeignet. Eine weitaus größere Aufgabe ist es, diesem Thema eine dichterische Gestalt zu geben. Der Sinn dieses Poems wird durch sein Doppel-Gedicht mit dem Titel Ausgehtag ergänzt. Anscheinend geht es hier auch um eine einfache Formel. Gegeben ist eine Kaserne, ein militärisches Ausbildungszentrum, am Hang eines Leidensweg-Hügels. Der Dichter, der Held des Gedichtes, steht da und schaut durch das Fenster eines höheren Stockwerks auf die Stadt – auf eine physische Realität (Lippa/Maria Radna an der Miresch). Das Tor steht offen, er könnte hinausgehen, es ist der freie Tag der Soldaten. Alle tun es, er selbst aber akzeptiert die Gegebenheit nicht, nicht die Formel der Freiheit für einen Tag..., weil er kein zwangsverpflichteter (einberufener) Soldat sein will. Als Soldat will er nicht leben, nicht später, nach der scheinbaren Freilassung bis zu seinem Tod, als Reserveoffizier beharren. Und nun wird es gleich klar, daß das Dilemma der beiden Protagonisten daraus entspringt, daß ein als Soldat lebender und denkender Held – Theseus – in ein metaphysisches Labyrinth geraten ist, während sich im zweiten Gedicht ein Anti-Soldat in der Kaserne wiederfindet. Wäre Theseus im Bau, würde er keine Gedichte schreiben, nur gewöhnliche Vers-Reaktionen. Das aber ist für den Autor nicht von Interesse genauso wenig wie die Gefühle des Dichters im Labyrinth; dieses wurde von vielen schon besungen. Mich bewegen nur die paradoxen Situationen, die nicht-adäquaten Verhaltensmuster. In einer philosophisch präziseren Formulierung, jene Situationen, wo die durch die Epistemologie aufgezwungenen methodischen Forderungen nicht eingehalten werden. György Mandics
Aktualisiert: 2022-05-26
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Sonnenwenden

Sonnenwenden von Ferencz,  Győző, Gehrisch,  Peter, Nemes Nagy,  Agnes, Pop,  Traian, Schiff,  Julia
„Riesige, unglaubliche Löcher gibt es in meinem Lebenswerk“ Zu Ágnes Nemes Nagys Poesie Die ungarische Dichterin Ágnes Nemes Nagy (1922-1991) gehörte jener Generation an, deren Jugend und Heranreifen zur Dichterin in die Jahre des Zweiten Weltkriegs fiel. Der Krieg zwang sie alle zur Stellungnahme und er wurde für ihr ganzes Leben zur Referenzbasis. Auch dann, wenn sie keine Zeile darüber geschrieben haben. Wenn ich versuche, sie innerhalb ihrer Generation auf der Weltkarte der Lyrik zu platzieren, dann gehört Nemes Nagy in die Gesellschaft von Lyrikern, deren Poetik miteinander verwandt war oder, im Gegenteil, zueinander in Opposition stand wie Paul Celan, Ingeborg Bachmann, Yves Bonnefoy, Wislawa Szymborska, Lorand Gaspar, Miroslav Holub, Philip Larkin, Vasko Popa, Allen Ginsberg und Robert Lowell, ebenso Franz Fühmann, der an seinem Lebensabend einen Gedichtband von ihr übersetzt hat. Diese Lyriker waren entweder Verfolgte oder sie kämpften gezwungenermaßen oder aus Überzeugung auf einer der Seiten. Es gab solche, die den Dienst verweigert hatten oder sich tatkräftig am antifaschistischen Widerstand beteiligten. Ágnes Nemes Nagy half 1944 an der Rettung der verfolgten Juden, gemeinsam mit ihrer Chemikerin-Schwägerin fälschte sie Dokumente und brachte befreiende Bescheinigungen sowie Kleidungsstücke in die mit einem Stern bezeichneten Häuser. Hierüber sprach sie aber kaum. Kam es in Interviews dennoch zur Sprache, erwähnte sie es kurz angebunden und sachgemäß. 1997 erhielt sie posthum die Yad Vashem-Auszeichnung des Staates Israel. In ihrem Essay Vorwort zu einem Lyrikband, das sie für eine englischsprachige Lyrikauswahl vorbereitete, charakterisierte sie ihre Dichtung folgendermaßen: „Der Dichter ist der Spezialist der Gefühle. Im Laufe der Ausübung meines Berufs machte ich die Erfahrung, dass die sogenannten Gefühle aus mindestens zwei Schichten bestehen. Die allgemeine Vereinbarung hat im Großen und Ganzen dasselbe Verständnis von ihnen, ihnen ist eine Vergangenheit, eine Wissenschaft und Literaturgeschichte eigen. Sie sind Staatsbürger unserer Herzen. – Die andere Schicht ist das Niemandsland der Namenlosen. Wenn ich um 18 Uhr abends an der Ecke der Kékgolyó-Straße ankomme und sehe, dass der Rand des Sonnenscheins in einem gewissen Winkel auf die Burg fällt und die Olivenbäume des Vérmező ihren Schatten auf eine gewisse Weise werfen, werde ich immer wieder erschüttert. Diese Gemütsbewegung hat keinen Namen. Dabei stand schon jeder an der Ecke je einer Kékgolyó-Straße. Wie oft bin ich genötigt, dem namenlosen Gefühl einen konventionellen Namen zu geben! Und nicht nur um die Schraube der Logik der allgemeinen Vereinbarung mit Öl zu beträufeln. Nein. In meiner verständnislosen Verwirrung verderbe ich selbst die Sache, und stürze das Namenlose der Kékgolyó-Straße in eine Pfütze herbstlicher Nostal-gie oder in ein Becken historischer Begeisterung. Gewiss, zumal die herbstliche Nostalgie und die historische Begeisterung bereits unser Herz bewohnen. Ich glaube, es gehört zu den Pflichten des Dichters, immer mehr Namenlosem Bürgerrecht zu verschaffen.“ Wenige Seiten weiter fügte sie noch hinzu: „Mir vermitteln dieses Unbekannte hauptsächlich die Objekte, daher bin ich bemüht, dem Leser Objekte zu vermitteln. Einen Geysir, einen Ast, das Bruchstück einer Skulptur, eine Straßenbahn, die Kriegserlebnisse mitreißen können (der Krieg: Grunderfahrung meiner Generation) oder das Erlebnis der Natur (das Zusammenleben mit der Natur ist eine der bedrohten Nostalgien des heutigen Menschen), eventuell den Mythos eines ägyptischen Pharaonen (der moderne Mythos ist ein Modell unseres Lebensgefühls)“. In der Tat erscheinen in ihren Gedichten die biographischen Elemente durch mehrfache poetische Filter entfremdet. Wenn ich, ihren Platz von ihrer Generation abstrahierend, aufgrund ihrer poetischen Auffassung suche, so würden sie dem Kreis der Erschaffenden von sogenannter objektiver Poesie zugehören. Sie selbst meinte es auch so. Die objektive Lyrik sei keine Richtung, sondern, wie