Steppensalz

Steppensalz von Pop,  Traian, Schiff,  Julia
Julia SchiffJulia Schiff, * 1940 in Detta/Rumänien geboren, lebt heute in München. Mit elf wurde sie zusammen mit ihrer Familie für fünf Jahre in die Bărăgan-Steppe deportiert – eine Erfahrung, die ihr ganzes Leben geprägt hat und auch den Stoff für ihren ersten Roman Steppensalz lieferte. Übersetzungen aus dem Ungarischen und Rumänischen ins Deutsche und aus dem Deutschen in beide Sprachen, Erzählungen, Essays und Literaturkritik zählen zu ihrem literarischen Werk, für das sie mehrere Auszeichnungen erhalten hat. Letzte Veröffentlichungen: Steppensalz, Roman, 2001, 2012. Ottó Fenyvesi: Blues über dem Ozean (Übersetzung des Lyrikbandes Blues az óceán fölött aus dem Ungarischen ins Deutsche), 2009. László Bertók: Ameisen ziehen (Übersetzung des Lyrikbandes Hangyák vonulnak aus dem Ungarischen ins Deutsche), 2010. Veronica Balaj: Pirouette auf Stelzen (Übersetzung des Lyrikbandes Piruetă pe catalige aus dem Rumänischen ins Deutsche, zweisprachige Ausgabe), 2009 und Piruett gólyalábakon/Piruetă pe catalige (Übersetzung des Lyrikbandes Piruetă pe catalige aus dem Rumänischen ins Ungarische, zweisprachige Ausgabe), 2010. János Marno: Licht machen, nur um Schatten zu sehen (Übersetzung des Lyrikbandes Fényt csinálni csakhogy árnyékot láthass aus dem Ungarischen ins Deutsche, zweisprachige Ausgabe), 2010. Reihertanz, Roman, 2011. Győrffy Ákos: Regungslos (Übersetzung des Lyrikbandes Nem mozdul aus dem Ungarischen ins Deutsche), 2012. Lieferbare Titel von Julia Schiff: Reihertanz. Roman. 268 Seiten, ISBN 978-3-86356-014-0€ [D]15,80; “Steppensalz”. Aufzeichnungen eines Ausgesiedelten. Roman. 284 Seiten, ISBN 978-3-86356-033-1, € [D]15,80 Verschiebungen. Roman. 220 Seiten, ISBN 978-3-86356-075-1, € [D]15,50 Győrffy Ákos, Regungslos (Übersetzung des Lyrikbandes Nem mozdul aus dem Ungarischen ins Deutsche György Mandics / Zsuzsanna M. Veress. Aus den Aufzeichnungen von János Bolyai Aus dem Ungarischen von Julia Schiff. Überarbeitet von Peter Gehrisch.Gedichte.Pop Lyrik. ISBN: 978-3-86356-148-2, 72 Seiten, € [D]16,50
Aktualisiert: 2023-05-30
> findR *

Reihertanz

Reihertanz von Pop,  Traian, Schiff,  Julia
Es sind die Nachkriegsjahre stalinistischer Prägung in Rumänien, die einen jungen Mann unmittelbar nach der Heimkehr 1951 aus russischer Gefangenschaft in eine fünfjährige Deportation und zur Zwangsarbeit am Donau-Schwarzmeerkanal führen. In der Zeit unmenschlicher Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Strafkolonie verleiht ihm die tiefe Zuneigung zu einer jungen Deportierten Kraft zum Überleben bis zum Abbüßen seiner Strafe und zur Rückkehr in die Deportiertensiedlung. Zwanzig Jahre später, als der Exodus der Deutschen aus Rumänien seinen Anlauf nimmt und die Arbeiten der zweiten Etappe des Kanalbaus unter Ceauşescu im Gang sind, wird sein Sohn beim Versuch des illegalen Grenzübertritts gefasst. Reihertanz erzählt bei Beachtung der historischen Fakten und mit den Mitteln der literarischen Fiktion von einem menschenverachtenden System, von gewaltsamer Umerziehung ganzer Gesellschaftsschichten, von verwalteter Angst und vom Mut, von Überlebenstaktiken und Gesten des Widerstandes, von menschlichen Begegnungen und von einem geistigen Reifeprozess sowie von der trotz aller Widrigkeiten am Leben erhaltenden Liebe.
