E. A. Richters neue Gedichte richten sich allesamt an Lois, an das frischgeborene Enkelkind und das heranwachsende Kleinkind. Die Möglichkeiten für den Schreibenden, das Kind zu sehen, sind allerdings eingeschränkt, sodass ihm das Schreiben zu einer Form wird, seine Zeugenschaft wenigstens aus der Ferne wahrzunehmen, den Kontakt zu Lois in seinen Gedichten zu halten. In dieser Spannung tauchen Figuren auf, traumhaft, aber auch ganz real: die Erinnerungen an die Zeit der ersten Schwangerschaft seiner Frau und des eigenen Sohnes als Kleinkind, oder Versuche, sich eine eigene frühkindliche Zeit im Elternhaus zu imaginieren. Starke, sich vermehrende körperliche Schmerzen schließen sich mit der Vorstellung kurz, wie schmerzvoll es wohl ist, ein Kind zu gebären.
Im changierenden Spiel mit dem kleinen abwesenden Menschen und seiner fortschreitenden Entwicklung gewinnt auch der Autor zunehmend sich selbst zurück, nicht nur als Kind. Mal ist es die Sprache, mal eine Figur, mal eine Landschaft, ein Tier, ein Ort in der Ferne, die sich fortbewegen, entschwinden und wieder zurückkehren.
Aktualisiert: 2020-12-29
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Eine winzige Fliege landet an einem späten Sommerabend auf dem Bildschirm des Erzählers. Kein großes Ereignis, doch ein folgenreiches: das Motiv der Fliege aufgreifend, kommt ein Schreibprozess in Gang, ein Zickzackflug zwischen wechselnden Zielen aus Kindheit, Jugend und Gegenwart.
Im Mittelpunkt stehen die schon lange toten Eltern, der in der Schreibgegenwart verstorbene Onkel und auch dessen Tochter, die den Bogen zu den ersten erotischen Erfahrungen, einer 'vor Neugier und Scham glühenden Zeit', herstellt. Die insistierende Beschäftigung mit Mutter und Vater erlaubt Blicke über den Familienhintergrund hinaus in die damaligen Orts- und Zeitverhältnisse und auf die Verletzungen durch Religion, Krieg und dörfliche Enge. Damit wird das fragmentarische Porträt einer zweiten Familie kontrastiert: der vom Erzähler ein Jahrzehnt danach selbst gegründeten, deren Hauptfiguren Schwiegervater und Ehefrau sind.
Aus diesem Erzählgespinst tritt auch immer wieder eine Gegenwartslinie stark hervor. Sie schließt zum städtischen Alltag kurz, zu den abwechslungsreichen Verwicklungen mit zwei Frauen, nicht nur in Form von Gesprächen über Kunst, Natur und Terrorismus.
Vivisektion und Erinnerung durchdringen einander in diesem 'Roman eines Augenblicks' in einer unaufgeregten, aber keineswegs distanzierten Sprache und fächern mit jedem Anflugsversuch die Facetten vergangener und gegenwärtiger Liebe neu auf.
Aktualisiert: 2020-12-29
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Aktualisiert: 2021-02-01
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Ein Triptychon über die vielfältigen Verflechtungen von Körper und Zeit legt E. A. Richter mit seinem neuen Band 'Der zarte Leib' vor. Von der unmittelbaren Wirksamkeit der Zeit, die Pulsschlag um Pulsschlag am Leib arbeitet, sprechen die Gedichte der beiden rahmenden Teile. Auch umspielen sie in Erinnerungen die Kindheitsmöglichkeiten des Leibes, dann wieder folgen sie der Sehnsucht nach dem anderen Leib, nach Frauen, wie sie aus Kunstwerken nahezukommen scheinen und sich zugleich entziehen.
Der mittlere Teil steht im Zeichen des Streits. Die Krise eines Ehepaars und Konflikte aus aller Welt überkreuzen sich. In der individuellen Tragödie, in der Kampfzone zwischen Schlafzimmer und Küche, finden die politischen Konflikte ihre Entsprechung. Die Kriegssprache aus den Nachrichten schwappt in die privaten Verhältnisse über und radikalisiert die Situation.
Fundwörter wie 'Astmasse' oder 'Touristenschutzzäune', aber auch Zitate aus Zeitungen und Briefen durchziehen den ganzen Gedichtband. Sie schreiben sich ein wie die abnehmende Zeit in die Geschmeidigkeit, Verletzlichkeit und Hinfälligkeit des Leibes.
Ein Gedichtband voller Wucht und Zärtlichkeit.