sie es in einem Essay erörterte, vielmehr eine Epochen überbrückende Methode. Zudem keinesfalls eine einheitliche Methode. Rilke, den sie auch übersetzt hatte, hatte sie beeinflusst, sie kannte die Gedichte und die Theorie von T. S. Eliot über die poetische Entpersönlichung, sie las die Dichter der Neuen Sachlichkeit, beobachtete die ähnlichen französischen Bestrebungen von Mallarmé bis zu den eigenen Zeitgenossen. Und sie kannte natürlich die ungarischen Präzedenzen von innen. Jenseits ihrer eigenen Neigungen kommt es vielleicht nicht von ungefähr, dass sie Anfang der 1950er Jahre ihre eigene Auffassung erschuf, als nach dem Krieg eine erneute Diktatur auf Ungarn lastete. Ágnes Nemes Nagy hatte nicht nur geschrieben, sondern auch ununterbrochen reflektiert, was sie tat. Dies ist für die Nachwelt um so wertvoller, als im größten Teil ihrer schöpferischen Jahre die Verhältnisse dem von ihr vertretenen Literaturideal nicht gewogen waren. Dieses Ideal hätte die Literatur vorrangig als Literatur betrachtet. Daher waren Ágnes Nemes Nagy die Fragen des poetischen Metiers so wichtig: Durch sie vertrat sie die Freiheit der Literatur zu einer Zeit, die wechselweise, anfangs mit grob administrativen, später auch mit umgesetzten Methoden diese Unabhängigkeit beschränken wollte. Sie war auch eine hervorragende Essayistin, ihre kristallklaren Aufsätze über die moderne Poesie hatten in der literarischen Welt der 70er und 80er Jahre einen Sensationswert. Zum Teil dadurch, dass sie in einer homogen durchpolitisierten und -ideologisierten Welt – die aber, zugegebenermaßen immer weniger eine offene Stellungnahme erforderte –, ihrem Beruf nachging. Und dies war eine eindeutige Stellungnahme. Sie selbst beobachtete ungläubig, dass sie es tun konnte, aber sie tat es. Den äußeren Rahmen ihres Lebens lieferte bis zu ihrem Auftakt als Dichterin der sich zum offenen Terror steigernde Faschismus, von 1948 an der Stalinismus, und im größten Teil ihrer Laufbahn, nach der Niederwerfung der 1956er Revolution, die allmählich milder werdende kommunistische Diktatur. Inzwischen konnte sie in drei Nachkriegsjahren die schwindende Illusion der Demokratie erleben, und an ihrem Lebensende erlebte sie den Sturz der Berliner Mauer und die demokratische Umwandlung Europas, deren Zerbrechlichkeit sie nicht mehr erleben konnte. Gemeinsame Erfahrung der osteuropäischer Völker ist es, dass die äußeren Eroberer und die innere regierende Klasse sich würgend auf ihr Alltagsleben setzten, das kleinste Detail festsetzten, und dem Individuum keinen Bewegungsraum zugestanden. Das freie Denken und das selbstständige künstlerische Schaffen waren hier zu jeder Zeit und in jedem Regime verdächtig. Die Politik ist mal gewaltsam, mal bewilligend, aber sie will sie immer ihrer Kontrolle unterziehen. Noch mehr, die extrem autokratischen Systeme erfordern, dass die Künstler sie lobpreisen. Dies wäre für in den westlichen Demokratien sozialisierte Dichter wie Philip Larkin oder Yves Bonnefoy gewiss eine unverständliche Situation. Das trifft aber nicht auf deutsche Schriftsteller wie z. B. Franz Fühmann zu und auch Ingeborg Bachmann dürfte Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht haben. In diesem Milieu, ihre geistige Unabhängigkeit verteidigend, schuf Nemes Nagy ihr Lebenswerk. In Ungarn gab es nie eine entwickelte Stadtkultur, ein selbstbewusstes, um seine Rechte kämpfendes Bürgertum, es gab immer nur Versuche, sie zu schaffen. In der in ewigem Feudalismus stecken gebliebenen Gesellschaft wurde die unentbehrliche fachkundige Schicht in den früheren Jahrhunderten von den Bürgern der emporstrebenden sächsischen und schwäbischen Städte gestellt, und ab Ende des 19. Jahrhunderts von dem sich assimilierenden Judentum bzw. dem verarmenden ungarischen Kleinadel. Die Ahnen von Nemes Nagy aus dem Norden Siebenbürgens waren solche fachkundigen Menschen. Ihr Vater war Anwalt, wie mehrere ihrer Vorfahren, und es gab in der Familie reformierte Priester, Lehrer und Ingenieure. Das ehemalige Land ihrer Geburt, das Partium, wurde Teil Rumäniens. Sie kamen nach Budapest und wohnten zeitweilig, wie viele andere auch, in einem Waggon der Bahn. Ihre Tochter wurde also nicht in idyllische bürgerliche Verhältnisse hineingeboren, aber die Verhältnisse der Familie ordneten sich bald und Ágnes Nemes Nagy erhielt eine hervorragende Bildung in der innigen und Sicherheit gewährenden Atmosphäre eines freiheitlich gesinnten reformierten Mädchengymnasiums, dessen Direktor der bedeutende ungarische Dichter Lajos Áprily war. Nach dem Abitur ließ sie sich einschreiben ins Fach Ungarisch-Latein-Kunstgeschichte der Budapester Universität, wo sie 1944 ihr Studium mit dem Diplom abschloss. Bereits während ihrer Studienjahre kam sie in Kontakt mit einigen bedeutenden Vertretern des literarischen Lebens, darunter mit dem hervorragenden Ästheten und in den letzten Jahrzehnten auch international bekannten Romancier Antal Szerb, den sie während des nationalsozialistischen Terrors vergeblich zu retten versuchte: er wurde beim Arbeitsdienst totgeschlagen. 1944 schloss sie die Ehe mit dem Kritiker Balázs Lengyel. Im selben Jahr erschien ihr erster Lyrikband Kettős világban, für den sie die bedeutendste literarische Anerkennung der Zeit, den Baumgarten-Preis erhielt. 1946 lancierte sie mit Balázs Lengyel und anderen Vertretern ihrer Generation die kurzlebige, aber epochemachende Zeitschrift Újhold (Neumond), der 1948 unheilverkündende politische Angriffe zuteil wurden. Das Blatt wurde bald schon finanziell untergraben. Nach seiner Einstellung wurden sie und ihre Kompagnons aus dem literarischen Leben verdrängt. Ihre Gedichte konnten nicht erscheinen, bzw. sie war für politische Kompromisse oder um etwas zu schreiben, was hätte veröffentlicht werden können, nicht bereit. Aber sie übersetzte, und nach gewisser Zeit konnte sie Kindergedichte veröffentlichen. Von 1954 an unterrichtete sie im Gymnasium. Ab 1958 bestritt sie ihre sehr bescheidene Lebensunterkunft aus ihren Schriften und Übersetzungen. 