Aktualisiert: 2023-05-30
> findR *

Verschiebungen

Verschiebungen von Schiff,  Julia
Der Roman Verschiebungen handelt von den gewaltsamen Veränderun-gen im Leben einer Temeswarer Lehrerin und Schriftstellerin, die sie immer wieder zu Umwegen und Neuanfängen zwingen. Die Deportation in die Bărăgansteppe in der Kindheit überschattet auf Jahrzehn-te ihr Leben. Für viele Jahre kann sie nicht als Gymnasiallehrerin ar-beiten, gewinnt aber als Übersetze-rin im literarisch-künstlerischen Bereich Einblick in das literarische Leben ihrer Stadt, das bestimmt wird von der staatlichen Zensur. Verstümmelungen und Modifizierungen der zur Veröffentlichung eingereichten Texte sind an der Tagesord-nung. Die Protagonistin erfährt, wie die Staatssicherheitsbehörden Menschen sys-tematisch brechen und zur Mitarbeit zwingen. Immer mehr aus dem Kreis befreundeter deutscher Intellektueller, Künstler und Schriftsteller verlassen deshalb das Land. Eine Schicksalsgemeinschaft löst sich auf. Die ersten und enttäuschenden Erfahrungen in München, dem neuen Aufenthalt, beschließen den Roman.
Aktualisiert: 2023-05-30
> findR *

Sonnenwenden

Sonnenwenden von Ferencz,  Győző, Gehrisch,  Peter, Nemes Nagy,  Agnes, Pop,  Traian, Schiff,  Julia
„Riesige, unglaubliche Löcher gibt es in meinem Lebenswerk“ Zu Ágnes Nemes Nagys Poesie Die ungarische Dichterin Ágnes Nemes Nagy (1922-1991) gehörte jener Generation an, deren Jugend und Heranreifen zur Dichterin in die Jahre des Zweiten Weltkriegs fiel. Der Krieg zwang sie alle zur Stellungnahme und er wurde für ihr ganzes Leben zur Referenzbasis. Auch dann, wenn sie keine Zeile darüber geschrieben haben. Wenn ich versuche, sie innerhalb ihrer Generation auf der Weltkarte der Lyrik zu platzieren, dann gehört Nemes Nagy in die Gesellschaft von Lyrikern, deren Poetik miteinander verwandt war oder, im Gegenteil, zueinander in Opposition stand wie Paul Celan, Ingeborg Bachmann, Yves Bonnefoy, Wislawa Szymborska, Lorand Gaspar, Miroslav Holub, Philip Larkin, Vasko Popa, Allen Ginsberg und Robert Lowell, ebenso Franz Fühmann, der an seinem Lebensabend einen Gedichtband von ihr übersetzt hat. Diese Lyriker waren entweder Verfolgte oder sie kämpften gezwungenermaßen oder aus Überzeugung auf einer der Seiten. Es gab solche, die den Dienst verweigert hatten oder sich tatkräftig am antifaschistischen Widerstand beteiligten. Ágnes Nemes Nagy half 1944 an der Rettung der verfolgten Juden, gemeinsam mit ihrer Chemikerin-Schwägerin fälschte sie Dokumente und brachte befreiende Bescheinigungen sowie Kleidungsstücke in die mit einem Stern bezeichneten Häuser. Hierüber sprach sie aber kaum. Kam es in Interviews dennoch zur Sprache, erwähnte sie es kurz angebunden und sachgemäß. 