Philosophie der Technik

Philosophie der Technik von Bammé,  Arno, Hardensett,  Heinrich, Willeke,  Stefan
Heinrich Hardensett (1899-1947), einer der profiliertesten Vertreter der deutschen Technokratie-Bewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und führender Kopf des Konstanzer „Hardensett-Kreises“ entwickelte in seiner 1932 veröffentlichten Dissertation „Der kapitalistische und der technische Mensch“ die „wohl weitestgehende und fundierteste Theorie zur sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Standortbestimmung des technischen Menschen“ (Willeke). Als sein Hauptwerk gilt die zwischen 1932 und 1936 nahezu fertiggestellte „Philosophie der Technik“. Hierbei handelt es sich weniger um eine eigenständige Technikphilosophie als vielmehr um eine kritische Synopse zeitgenössischer Techniktheorien unter anderem von Autoren, die heute kaum noch jemand kennt, deren Schriften für die Technokratie-Diskussion aber von entscheidender Bedeutung waren und die, gleichsam unterirdisch, noch heute nachwirken. Umso tragischer mutet das Schicksal dieser nie publizierten Schrift an, die als 196-seitiges Schreibmaschinenmanuskript erhalten ist. Ursprünglich war sie im Berliner Verlag von Junker und Dünnhaupt zur Veröffentlichung vorgesehen. Ihr Erscheinen wurde aber von der „Parteiamtlichen Prüfungskommission zum Schutze des NS-Schrifttums“ untersagt, weil Hardensett sich weigerte, Textpassagen und Literaturverweise auf Autoren zu streichen, die auf dem Index der NS-Prüfungskommission standen. Nach dem Krieg setzte sich der Kultur- und Technikphilosoph Prof. Manfred Schröter (München) in seiner Eigenschaft als Cheflektor des Oldenbourg-Verlages für eine Veröffentlichung ein, die durch den frühen Tod Hardensetts aber nicht mehr zustande kam. Zu Beginn der 90er Jahre unternahm der Technikhistoriker Prof. Wolfhard Weber (Bochum) mit Zustimmung der Tochter Hardensetts einen weiteren Versuch, der ebenfalls nicht von Erfolg gekrönt war. „Die Bedeutung des Theoretikers Hardensett für die Organisationsfähigkeit der Technokratie- Bewegung der dreißiger Jahre kann kaum überschätzt werden. Seine herausragende Position ist im Wesentlichen auf die langjährigen intellektuellen Auseinandersetzungen mit der Technik und ihren gesellschaftlichen Bezugsgrößen zurückzuführen.“ (Willeke)
Aktualisiert: 2021-09-27
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Der kapitalistische und der technische Mensch

Der kapitalistische und der technische Mensch von Bammé,  Arno, Hardensett,  Heinrich
Die "wohl weitestgehende und fundierteste Theorie zur sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Standortbestimmung des techischen Menschen" (Stefan Willeke). Dass die sich häufenden Umweltkatastrophen zwar technologisch induziert sind, ihre Ursache letztendlich aber in einer entfesselten kapitalistischen Ökonomie haben – diese Einsicht setzt sich heute auch in der ökologisch motivierten Technikkritik zunehmend durch. Ganz neu ist diese Erkenntnis nicht. Bereits 1932 hatte der Ingenieur Heinrich Hardensett (1899-1947) in seiner paradigmatischen Schrift über den „kapitalistischen“ und den „technischen Menschen“ eine Kulturkritik formuliert, die ihre Argumentation anhand zweier Grundcharaktere menschlicher Verhaltensweisen entfaltet, an dem des „Händlers“, der wesentlich mit abstrakten Fiktionen arbeitet, und dem des „Technikers“, der, indem er konkrete stoffliche Interventionen vornimmt, die irdische Welt gestaltend verändert. Entscheidend ist in beiden Fällen die unterschiedliche Motivation, von der beide in ihrem Tun geleitet werden: Dem einen geht es darum, sich durch Eigentumsübertragung zu bereichern; dem anderen ist darum zu tun, seine Umwelt zu gestalten, sie innerhalb der Grenzen, die durch die Natur gesetzt sind, stofflich umzuformen. Anders als dem „technischen Menschen“ geht es dem kapitalistischen Unternehmer um die Bereitstellung von Tauschgütern, die Profit versprechen. Nicht „Produktivität“ im Sinne kreatürlicher „Fruchtbarkeit“ ist sein Ziel, sondern „Rentabilität“, die abstrakte Plusmacherei, die keine natürlichen Grenzen kennt. Demensprechend unterscheidet Hardensett zwei unterschiedliche Erfolgsgrade im Verhältnis von Ergebnis und Aufwand, die sich als Quotient darstellen lassen. Der quantitativen Größen verpflichtete Quotient des „kapitalistischen Menschen“ muss immer größer als „Eins“ sein. Der durch qualitative Dimensionen geprägte Quotient des „technischen Menschen“ ist, den Gesetzen der Natur geschuldet, notwendigerweise immer kleiner als „Eins“. Aus dieser Inkompatibilität zwischen den metaphysischen Fiktionen einer kapitalistischen Ökonomie, die keine Schranken kennt, und den unhintergehbaren irdischen Realitäten der Grenzen setzenden Natur, leitet Hardensett die katastrophalen Folgewirkungen im Stoffwechselprozess des neuzeitlichen Menschen mit der Natur ab, eine Inkompatibilität, die in den Kalkülen der kapitalistischen Ökonomie ständig ignoriert wird.
Aktualisiert: 2021-09-27
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