1957 erschien ihr zweiter Band Szárazvillám (Trockenblitz). 1958 trennte sie sich von ihrem Mann, zu dem sie weiterhin enge schöpferische Verbindung pflegte. Ihr dritter Band Sonnenwende erschien weitere zehn Jahre später, 1967. Danach ordnete sie – ein fast beispielloses Exempel in der ungarischen Literatur statuierend – ihre neuen Gedichte keinen selbständigen Bänden zu, sondern fügte sie in ihre stets erweiterten Auswahl- und Sammelbände ein. A lovak és az angyalok (Pferde und Engel) (1969), Között (Dazwischen) (1981) und A föld emlékei (Erinnerungen der Erde) (1986) sind Stationen dieses außerordentlich anspruchsvollen Lebenswerks. Seit Anfang der 1960er Jahre durfte sie hier und da in westeuropäische Länder reisen und an Fachkongressen teilnehmen. 1979 nahm sie teil am Iowaer Programm für internationale Schriftsteller in den Vereinten Staaten von Amerika, ihre Gedichte erschienen auf Englisch. Sie führte Tagebuch über ihre Auslandsreisen, die post mortem erschienen. Ihrer Arbeit wurde mit bedeutenden Preisen Anerkennung gezollt. Ihre Radio- und Fernsehauftritte sowie seltene literaturpolitische Wortmeldungen wurden mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, denn ihren Worten verlieh ihr ganzes Leben und Werk Authentizität, größtenteils gerade dadurch, da sie sich nie auf ihre Heimsuchungen berief. Sie wurde zum Richtpunkt, und war Vorbild durch Haltung, ohne dies erstrebt zu haben. Nach drei Jahrzehnten konnte 1986 in Form eines Jahrbuchs ihre ehemalige Zeitschrift, das Újhold-Évkönyv (Neumond-Jahrbuch), wieder starten, dessen wichtigstes redaktionelles Prinzip ein allen Strömungen übergeordneter kritischer Geist war. Die Jahrbuch-Reihe erlosch 1991 mit ihrem Tod. Die Bedeutung der Dichtung Ágnes Nemes Nagys ist mehrschichtig. Zwar war ihr der experimentelle Radikalismus fern, dennoch hat sie die ungarische Lyrik wahrhaftig erneuert. Die Literaturkritik hat dies erst nach und nach, in den ihrem Tod folgenden Jahrzehnten zur Kenntnis genommen. Sie hat aber nicht nur dadurch Neues erbracht, dass sie entgegen der Tradition der subjektiven, flüchtige Eindrücke festhaltenden biographischen Erlebnisdichtung – eine objektive Dichtung pflegte, sondern auch, weil sie der lyrischen Wortmeldung einen ausgearbeiteten gedanklichen Rahmen verlieh. Die poetische Sprache, die den namenlosen Erfahrungen einen Namen verleiht, ist eine Form der Erkenntnis. Dazu musste sie Kompositionen schaffen, die auch dem Leser eine neue rezeptive Anschauung abverlangen. Diese neuen Gedichte sind möglicherweise schwer, zusammengesetzt, sie bewegen sich über komplizierte Ideenverknüpfungen, aber ebenso sind auch die Erfahrungen der Menschen, die das 20. Jahrhundert erlebt haben und dessen geschichtlich-politischen Ereignisse verstehen wollen, schwer und zusammengesetzt. Wer sie aber zu lesen lernt, dem werden sie trotzdem transparent, vom Humanismus der Verfasserin durchleuchtet. Für sie hat das poetische Wortergreifen einen moralischen Inhalt. Aber das Gedicht als Kunstschöpfung – als Objekt – muss sich mit poetischen Mitteln authentifizieren. Nemes Nagy ist eine der prominentesten Formkünstlerinnen der ungarischen Dichtungsgeschichte, die jedoch nie mit ihrer überlegenen Virtuosität prahlte. Sie benutzte ihre Mittel funktional, sparsam. Sie sprach oft auch darüber, dass in der Literatur die höchste Qualität das verpflichtende Minimum ist, die Authentizität sei aber nie eine ausschließlich ästhetische Frage. Ágnes Nemes Nagy hatte eine sehr dezidierte Meinung von der Politik. Sie definierte ihre Auffassung entlang der liberal-humanistischen Werte. Ihrer Überzeugung nach kann der Dichter seine künstlerische Freiheit keiner politischen Bewegung unterordnen. In ihren Gedichten – beispielsweise in Echnatons Nacht die 1956er Revolution – erscheint das Politikum in einer ebenso objektivierten Form wie jedes andere Thema auch. Auch darin brach sie mit einer sehr starken Tradition der ungarischen Dichtung, und zwar nicht der begrenzenden Diktatur, sondern der eigenen gedanklichen Ansprüche wegen. Ágnes Nemes Nagys Dichtung ist in einer weiteren Annäherung definierend und befreiend. Von den 1960er Jahren an, als ihre Bedeutung immer unwiderlegbarer wurde und den in der westlichen Welt sich entfaltenden Frauenbewegungen im totalitären System kein Raum zustand, wurde sie für viele, besonders für ihre jüngeren Berufskolleginnen, zum persönlichen Beispiel für eine Haltung, die an der Gleichberechtigung der Geschlechter keinen Zweifel lässt. Für diese Vorbildrolle war sie auch dadurch geeignet, dass ihren Gedichten die eindimensionale Empfindsamkeit fern war, die konservative Kritiker für gewöhnlich mit der Frauendichtung assoziieren. Diese Rolle wird durch den umfangreichen, nach ihrem Tod erschienenen Interviewband dokumentiert. Die inneren Spannungen ihres Lebens und ihrer Dichtung wurden sichtbar, als nach ihrem Tod aus dem Nachlass jene Hefte auftauchten, in die sie jahrzehntelang Gedichte und Gedichtskizzen notierte, die ihrer sonstigen, der Öffentlichkeit zugestandenen Poetik diametral entgegen standen. Ein unerwarteter, bruchstückhafter Fund, der ihr poetisches Lebenswerk ungefähr verdoppelte, und der zahlreiche wunderbare Werke beinhaltet – unter anderem jene den Gipfel ihrer Lyrik markierende Poesie Über Gott –, die ihre ganze Aktivität wie im Gegenlicht beleuchtet. So wurde das Lebenswerk von Ágnes Nemes Nagy nicht einfach zu einer Reihe hervorragender Gedichte, sondern auch zur gedanklich ausgearbeiteten einheitlichen Komposition. An ihrem Lebensende bedauerte sie bitter, so vieles nicht mehr geschrieben zu haben. „Riesige, unglaubliche Löcher gibt es in meinem Lebenswerk. Jetzt sehe ich es, da ich den gesammelten Essayband zusammenstelle“, schrieb