1997 erhielt sie posthum die Yad Vashem-Auszeichnung des Staates Israel. In ihrem Essay Vorwort zu einem Lyrikband, das sie für eine englischsprachige Lyrikauswahl vorbereitete, charakterisierte sie ihre Dichtung folgendermaßen: „Der Dichter ist der Spezialist der Gefühle. Im Laufe der Ausübung meines Berufs machte ich die Erfahrung, dass die sogenannten Gefühle aus mindestens zwei Schichten bestehen. Die allgemeine Vereinbarung hat im Großen und Ganzen dasselbe Verständnis von ihnen, ihnen ist eine Vergangenheit, eine Wissenschaft und Literaturgeschichte eigen. Sie sind Staatsbürger unserer Herzen. – Die andere Schicht ist das Niemandsland der Namenlosen. Wenn ich um 18 Uhr abends an der Ecke der Kékgolyó-Straße ankomme und sehe, dass der Rand des Sonnenscheins in einem gewissen Winkel auf die Burg fällt und die Olivenbäume des Vérmező ihren Schatten auf eine gewisse Weise werfen, werde ich immer wieder erschüttert. Diese Gemütsbewegung hat keinen Namen. Dabei stand schon jeder an der Ecke je einer Kékgolyó-Straße. Wie oft bin ich genötigt, dem namenlosen Gefühl einen konventionellen Namen zu geben! Und nicht nur um die Schraube der Logik der allgemeinen Vereinbarung mit Öl zu beträufeln. Nein. In meiner verständnislosen Verwirrung verderbe ich selbst die Sache, und stürze das Namenlose der Kékgolyó-Straße in eine Pfütze herbstlicher Nostal-gie oder in ein Becken historischer Begeisterung. Gewiss, zumal die herbstliche Nostalgie und die historische Begeisterung bereits unser Herz bewohnen. Ich glaube, es gehört zu den Pflichten des Dichters, immer mehr Namenlosem Bürgerrecht zu verschaffen.“ Wenige Seiten weiter fügte sie noch hinzu: „Mir vermitteln dieses Unbekannte hauptsächlich die Objekte, daher bin ich bemüht, dem Leser Objekte zu vermitteln. Einen Geysir, einen Ast, das Bruchstück einer Skulptur, eine Straßenbahn, die Kriegserlebnisse mitreißen können (der Krieg: Grunderfahrung meiner Generation) oder das Erlebnis der Natur (das Zusammenleben mit der Natur ist eine der bedrohten Nostalgien des heutigen Menschen), eventuell den Mythos eines ägyptischen Pharaonen (der moderne Mythos ist ein Modell unseres Lebensgefühls)“. In der Tat erscheinen in ihren Gedichten die biographischen Elemente durch mehrfache poetische Filter entfremdet. Wenn ich, ihren Platz von ihrer Generation abstrahierend, aufgrund ihrer poetischen Auffassung suche, so würden sie dem Kreis der Erschaffenden von sogenannter objektiver Poesie zugehören. Sie selbst meinte es auch so. Die objektive Lyrik sei keine Richtung, sondern, wie sie es in einem Essay erörterte, vielmehr eine Epochen überbrückende Methode. Zudem keinesfalls eine einheitliche Methode. Rilke, den sie auch übersetzt hatte, hatte sie beeinflusst, sie kannte die Gedichte und die Theorie von T. S. Eliot über die poetische Entpersönlichung, sie las die Dichter der Neuen Sachlichkeit, beobachtete die ähnlichen französischen Bestrebungen von Mallarmé bis zu den eigenen Zeitgenossen. Und sie kannte natürlich die ungarischen Präzedenzen von innen. Jenseits ihrer eigenen Neigungen kommt es vielleicht nicht von ungefähr, dass sie Anfang der 1950er Jahre ihre eigene Auffassung erschuf, als nach dem Krieg eine erneute Diktatur auf Ungarn lastete. Ágnes Nemes Nagy hatte nicht nur geschrieben, sondern auch ununterbrochen reflektiert, was sie tat. Dies ist für die Nachwelt um so wertvoller, als im größten Teil ihrer schöpferischen Jahre die Verhältnisse dem von ihr vertretenen Literaturideal nicht gewogen waren. Dieses Ideal hätte die Literatur vorrangig als Literatur betrachtet. Daher waren Ágnes Nemes Nagy