Aktualisiert: 2020-12-29
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Mit 20 Abbildungen in Duplex nach Collagen von Waltraud Palme
Aktualisiert: 2018-07-12
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Der rosenlose Soldatenfriedhof, ein Foto des jungen Kafka oder auch einzelne Wörter wie 'Alarm', 'Band', 'Schlaf' oder 'Tresor' – eher unspektakulär wirken die Impulsgeber zu Richters Gedichten, und doch sind es Glücksfunde. Denn sie ergreifen den Autor im richtigen Moment und setzen Bilder und Verse frei. Gespeist von Erinnerung und Imagination, von Vergangenheit und möglicher Zukunft, scheinen in vielen Gedichten neue Aspekte des Sohn-, Vater- und vor allem Partnerseins auf.
Andere wiederum dokumentieren die scharfe Wachsamkeit gegenüber dem eigenen Körper, dessen Details und Veränderungen im Lauf der Zeit. Ob auf Reisen, im Konzertsaal oder allein zu Hause – in jeder Lage werden die feinen Übergänge von Außenwelt und Innenleben, die Wechselwirkungen und Spuren von Traum und eindringlicher Realität verzeichnet und reflektiert.
Richters elastisch wandelbare, farbige Sprache erlaubt ihm, souverän zwischen schmissiger Verkürzung und reicherer Sprachausstattung, distanziertem Pathos und gebrochener Ironie zu wechseln, und besticht durch den ihr eigenen 'Prosasound, weil er nichts als Lyrik ist' (Helmut Gollner).
Aktualisiert: 2020-12-29
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Aktualisiert: 2012-10-09
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Der kreative Prozess, die gemeinsame Arbeit mit AutorInnen und ÜbersetzerInnen, bis dass ein Text die gedruckte Form annimmt, zählt zu den spannendsten Facetten im Alltag eines Literaturverlags. Fast jedes Projekt kennt Material, das aus unterschiedlichsten Gründen nicht Eingang findet ins veröffentlichte Buch.
Das Jubiläum "10 Jahre Edition Korrespondenzen" bietet eine vorzügliche Gelegenheit, Beispiele solcher unbekannter Kostbarkeiten zu versammeln. Wir haben Autorinnen und Autoren des Verlags gebeten, Texte aus dem Entstehenszusammenhang ihrer Korrespondenzen-Bücher aus dem Archiv zu holen: Vorstufen, Varianten, Aufgegebenes oder auch Repliken, die das "Originalwerk" um interessante, oftmals erhellende Aspekte bereichern.
Was sich der Leserin, dem Leser hier eröffnet, ist ein Blick in die Schreibwerkstatt großer europäischer Dichterinnen und Dichter, in der manch unbekannte Preziose funkelt.
Die Anthologie enthält neben allen erstmals veröffentlichten "Zugaben" auch ein Verzeichnis sämtlicher Bücher und CDs, die seit 2001 in der Edition Korrespondenzen erschienen sind.
Aktualisiert: 2020-12-29
Autor:
Ilse Aichinger,
Christoph W. Bauer,
Petr Borkovec,
Lucas Cejpek,
Elfriede Czurda,
Franz Dodel,
Oswald Egger,
Zsuzsanna Gahse,
Mariusz Grzebalski,
Franz Hammerbacher,
Zbynek Hejda,
Christoph Jancs,
Gerald Koll,
Andrzej Kopacki,
Margret Kreidl,
Christian Lehnert,
Luljeta Lleshanaku,
Michèle Métail,
Dragana Mladenović,
Sabina Naef,
Kurt Neumann,
Miodrag Pavlović,
Marko Pogačar,
Delimir Rešicki,
E A Richter,
Tomaž Šalamun,
Erich Wolfgang Skwara,
Eugeniusz Tkaczyszyn-Dycki,
Ottó Tolnai,
Anja Utler,
István Vörös,
Franz Weinzettl,
Reto Ziegler
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Was ist ein Obachter? Und wie unterscheidet er sich vom Beobachter? Der Beobachter richtet seine Wahrnehmung gezielt
auf die Dinge. 'Obachter' hingegen 'wird man nicht freiwillig,
es springt einen an' (Anne Carson). Vom Geschehen
erfasst, folgt der Obachter den Impulsen seines Bewusstseins.
In den unkontrolliert kaskadierenden Bild- und Gedankenfolgen
brechen verschüttete Momente auf.
Im Zentrum von E. A. Richters Obachter-Gedichten steht der
alternde Körper mit seinen noch immer jungen Erinnerungen
und vitalen Empfindungen. Meist ist es unscheinbar Alltägliches
– ein Morgenschimmer, der Streit mit einer Geliebten,
die eigenen Haare, der Schweiß, Nachtgestalten –, über das sich das obachtete Hier und Jetzt in die Vergangenheit und Zukunft verzweigt: hin zum Geruch der Großmutter, zur Kindheit und zur bereits bedrohlich mahlenden 'Knochenmehlmaschine'.
Leicht im Rhythmus, stark in den Bildern, empfindsam und ungeschminkt im Erzählen: Gedichte vom Altern, von der Lebenslust und all dem, was war, nicht war und hätte sein können.
Aktualisiert: 2020-12-29
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