sie in einer kurzen Notiz. Die Nachwelt sieht es aber anders. Auch in ihrer Geschlossenheit bleibt ihre Dichtung, auf deren äußeren Ringen ihre Kindergedichte und Übersetzungen Platz nehmen, offen, mutig und rein, und die glänzend geistreiche Interpretation dazu liefern ihre Essays, eine der wunderbarsten Leistungen der Lyrikgeschichte des 20. Jahrhunderts. Julia Schiff ist berufene Übersetzerin der ungarischen Gegenwartslyrik. Die hier figurierenden Gedichte hat sie nach gründlichem Studium des lyrischen Lebenswerks von Ágnes Nemes Nagy ausgewählt. Sie konzentrierte sich dabei auf vier Hauptthemenkreise: den Echnaton-Zyklus, die um die geologisch-meteorologischen Metaphern gruppierten Kompositionen Nemes Nagys objektivierender Lyrik, die Naturlyrik und die seltenen persönlichen Gedichte. Diese Motive durchweben den Band wie vier Leitmotive. Wir geben die Gedichte in der von Ágnes Nemes Nagy herausgebildeten Reihenfolge wieder, in die wir die aus dem Nachlass aufgetauchten Werke einfügen. Es muss erwähnt werden, dass Julia Schiff nie die formelle Treue anstrebte. Sie hätte es auch kaum tun können. In ihrem bereits zitierten Essay war sich Ágnes Nemes Nagy dessen wohl bewusst, was für ein Problem die Übersetzung ungarischer Gedichte bedeute. Das den finnougrischen Sprachen zuzuordnende Ungarisch ist, in Abweichung von den indoeuropäischen Sprachen, eine flektierende Sprache – ein Umstand, der sich auch auf die Versifikation auswirkt. „Dem ist auch zuzuschreiben – schrieb sie –, dass die ungarische Lyrik des 20. Jahrhunderts, die Flexibilität ihrer Sprache, d. h. ihr Reichtum an Assonanz ausnutzend, in viel größerem Maße Reime anbietet als dies in der Weltliteratur üblich ist. Und was die Rhythmik angeht: Die scharfe Trennbarkeit der Silben des Ungarischen ermöglichte es, dass in der ungarischen Dichtung drei rhythmische Systeme koexistieren: ein betontes, ein gereimt-metrisches und ein klassisch-metrisches. Und dies macht sie kaum zu übersetzen“. Eine Übersetzung, die steif den Reimen und der Metrik des Originals folgt, erreicht leicht eine andere Wirkung als die erwünschte. Sie würde diese sehr modern musikalische, wenn nötig, klassisch geschlossene, mal dissonant gehetzte Poesie konventionell machen. Die ungebundene Form lässt Ágnes Nemes Nagys Stimme paradoxerweise treuer erklingen. Győző Ferencz
Aktualisiert: 2021-08-05
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Das ist Menschensache!…

Das ist Menschensache!… von Gehrisch,  Peter, Norwid,  Cyprian K
Cyprian Kamil Norwid (1821–1883), Dichter, Philosoph, Bildhauer und Maler; Zeitgenosse von Gérard de Nerval und Charles Baudelaire, gilt als Begründer der modernen polnischen Dichtung. Aufgrund eigenwilliger und außergewöhnlich bizarrer Diktion zu Lebzeiten kaum publiziert, verkannt, im Clinch mit der Gesellschaft der Salons in Paris, steht er heute auf dem Piedestal der großen Dichter Polens. Im Gegensatz zur französischen Schule des Symbolismus geht der 'polnische Baudelaire' durchaus von anderen Prämissen aus. In der Form so verblüffend neuartig wie sie, erscheint sein Verständnis für Werte in vielem entgegengesetzt. Mit Beispielen aus dem Schaffen Norwids trägt der Band zur weiteren Ausleuchtung der Moderne bei.
Aktualisiert: 2021-05-05
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Das Märchen hebt an, guten Abend!

Das Märchen hebt an, guten Abend! von Gehrisch,  Peter, Lewkowicz,  Piotr Patryk, Pop,  Traian
Inspiriert von Märchen und Kosmos, gibt Peter Gehrisch in seinen Berichten Auskunft über innere Welten, in die er als Kind mit angehaltenem Atem eindrang. Viele Motive der Wundergeschichten stehen in Korrespondenz mit den Sternen, die sich in Taler, Geschmeide und Perlen verwandelt haben. Der Goldglanz des Tagsterns, die Silberstrahlen des Mondes: kosmische Flutung, die den kleinen Geschichten ihre Eigenart zuteilt. So entstanden einige Märchen aus den Gebilden der Sterne, »Rotkäppchen«, »Der Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Swinegel«, »Der Wolf und die sieben jungen Geißlein«. »Der Wolf und die sieben jungen Geißlein«. Und für die Allegorien des Todes, um den sich alles dreht, stehen die Spindel, der Weltbaum und die magische Mühle. In welchem Verhältnis sich das Märchen zum Kosmos verhält, damit setzt sich der Text auseinander, ein narrativer Bericht mit feuilletonistischen Splittern. Die Erfahrungen seiner frühen Kindheit während des Krieges und des Nachkriegs- geschehens verbindet Gehrisch mit der Bedeutung dieser Wundergeschichten und setzt sie in ein Verhältnis zu jenem, was man mit dem Wort »Zeit« übersetzt. Waren die Tage schon kürzer, wurden wir Kinder zum Abendessen gerufen. Darauf ertönten liebliche Glocken im Haus, ting-ting-tingeling, wie ein verhaltenes Rieseln, exotische Klänge als Zeichen für eine geruhsame Runde in der Veranda. Großmutters Glocken waren ein Reiseandenken meines verstorbenen Ahnen. Das Klanginstrument, das sie Tintin- nabulum nannte, bewahrte sie in der Kommode. Es bestand aus kleinen silbernen Glöckchen, verbunden mit einem ebenso silbernen Trag-Element. – Die Kinder warteten schon auf das Klingelgeräusch und kamen die vielen Stufen hinauf, huschten durch die geöffnete Pforte und ließen sich leise im Kreis um meine Großmutter nieder. Dann begann sie mit ihren seltsamen Wundergeschichten. Der Himmel vorm Fenster verfinsterte sich, die Sterne blinkten von oben, gleich unter dem Dach, durchs Fenster hinein. Wenn sie die Lippen bewegte, schien das Rieselgeräusch noch immer zu klingen und führte uns Wege und Stege in Hütten, Paläste, durch Wiesen und Wald. Auch hier, und an geeigneter Stelle, soll das Klanginstrument auf das jeweils neue Kapitel verweisen.
Aktualisiert: 2020-07-08
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„So streicht das Leben dahin…“. Gedichte, vietnamesisch / deutsch. Ins Deutsche übertragen von Peter Gehrisch.