die Fragen des poetischen Metiers so wichtig: Durch sie vertrat sie die Freiheit der Literatur zu einer Zeit, die wechselweise, anfangs mit grob administrativen, später auch mit umgesetzten Methoden diese Unabhängigkeit beschränken wollte. Sie war auch eine hervorragende Essayistin, ihre kristallklaren Aufsätze über die moderne Poesie hatten in der literarischen Welt der 70er und 80er Jahre einen Sensationswert. Zum Teil dadurch, dass sie in einer homogen durchpolitisierten und -ideologisierten Welt – die aber, zugegebenermaßen immer weniger eine offene Stellungnahme erforderte –, ihrem Beruf nachging. Und dies war eine eindeutige Stellungnahme. Sie selbst beobachtete ungläubig, dass sie es tun konnte, aber sie tat es. Den äußeren Rahmen ihres Lebens lieferte bis zu ihrem Auftakt als Dichterin der sich zum offenen Terror steigernde Faschismus, von 1948 an der Stalinismus, und im größten Teil ihrer Laufbahn, nach der Niederwerfung der 1956er Revolution, die allmählich milder werdende kommunistische Diktatur. Inzwischen konnte sie in drei Nachkriegsjahren die schwindende Illusion der Demokratie erleben, und an ihrem Lebensende erlebte sie den Sturz der Berliner Mauer und die demokratische Umwandlung Europas, deren Zerbrechlichkeit sie nicht mehr erleben konnte. Gemeinsame Erfahrung der osteuropäischer Völker ist es, dass die äußeren Eroberer und die innere regierende Klasse sich würgend auf ihr Alltagsleben setzten, das kleinste Detail festsetzten, und dem Individuum keinen Bewegungsraum zugestanden. Das freie Denken und das selbstständige künstlerische Schaffen waren hier zu jeder Zeit und in jedem Regime verdächtig. Die Politik ist mal gewaltsam, mal bewilligend, aber sie will sie immer ihrer Kontrolle unterziehen. Noch mehr, die extrem autokratischen Systeme erfordern, dass die Künstler sie lobpreisen. Dies wäre für in den westlichen Demokratien sozialisierte Dichter wie Philip Larkin oder Yves Bonnefoy gewiss eine unverständliche Situation. Das trifft aber nicht auf deutsche Schriftsteller wie z. B. Franz Fühmann zu und auch Ingeborg Bachmann dürfte Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht haben. In diesem Milieu, ihre geistige Unabhängigkeit verteidigend, schuf Nemes Nagy ihr Lebenswerk. In Ungarn gab es nie eine entwickelte Stadtkultur, ein selbstbewusstes, um seine Rechte kämpfendes Bürgertum, es gab immer nur Versuche, sie zu schaffen. In der in ewigem Feudalismus stecken gebliebenen Gesellschaft wurde die unentbehrliche fachkundige Schicht in den früheren Jahrhunderten von den Bürgern der emporstrebenden sächsischen und schwäbischen Städte gestellt, und ab Ende des 19. Jahrhunderts von dem sich assimilierenden Judentum bzw. dem verarmenden ungarischen Kleinadel. Die Ahnen von Nemes Nagy aus dem Norden Siebenbürgens waren solche fachkundigen Menschen. Ihr Vater war Anwalt, wie mehrere ihrer Vorfahren, und es gab in der Familie reformierte Priester, Lehrer und Ingenieure. Das ehemalige Land ihrer Geburt, das Partium, wurde Teil Rumäniens. Sie kamen nach Budapest und wohnten zeitweilig, wie viele andere auch, in einem Waggon der Bahn. Ihre Tochter wurde also nicht in idyllische