„So streicht das Leben dahin…“. Gedichte, vietnamesisch / deutsch. Ins Deutsche übertragen von Peter Gehrisch. von Brudnicki,  Jan Zdzisław, Gehrisch,  Peter, Lebioda,  Dariusz Tomasz, Pop,  Traian, Quang Mỹ,  Lâm
Der Titel des Bandes „So streicht das Leben dahin…“ assoziiert uns ein sentimentales Lied. Denn der Autor ist nicht nur als Künstler der Feder bekannt, sondern auch als Interpret seiner eigenen Gedichte in Form des Gesangs. Er macht das wundervoll. Er singt nicht nur vor dem Publikum mit Empathie, sondern mit jedem Gedicht erzeugt er eine besondere Aura. (...) Die Kunst mit dieser Gabe, wenn man sie vermittelt bekommen hat, besteht darin, andere zu erreichen. Aber sie ist es, die den Sinn herausbringt, sie erregt die Aufmerk- samkeit, zeigt die andere Seite der Natur und erlaubt die Blütenpracht der Poesie zu versammeln. So entsteht die tiefe Me- ditation über das, was uns umgibt: den Baum, den Nebel, den Fluss, den Rauch, die Blüte. Aber sie erlaubt auch in die mys- tische Landschaft einzudringen, wie sie Leśmian beschrieb, das Ganze der Mensch- heit, der Landschaft, des Kosmos nur in einem Quäntchen zu sehen. Jan Zdzisław Brudnicki
Aktualisiert: 2020-07-01
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Chronos, preise mir jetzt nicht das Chaos!

Chronos, preise mir jetzt nicht das Chaos! von Gehrisch,  Peter, Traian,  Pop
Er sucht nach Antworten auf rätselhafte Fragen … Danach, was unwiederbringlich vergangen ist wie die Zeugen ständiger Veränderungen „im großen Pendel der Zeit“, und obwohl er einen gewissen Niedergang wahrnimmt …, verfällt er nicht in Hoffnungslosigkeit, sondern vermittelt seine Botschaften an die Leser und an zukünftige Generationen … Marek Sekyra, Světlik, Liberec, Tschechien, 2017 Peter Gehrisch benutzt das Wort im ursprünglichen Sinne: als Me- tapher eines menschheitlichen Zustandes, als verlorengegangene oder wiederzugewinnende Uto- pie, zu der der Mensch unterwegs ist. Dorothea von Törne, Berlin 1993
Aktualisiert: 2019-03-28
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Donjebjesspěće / Himmelfahrt

Donjebjesspěće / Himmelfahrt von Cvijetić,  Mićo, Dorothea,  Šołćina/Scholze, Dyrlich,  Benedikt, Gehrisch,  Peter, Pop,  Traian
Begegnungen mit Mićo Cvijetić Mit Mićo Cvijetić, dem 1946 geborenen Dichter und Journalisten aus Belgrad, habe ich mich in den vergangenen Jahren mehrfach getroffen, was verschiedene Gründe hatte. Besonders verbindet uns die serbische und die sorbische Poesie, und das nicht nur wegen des Bekenntnisses, dass jeder von uns bemüht ist, das Schaffen des anderen kennenzulernen, sich damit auseinanderzusetzen. Wir beide sind gemeinsam davon überzeugt, dass es nötig ist, über die serbische Literatur in der Lausitz und in Deutschland zu informieren, sie nach unseren Möglichkeiten zu verbreiten, zu popularisieren. Und umgekehrt ist es nötig, dass auch die Serben auf dem Balkan etwas über die Literatur ihrer Brüder und Schwestern in der Lausitz erfahren. Dabei wissen wir, dass viele Serben außerhalb des serbischen Staates leben, darunter auch in Deutschland; und viele Lausitzer Sorben haben ihre neue Heimat gleichfalls außerhalb ihres Geburtsortes gefunden, etwa in Frankfurt, Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart und München. Des Weiteren bin ich mir mit meinem serbischen Kollegen und Freund darin einig, dass sich mittels direkter literarischer und künstlerischer Kontakte nicht nur die Ignoranz zwischen Menschen und Völkern in Neugier und Interesse für die näheren und ferneren Nachbarn umwandeln lässt. Nein, der kulturelle Austausch sichert die Entdeckung unterschiedlicher geistiger „Ressourcen“, er vermag kritische und schöpferische Kräfte sowie breitere und tiefere Aussichten auf die eigenen Traditionen zu wecken. Unter diesem Aspekt konnte ich mit Mićo Cvijetić und weiteren Freunden und Gönnern in Serbien und der Lausitz in den vergangenen Jahren mehrere literarische Projekte verwirklichen helfen. Unter anderem haben wir dank des Sorbischen Künstlerbundes serbische Lyriker mehrmals zu unseren internationalen Festen der sorbischen Poesie in die Lausitz eingeladen; und mehrere sorbische Lyriker weilten bei Poesiefesten in Serbien. Ein offenkundiger Ertrag und ein Höhepunkt solchen Austausches ist die Anthologie neuer sorbischer Lyrik „Wokomiki słónca“ (Sonnige Augenblicke), die 2013 in der serbischen Stadt Smederevo zweisprachig erschien. Dafür habe ich mit Mićo Cvijetić und dem jungen Lyriker, Übersetzer und Germanisten Dr. Jan Krasni aus Belgrad Gedichte von dreizehn sorbischen Autorinnen und Autoren ausgewählt; außer meinen sind in der Sammlung Gedichte von Beno Budar, Róža Domašcyna, Marion Kwicojc, Lenka (d. i. Christiana Piniekowa), des verstorbenen Kito Lorenc, Jurij Łušćanski, Tomasz, Benjamin und Maksymilian Nawka, von Lubina Hajduk-Veljković, Měrana Cušcyna und Dorothea Šołćina veröffentlicht. Wie ich bei der Buchmesse in Banja Luka (Republik Srpska in Bosnien-Herzegowina) Mitte September 2017 von Mićo Cvijetić hörte, ist die Anthologie vergriffen. Unter den literarisch interessierten Serben hat sie Bewunderung und Anerkennung hervorgerufen, weil sie das vielseitige literarische Schöpfertum in der Lausitz zum Ausdruck bringt. Auch die neue Generation von Schriftstellern ist darin präsent, damit zudem neue Erfahrungen und Sichten auf die Welt und auf uns Sorben. Zugleich bestätigt diese Anthologie, dass wir etliche gute sorbische Lyrikerinnen haben. In einer einstündigen Präsentation auf der Buchmesse (in Banja Luka) hat Mićo Cvijetić neueste literarische Ergebnisse sorbisch-serbischer Wechselseitigkeit vorgestellt: Erstens war dies eine im Pop-Verlag publizierte Anthologie von Werken sorbischer und mit uns Sorben verbundener deutscher und slawischer Schriftsteller. Sie ist im Frühjahr 2016 in der deutschsprachigen Ludwigsburger Zeitschrift „Bawülon“ (Heft 1/2016) unter dem Titel „Die Sorben und ihre Freunde“ herausgekommen. In diese Edition wurden auch Gedichte von Mićo Cvijetić, Jan Krasni aus Belgrad und Goran Djordjević aus Smederevo aufgenommen. Zweitens haben wir aus meiner sorbisch-serbischen Sammlung „JANSKE NOCY/ИВАЊСКЕ НОЋИ“ (Johannisnächte) gelesen, die Mićo Cvijetić im ältesten serbischen Verlag „Srpska književna zadruga“, gegründet 1882, herausgegeben hat. Unsere gemeinsamen Lesungen meiner sorbischen Gedichte und ihrer serbischen Übertragungen durch Mićo Cvijetić vernahm das Publikum in beiden Sprachen. Bei jener Buchmesse und beim erwähnten 2. internationalen Poesiefest in Banja Luka hat Mićo Cvijetić zugleich die Wurzeln der sorbisch-serbischen literarischen Verbindungen hervorgehoben. Sie gehen zurück, so seine Botschaft, auf die ersten Kontakte zwischen Sorben in der Lausitz und Serben auf dem Balkan in der Epoche der nationalen Wiedergeburt während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Damals, von Ende 1825 bis Anfang 1827, hielt sich der bedeutende serbische Dichter Sima Milutinović Sarajlija (1771-1847) in Leipzig auf. Dort knüpfte er Beziehungen zu dem sorbischen Dichter Handrij Zejler (1804-1872), der zur selben Zeit in dieser Stadt Theologie studierte. Doktor Mićo Cvijetić ist ein souveräner Kenner unserer gemeinsamen Geschichte, schließlich hat er seine Dissertation über die sorbisch-jugoslawischen Literaturbeziehungen im Oktober 1989 an der Philologischen Fakultät der Universität Belgrad erfolgreich verteidigt; die Doktorarbeit gab die wissenschaftliche Vereinigung Matica srpska 1995 in Novi Sad als Buch heraus. Im Jahr 2009 hat Mićo Cvijetić in einer eindrucksvollen Essay- Sammlung diese historischen Verbindungen, welche bis in die Gegenwart reichen, anschaulich beschrieben. Das Buch, das längst auch in Sorbisch und Deutsch hätte erscheinen können und sollen, hat den Serben nicht nur in Serbien dabei geholfen, Augen und Herzen für das Schicksal des kleinsten slawischen Volkes innerhalb Deutschlands zu öffnen. In Leipzig habe ich Mićo Cvijetić in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts kennengelernt, als ich dort Theaterwissenschaften studierte und im sorbischen Internat viele, vor allem literarische Veranstaltungen mit organisierte. An diesen nahm mitunter der seinerzeit aktive und inzwischen aktivste Unterstützer sorbischer und auch deutscher Schriftsteller in Serbien teil. Mićo Cvijetić war von August 1976 zunächst sieben Monate Stipendiat der Journalistensektion und danach von 1978 bis 1982 Lektor im Bereich Sprachwissenschaften an der Leipziger Universität. Wie er mir bei einem Gesprächsabend in Banja Luka verriet, weckten in ihm damals mehrere sorbische Dozenten „ein historisches Interesse und eine Liebe zur sorbischen Sprache und zur sorbischen Literatur“, unter ihnen Prof. Dr. Heinz Schuster-Šewc, Prof. Dr. Lucija Hajnec, Prof. Dr. Jan Brankačk, Marko Meškank und Manfred Starosta. Bei seinen Reisen von Leipzig in die Lausitz lernte er dann viele weitere Sorben kennen, zu denen er eine ständige Verbindung unterhielt und unterhält. In Leipzig hat Mićo Cvijetić auch recht gut Sorbisch und Deutsch gelernt. Alle seine Übersetzungen unserer Poesie ins Serbische beruhen auf dem sorbischen Original. Wir unterhalten uns grundsätzlich zweisprachig: Er spricht serbisch und ich sorbisch. Zetkanja z Mićom Cvijetićom Z Mićom Cvijetićom, lěta 1946 rodźenym basnikom a nowinarjom z Beograda, sym so w minjenych lětach wospjet zetkawał, štož ma najwšelakoriše přičiny. Wosebje wjaza naju serbiska a serbska poezija, a to nic jenož z wuznaćom, zo so kóždy z naju prócuje tworjenje druheho zeznać, so z nim rozestajeć. Smój wo tym pře- swědčenaj, zo je trjeba wo serbiskej literaturje w Serbach a Němskej informować, ju po swojich móžnosćach popularizować. A nawopak je trěbne, zo tež Južni Serbja něšto wo literaturje swojich sotrow a bratrow we Łužicy zhonja. Při tym wěmoj, zo su mnozy Južni Serbja zwonka serbiskeho stata žiwi, tež w Němskej; a wjele Łužiskich Serbow ma swoje nowe doma tohorunja zwonka swojeho ródneho městna, na přikład w Frankfurće, Berlinje, Hamburgu, Kölnje, Stuttgarće a Mnichowje. Dale sym sej ze serbiskim kolegu a přećelom wědomy, zo so z pomocu bjezposrědnych literarnych a wuměłskich stykow njehodźi jenož ignoranca mjez ludźimi a ludami přetworić do wćipnosće a zajima za blišich a dalšich susodow. Ně, kulturna wuměna zaruča wotkryće najwšelakorišich duchownych „resursow“, wona móže budźić kritiske a tworićelske mocy kaž tež wobšěrniše a pohłubšene zhladowanja na swójske tradicije. Pod tajkim wobzorom sym z Mićom Cvijetićom a dalšimi přećelemi a dobroćelemi w Serbiskej a w Serbach w minjenych lětach wjacore literarne projekty zwoprawdźić pomhał. Mjez druhim smy sej z pomocu Zwjazka serbskich wuměłcow serbiskich basnikow wospjet na swoje mjezynarodne swjedźenje serbskeje poezije do Łužicy přeprosyli; a wjacori serbscy basnicy přebywachu tež na swjatkach poezije w Serbiskej. Wočiwidny wupłód a wjeršk tuteje wuměny je antologija noweje serbskeje poezije „Wokomiki słónca“, kotraž bě lěta 2013 w serbiskim Smederevje dwurěčnje wušła. Za nju sym z Mićom Cvijetićom a młodym basnikom, přełožowarjom a germanistom dr. Janom Krasnim z Beograda basnje třinaće serbskich awtorkow a awtorow wubrał; nimo mojich su w zběrce wozjewjene basnje Bena Budarja, Róže Domašcyneje, Marion Kwicojc, Lenki, njeboh Kita Lorenca, Jurja Łušćanskeho, Tomasza, Benjamina a Maksymiliana Nawki, Lubiny Hajduk-Veljkovićoweje, Měrany Cušcyneje a Dorotheje Šołćineje. Kaž sym na knižnych wikach w Bani Luce (Republika Srpska w Bosniskej-Hercegowinje) srjedź septembra 2017 wot Mića Cvijetića