bürgerliche Verhältnisse hineingeboren, aber die Verhältnisse der Familie ordneten sich bald und Ágnes Nemes Nagy erhielt eine hervorragende Bildung in der innigen und Sicherheit gewährenden Atmosphäre eines freiheitlich gesinnten reformierten Mädchengymnasiums, dessen Direktor der bedeutende ungarische Dichter Lajos Áprily war. Nach dem Abitur ließ sie sich einschreiben ins Fach Ungarisch-Latein-Kunstgeschichte der Budapester Universität, wo sie 1944 ihr Studium mit dem Diplom abschloss. Bereits während ihrer Studienjahre kam sie in Kontakt mit einigen bedeutenden Vertretern des literarischen Lebens, darunter mit dem hervorragenden Ästheten und in den letzten Jahrzehnten auch international bekannten Romancier Antal Szerb, den sie während des nationalsozialistischen Terrors vergeblich zu retten versuchte: er wurde beim Arbeitsdienst totgeschlagen. 1944 schloss sie die Ehe mit dem Kritiker Balázs Lengyel. Im selben Jahr erschien ihr erster Lyrikband Kettős világban, für den sie die bedeutendste literarische Anerkennung der Zeit, den Baumgarten-Preis erhielt. 1946 lancierte sie mit Balázs Lengyel und anderen Vertretern ihrer Generation die kurzlebige, aber epochemachende Zeitschrift Újhold (Neumond), der 1948 unheilverkündende politische Angriffe zuteil wurden. Das Blatt wurde bald schon finanziell untergraben. Nach seiner Einstellung wurden sie und ihre Kompagnons aus dem literarischen Leben verdrängt. Ihre Gedichte konnten nicht erscheinen, bzw. sie war für politische Kompromisse oder um etwas zu schreiben, was hätte veröffentlicht werden können, nicht bereit. Aber sie übersetzte, und nach gewisser Zeit konnte sie Kindergedichte veröffentlichen. Von 1954 an unterrichtete sie im Gymnasium. Ab 1958 bestritt sie ihre sehr bescheidene Lebensunterkunft aus ihren Schriften und Übersetzungen. 1957 erschien ihr zweiter Band Szárazvillám (Trockenblitz). 1958 trennte sie sich von ihrem Mann, zu dem sie weiterhin enge schöpferische Verbindung pflegte. Ihr dritter Band Sonnenwende erschien weitere zehn Jahre später, 1967. Danach ordnete sie – ein fast beispielloses Exempel in der ungarischen Literatur statuierend – ihre neuen Gedichte keinen selbständigen Bänden zu, sondern fügte sie in ihre stets erweiterten Auswahl- und Sammelbände ein. A lovak és az angyalok (Pferde und Engel) (1969), Között (Dazwischen) (1981) und A föld emlékei (Erinnerungen der Erde) (1986) sind Stationen dieses außerordentlich anspruchsvollen Lebenswerks. Seit Anfang der 1960er Jahre durfte sie hier und da in westeuropäische Länder reisen und an Fachkongressen teilnehmen. 1979 nahm sie teil am Iowaer Programm für internationale Schriftsteller in den Vereinten Staaten von Amerika, ihre Gedichte erschienen auf Englisch. Sie führte Tagebuch über ihre Auslandsreisen, die post mortem erschienen. Ihrer Arbeit wurde mit bedeutenden Preisen Anerkennung gezollt. Ihre Radio- und Fernsehauftritte sowie seltene literaturpolitische Wortmeldungen wurden mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, denn ihren Worten verlieh ihr ganzes Leben und Werk Authentizität, größtenteils gerade dadurch, da sie sich nie auf ihre Heimsuchungen berief. Sie wurde