słyšał, je antologija rozebrana. Mjez literarnje zajimowanymi južnymi Serbami je wona wobdźiw a připó- znaće wubudźiła, dokelž skedźbnja na mnohostronsku literarnu tworjawosć w Serbach. Tež nowa generacija spisowaćelow so w njej jewi, z tym nowe nazhonjenja a widy na swět a serbstwo. Zdobom antologija wobkruća, zo mamy tójšto dobrych serbskich basnjerkow. W hodźinskej prezentaciji na knižnych wikach (w Bani Luce) je Mićo Cvijetić najnowšej literarnej wunoškaj serbsko-serbiskeje mjezsobnosće předstajił: Sprěnja bě to w nakładnistwje Pop publikowana antologija twórbow serbskich a z nami Serbami zwjazanych němskich a słowjanskich spisowaćelow. Wona je loni nalěto w němskorěčnym Ludwigsburgskim časopisu „Bawülon“ (1/2016) pod hesłom „Serbja a jich přećeljo“ wušła. Do tuteje edicije su tohorunja basnje Mića Cvijetića, Jana Krasneho z Beograda a Gorana Djordjevića ze Smedereva zapřijate. Zdruha čitachmoj z mojeje serbsko-serbiskeje zběrki „JANSKE NOCY/ИВАЊСКЕ НОЋИ“, kotruž je Mićo Cvijetić w najstaršim nakładnistwje Serbiskeje „Srpska književna zadruga“, załoženym lěta 1882, wudał. Naju přednoški mojich serbskich basnjow a jeho serbiskich přełožkow słyšeše publikum we woběmaj rěčomaj. Na knižnych wikach a na mjenowanym 2. mjezynarodnym swjedźenju poezije w Bani Luce je Mićo Cvijetić zdobom ko- rjenje serbsko-serbiskich literarnych stykow wuzběhnył. Wone wuchadźeja, tak jeho poselstwo, z prěnich kontaktow mjez Serbami we Łužicy a Serbami na Balkanje w času narodneho wozrodźenja w prěnjej połojcy 19. wěka. Tehdy, wot kónca 1825 do spočatka 1827, přebywaše w Lipsku wuznamny serbiski basnik Sima Milutinović Sarajlija (1771-1847). Tam nawjaza wón zwisk ze serbskim basnikom Handrijom Zejlerjom (1804-1872), kiž tam w samsnym času teologiju studowaše. Dr. Mićo Cvijetić je wustojny basnik, přełožowar a znajer našich zhromadnych stawiznow, wšako bě swoje doktorske dźěło wo literarnych serbsko-juhosłowjanskich poćahach w oktobrje lěta 1989 na Filologiskej fakulće uniwersity w Beogradźe wuspěšnje zakitował; disertaciju wuda Matica srpska potom 1995 w Nowym Sadźe jako knihu. Lěta 2009 bě Mićo Cvijetić samo we wurjadnej prozowej zběrce esejow wo nas Serbach tute historiske poćahi, sahace hač do přitomnosće, nazornje wopisował. Kniha, kotraž by móhła a měła dawno tež serbsce a němsce wuńć, je mjez južnymi Serbami nic jenož w Serbiskej pomhała, woči a wutrobu wotewrić za dóńt najmjeńšeho słowjanskeho ludu na teritoriju Němskeje. W Lipsku sym so w druhej połojcy 70tych lět zašłeho lětstotka z Mićom Cvijetićom zeznał, jako tam dźiwadłowe wědomosće studowach a w serbskim internaće mnohe, wosebje literarne zarjadowanja sobu organizowach. Na nich so druhdy tehdy aktiwny a dźensa najaktiwniši podpěraćel serbskich a tež němskich spisowaćelow w Serbiskej wobdźěli. Mićo Cvijetić bě wot awgusta 1976 najprjedy sydom měsacow stipendiat žurnalistiskeje sekcije a potom wot lěta 1978 do 1982 lektor we wobłuku rěčnych wědomosćow Lipšćanskeje uniwersity. Kaž mi na bjesadnym wječorku w Bani Luce přeradźi, wubudźichu w nim tehdy w Lipsku wjacori serbscy wučerjo sorabistiki „stawizniski zajim a lubosć k serbskej rěči a serbskemu pismowstwu“, mjez nimi prof. dr. Hinc Schuster-Šewc, prof. dr. Lucija Hajnec, prof. dr. Jan Brankačk, Marko Meškank a Manfred Starosta. Na swojich zajězdach z Lipska do Łužicy zezna wón potom mnohich dalšich Serbow, z kotrymiž wudźeržowaše a wudźeržuje wobstajne styki. W Lipsku nawukny Mićo Cvijetić dosć derje serbsce a němsce. Wšitke jeho přełožki našeje poezije do serbišćiny wuchadźeja ze serbskeho originala. Z Mićom rozmołwjam so zasadnje dwurěč- nje: Wón rěči serbisce a ja serbsce. Benedikt Dyrlich
Aktualisiert: 2020-05-07
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Wenn das Lied sich vom ermüdeten Körper befreit.

Wenn das Lied sich vom ermüdeten Körper befreit. von Barbakadse,  Dato, Chotiwari,  Artschil, Chotiwari-Jünger ,  Steffi, Crauss., Gehrisch,  Peter, Ledebur,  Benedikt, Lisowski,  Maja, Rothfuss,  Uli, Traian,  Pop
Das Curriculum Vitae des Dichters, der 1966 in Tiflis zur Welt kommt, kann ... Aufschlussreiches vermitteln. Nach der Schule erlernt Barbakadse das Schlosserhandwerk und ist auf diese Weise mit Statik und Mechanik der Metalle befasst, ein Arbeitsgebiet, das ihm eine Basis realen Daseins vermittelt. Noch als Sowjetbürger leistet er zwei Jahre lang seinen Militärdienst (d.h. Unterordnung und Brüte-Station für den eingeschlossenen Geist), dann folgt das Studium der Philosophie, Soziologie und der Alten Geschichte. Der Versuch der Kommunikation mit seinesgleichen, die – selbstredend – seinesgleichen nicht sind, gestaltet sich als weniger lenkbar. So nämlich erfährt er sich als Outcast, entfernt sich für einige Zeit von Haus und Heim, gelangt 2002 nach Deutschland und gründet 2005 das Buchreihenprojekt Öster- reichische Lyrik des 20. Jahrhunderts, dessen Leitung er über- nimmt. Damit stellen sich für Barbakadse (der die wissenschaftliche Laufbahn zugunsten der Dichtung verließ) denkbare Positionen zum Zwiegespräch ein. Peter Gehrisch
Aktualisiert: 2018-11-01
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Rückkehr aus dem Exil

Rückkehr aus dem Exil von Comănescu,  Denisa, Cornelius,  Jan, Gehrisch,  Peter