zum Richtpunkt, und war Vorbild durch Haltung, ohne dies erstrebt zu haben. Nach drei Jahrzehnten konnte 1986 in Form eines Jahrbuchs ihre ehemalige Zeitschrift, das Újhold-Évkönyv (Neumond-Jahrbuch), wieder starten, dessen wichtigstes redaktionelles Prinzip ein allen Strömungen übergeordneter kritischer Geist war. Die Jahrbuch-Reihe erlosch 1991 mit ihrem Tod. Die Bedeutung der Dichtung Ágnes Nemes Nagys ist mehrschichtig. Zwar war ihr der experimentelle Radikalismus fern, dennoch hat sie die ungarische Lyrik wahrhaftig erneuert. Die Literaturkritik hat dies erst nach und nach, in den ihrem Tod folgenden Jahrzehnten zur Kenntnis genommen. Sie hat aber nicht nur dadurch Neues erbracht, dass sie entgegen der Tradition der subjektiven, flüchtige Eindrücke festhaltenden biographischen Erlebnisdichtung – eine objektive Dichtung pflegte, sondern auch, weil sie der lyrischen Wortmeldung einen ausgearbeiteten gedanklichen Rahmen verlieh. Die poetische Sprache, die den namenlosen Erfahrungen einen Namen verleiht, ist eine Form der Erkenntnis. Dazu musste sie Kompositionen schaffen, die auch dem Leser eine neue rezeptive Anschauung abverlangen. Diese neuen Gedichte sind möglicherweise schwer, zusammengesetzt, sie bewegen sich über komplizierte Ideenverknüpfungen, aber ebenso sind auch die Erfahrungen der Menschen, die das 20. Jahrhundert erlebt haben und dessen geschichtlich-politischen Ereignisse verstehen wollen, schwer und zusammengesetzt. Wer sie aber zu lesen lernt, dem werden sie trotzdem transparent, vom Humanismus der Verfasserin durchleuchtet. Für sie hat das poetische Wortergreifen einen moralischen Inhalt. Aber das Gedicht als Kunstschöpfung – als Objekt – muss sich mit poetischen Mitteln authentifizieren. Nemes Nagy ist eine der prominentesten Formkünstlerinnen der ungarischen Dichtungsgeschichte, die jedoch nie mit ihrer überlegenen Virtuosität prahlte. Sie benutzte ihre Mittel funktional, sparsam. Sie sprach oft auch darüber, dass in der Literatur die höchste Qualität das verpflichtende Minimum ist, die Authentizität sei aber nie eine ausschließlich ästhetische Frage. Ágnes Nemes Nagy hatte eine sehr dezidierte Meinung von der Politik. Sie definierte ihre Auffassung entlang der liberal-humanistischen Werte. Ihrer Überzeugung nach kann der Dichter seine künstlerische Freiheit keiner politischen Bewegung unterordnen. In ihren Gedichten – beispielsweise in Echnatons Nacht die 1956er Revolution – erscheint das Politikum in einer ebenso objektivierten Form wie jedes andere Thema auch. Auch darin brach sie mit einer sehr starken Tradition der ungarischen Dichtung, und zwar nicht der begrenzenden Diktatur, sondern der eigenen gedanklichen Ansprüche wegen. Ágnes Nemes Nagys Dichtung ist in einer weiteren Annäherung definierend und befreiend. Von den 1960er Jahren an, als ihre Bedeutung immer unwiderlegbarer wurde und den in der westlichen Welt sich entfaltenden Frauenbewegungen im totalitären System kein Raum zustand, wurde sie für viele, besonders für ihre jüngeren Berufskolleginnen, zum persönlichen Beispiel für eine Haltung, die an der Gleichberechtigung der Geschlechter keinen Zweifel lässt. Für