Denisa Comănescus Dichtung kreist um eine Erfahrung, die ihr das schwierige Leben in Rumänien eintrug – mit der Familie, Vater, Mutter, Großmutter, Gefährten der Kindheit, Geliebten, Personen aus ihrem Umkreis. Ihre Motive sind die Beengung, die Randständigkeit, Suizid, die Zuflucht zum Buch, zur Literatur und zur Kunst. Sie sind erfüllt vom Pendeln zwischen Freude am Dasein und Trostlosigkeit, einem Spannungsverhältnis zwischen dem Traum der Kindheit und der Empirie einer erwachsenen Frau, welche das Zartgefühl trotz allem in ihrem Inneren nicht aufgeben kann. In ihrem Gedicht „Persephone“ verwendet Comănescu ein Zitat Ezra Pounds – „Here let thy clemency, Persephone…“ –, das ihre Neigung verdeutlicht. Die Brutalität des Lebens aber zwingt das hier umrissene Subjekt zur Demonstration von Gefühllosigkeit und Anpassung an Verhaltensmuster in der Gesellschaft. „Nur ich noch gehe der Freude entgegen / mit Beinen aus Zucker kommt sie durch einen Fluss / auf mich zu.“ („Nur ich noch gehe der Freude entgegen“) Zu finden sind frappante Metamorphosen des Traums und des Albtraums: „… ich reise / auf einem riesigen Schwan / die leeren Autobahnen entlang“ („Die Vertreibung aus dem Paradies 1979“) – „ich irre durch eine Stadt / […] ich spür nur ein finsteres Eisen / wie es sich stiehlt in mein Blut / bei jeder Bewegung. Sooo. / Und mir fehlt es an Kraft.“ („Die Provokation“) Im Bezug auf Fragen der Liebeserfüllung verschanzt sich das leidende, indessen scheinbar abgeklärte Ich hinter grotesken Situationen. „[…] der Ex-Geliebte klopft an die Tür / ich bin zusammen mit meinem Freund“ („Der Fisch“) Im folgenden führt die peinliche Begegnung in eine absurde, abseits liegende Handlung, indem die Autorin von einem „chinesischen Karpfen“ spricht, dessen „Leiche“ von einem „Zigeuner“ durch „die ganze Stadt“ getragen wird. Politische Themen kommen nicht offen zur Geltung, obgleich Comănescu einen großen Teil innerhalb der Ceaușescu-Diktatur verbracht hat. Allenfalls sind sie zwischen den Zeilen erfahrbar: „Großmutter hat mich das Vaterunser gelehrt / aber nur für zu Hause.” („Meinem Vater“) Mit „Die Welt der Sprache“ wird das Verhältnis zwischen Weltgeschehen und Schicksal der Einzelperson in eine gültige Formel gebracht und ist Gedichten der Weltliteratur ebenbürtig: Der Krieg ist real. Die ruhigen Abende wie auch der Mond sind täuschende Pausen Animation zu Verbrechen. Die Worte stehlen sich fort. Derart verletzlich und in Welteinsamkeit. Denisa Comănescu zählt zu den bedeutendsten rumänischen Gegenwartsdichterinnen, ihre Gedichte wurden in fünfzehn Sprachen übersetzt.
Aktualisiert: 2018-11-01
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Wir kehrten verwundet zurück in die Welt

Wir kehrten verwundet zurück in die Welt von Gehrisch,  Peter, Gvozdenović,  Slavomir, Lippet,  Johann, Pop,  Traian, Wöhrmann,  Bettina
Zur serbischen Minderheit in Rumänien gehörend, erscheint Gvozdenović mit einem Sendungsbewusstsein, das sich aus einem Innewerden und einer Identifizierung mit der eigenen Herkunft sowie geschichtlichen Tatsachen und Vorbildern speist. So beruft er sich auf historische Größen wie den Führer eines legendären serbischen Aufstands, den Helden der Volkspoesie Marko Kralewitsch, einen der ersten Rechtswissenschaftler, Sava Tekelija, den Streiter gegen das Osmanische Reich, Đorđe Petrović, den viel beachteten serbischen Dichter Miloš Crnjanski. Peter Gehrisch
Aktualisiert: 2018-11-01
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Rückkehr aus dem Exil

Rückkehr aus dem Exil von Comănescu,  Denisa, Cornelius,  Jan, Gehrisch,  Peter, Pop,  Traian
Denisa Comănescus Dichtung kreist um eine Erfahrung, die ihr das schwierige Leben in Rumänien eintrug – mit der Familie, Vater, Mutter, Großmutter, Gefährten der Kindheit, Geliebten, Personen aus ihrem Umkreis. Ihre Motive sind die Beengung, die Randständigkeit, Suizid, die Zuflucht zum Buch, zur Literatur und zur Kunst. Sie sind erfüllt vom Pendeln zwischen Freude am Dasein und Trostlosigkeit, einem Spannungsverhältnis zwischen dem Traum der Kindheit und der Empirie einer erwachsenen Frau, welche das Zartgefühl trotz allem in ihrem Inneren nicht aufgeben kann. In ihrem Gedicht „Persephone“ verwendet Comănescu ein Zitat Ezra Pounds – „Here let thy clemency, Persephone…“ –, das ihre Neigung verdeutlicht. Die Brutalität des Lebens aber zwingt das hier umrissene Subjekt zur Demonstration von Gefühllosigkeit und Anpassung an Verhaltensmuster in der Gesellschaft. „Nur ich noch gehe der Freude entgegen / mit Beinen aus Zucker kommt sie durch einen Fluss / auf mich zu.“ („Nur ich noch gehe der Freude entgegen“) Zu finden sind frappante Metamorphosen des Traums und des Albtraums: „… ich reise / auf einem riesigen Schwan / die leeren Autobahnen entlang“ („Die Vertreibung aus dem Paradies 1979“) – „ich irre durch eine Stadt / […] ich spür nur ein finsteres Eisen / wie es sich stiehlt in mein Blut / bei jeder Bewegung. Sooo. / Und mir fehlt es an Kraft.“ („Die Provokation“) Im Bezug auf Fragen der Liebeserfüllung verschanzt sich das leidende, indessen scheinbar abgeklärte Ich hinter grotesken Situationen. „[…] der Ex-Geliebte klopft an die Tür / ich bin zusammen mit meinem Freund“ („Der Fisch“) Im folgenden führt die peinliche Begegnung in eine absurde, abseits liegende Handlung, indem die Autorin von einem „chinesischen Karpfen“ spricht, dessen „Leiche“ von einem „Zigeuner“ durch „die ganze Stadt“ getragen wird. Politische Themen kommen nicht offen zur Geltung, obgleich Comănescu einen großen Teil innerhalb der Ceaușescu-Diktatur verbracht hat. Allenfalls sind sie zwischen den Zeilen erfahrbar: „Großmutter hat mich das Vaterunser gelehrt / aber nur für zu Hause.” („Meinem Vater“) Mit „Die Welt der Sprache“ wird das Verhältnis zwischen Weltgeschehen und Schicksal der Einzelperson in eine gültige Formel gebracht und ist Gedichten der Weltliteratur ebenbürtig: Der Krieg ist real. Die ruhigen Abende wie auch der Mond sind täuschende Pausen Animation zu Verbrechen. Die Worte stehlen sich fort. Derart verletzlich und in Welteinsamkeit. Denisa Comănescu zählt zu den bedeutendsten rumänischen Gegenwartsdichterinnen, ihre Gedichte wurden in fünfzehn Sprachen übersetzt. Peter Gehrisch
Aktualisiert: 2019-03-07
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