diese Vorbildrolle war sie auch dadurch geeignet, dass ihren Gedichten die eindimensionale Empfindsamkeit fern war, die konservative Kritiker für gewöhnlich mit der Frauendichtung assoziieren. Diese Rolle wird durch den umfangreichen, nach ihrem Tod erschienenen Interviewband dokumentiert. Die inneren Spannungen ihres Lebens und ihrer Dichtung wurden sichtbar, als nach ihrem Tod aus dem Nachlass jene Hefte auftauchten, in die sie jahrzehntelang Gedichte und Gedichtskizzen notierte, die ihrer sonstigen, der Öffentlichkeit zugestandenen Poetik diametral entgegen standen. Ein unerwarteter, bruchstückhafter Fund, der ihr poetisches Lebenswerk ungefähr verdoppelte, und der zahlreiche wunderbare Werke beinhaltet – unter anderem jene den Gipfel ihrer Lyrik markierende Poesie Über Gott –, die ihre ganze Aktivität wie im Gegenlicht beleuchtet. So wurde das Lebenswerk von Ágnes Nemes Nagy nicht einfach zu einer Reihe hervorragender Gedichte, sondern auch zur gedanklich ausgearbeiteten einheitlichen Komposition. An ihrem Lebensende bedauerte sie bitter, so vieles nicht mehr geschrieben zu haben. „Riesige, unglaubliche Löcher gibt es in meinem Lebenswerk. Jetzt sehe ich es, da ich den gesammelten Essayband zusammenstelle“, schrieb sie in einer kurzen Notiz. Die Nachwelt sieht es aber anders. Auch in ihrer Geschlossenheit bleibt ihre Dichtung, auf deren äußeren Ringen ihre Kindergedichte und Übersetzungen Platz nehmen, offen, mutig und rein, und die glänzend geistreiche Interpretation dazu liefern ihre Essays, eine der wunderbarsten Leistungen der Lyrikgeschichte des 20. Jahrhunderts. Julia Schiff ist berufene Übersetzerin der ungarischen Gegenwartslyrik. Die hier figurierenden Gedichte hat sie nach gründlichem Studium des lyrischen Lebenswerks von Ágnes Nemes Nagy ausgewählt. Sie konzentrierte sich dabei auf vier Hauptthemenkreise: den Echnaton-Zyklus, die um die geologisch-meteorologischen Metaphern gruppierten Kompositionen Nemes Nagys objektivierender Lyrik, die Naturlyrik und die seltenen persönlichen Gedichte. Diese Motive durchweben den Band wie vier Leitmotive. Wir geben die Gedichte in der von Ágnes Nemes Nagy herausgebildeten Reihenfolge wieder, in die wir die aus dem Nachlass aufgetauchten Werke einfügen. Es muss erwähnt werden, dass Julia Schiff nie die formelle Treue anstrebte. Sie hätte es auch kaum tun können. In ihrem bereits zitierten Essay war sich Ágnes Nemes Nagy dessen wohl bewusst, was für ein Problem die Übersetzung ungarischer Gedichte bedeute. Das den finnougrischen Sprachen zuzuordnende Ungarisch ist, in Abweichung von den indoeuropäischen Sprachen, eine flektierende Sprache – ein Umstand, der sich auch auf die Versifikation auswirkt. „Dem ist auch zuzuschreiben – schrieb sie –, dass die ungarische Lyrik des 20. Jahrhunderts, die Flexibilität ihrer Sprache, d. h. ihr Reichtum an Assonanz ausnutzend, in viel größerem Maße Reime anbietet als dies in der Weltliteratur üblich ist. Und was die Rhythmik angeht: Die scharfe Trennbarkeit der Silben des Ungarischen ermöglichte es, dass in der ungarischen Dichtung drei rhythmische Systeme koexistieren: ein betontes, ein gereimt-metrisches und ein klassisch-metrisches. Und dies macht sie kaum zu übersetzen“. Eine Übersetzung, die steif den Reimen und der Metrik des Originals folgt, erreicht leicht eine andere Wirkung als die erwünschte. Sie würde diese sehr modern musikalische, wenn nötig, klassisch geschlossene, mal dissonant gehetzte Poesie konventionell machen. Die ungebundene Form lässt Ágnes Nemes Nagys Stimme paradoxerweise treuer erklingen. Győző Ferencz
Aktualisiert: 2023-05-30
> findR *

Nirgendwo Europa

Nirgendwo Europa von Pop,  Traian, Schiff,  Julia
Imre Váradi, Chemie-Ingenieur und 1956er-Dissident, kehrt mit seiner indischen Frau Irene als Frührentner aus England in sein Heimatland zurück. Er lässt sich in einem kleinen Dorf in Westungarn nieder, das die Fesseln der sozialistischen Verwaltung und des Dirigismus von oben noch nicht abgeworfen hat. Das Dorf, dem die Mittel und die geistige Mobilität für eine selbständige Handlung fehlen, verharrt wie in einem Dornröschenschlaf. Die im Westen geschulten Augen des Ingenieurs registrieren alle Zeichen dieser Stagnation. Doch gerade die romantische Unbeweglichkeit des Dorfes zieht Menschen aus dem Westen an, die eine Alternative zu ihrem hektischen Leben suchen, aber allmählich auch aus dem eigenen Land. Sie kaufen sich Sommerhäuser im Dorf, doch ihre Wirkungslosigkeit kann das dortige Leben nicht voranbringen. Die Globalisierung und der Traum von der Europäischen Union, die eine Mobilisierung der Menschen erfordert, kommen mittlerweile in der Ortschaft an. Seine Bewohner aber fühlen sich als Stiefkinder der EU. (…) Ernő schüttelte den Kopf. – Ich wäre für eine andere Lösung. Warten wir nicht auf Europas Hilfe. Nehmen wir lieber Sandras Angebot an. – Von welcher Sandra? Sandra Holczinger? Der Schauspiele- rin? Das ist nicht dein Ernst –, meinte Dénes. – Doch –, mischte sich Mihály ein. – Ich weiß nicht, was sie anbietet, aber sie ist die Ein- zige, die sich für dieses Dorf engagiert, obwohl sie längst schon in einem Budapester Theater ihr Brot verdient. Hat sie nicht deutsche Lieder aus dem Einwanderergut gesammelt und ist mit ihnen aufgetreten, sogar im Ausland? Wahre Heimatliebe darf nicht untergeschätzt werden. – Gerade darum meine ich –, sagte Ernő -, wenn sie glaubt, die nötigen Mittel mit ihrer Spendenaufruf-Aktion beschaffen zu können, lassen wir sie handeln. Und unterstützen sie von Kräften. Die Männer nickten bedächtig. Sie legten das Schicksal ihrer Kirche in die Hand einer jungen Frau. Lieferbare Titel von Julia Schiff: Reihertanz. Roman. 268 Seiten, ISBN 978-3-86356-014-0€ [D]15,80; “Steppensalz”. Aufzeichnungen eines Ausgesiedelten. Roman. 284 Seiten, ISBN 978-3-86356-033-1, € [D]15,80 Verschiebungen. Roman. 220 Seiten, ISBN 978-3-86356-075-1, € [D]15,50 Győrffy Ákos, Regungslos (Übersetzung des Lyrikbandes Nem mozdul aus dem Ungarischen ins Deutsche György Mandics / Zsuzsanna M. Veress. Aus den Aufzeichnungen von János Bolyai Aus dem Ungarischen von Julia Schiff. Überarbeitet von Peter Gehrisch.Gedichte.Pop Lyrik. ISBN: 978-3-86356-148-2, 72 Seiten, € [D]16,50 Ágnes Nemes Nagy: Sonnenwenden / Napfordulók. Ausgewählte Gedichte. Deutsch / Ungarisch. Vorwort von Gyözö Ferencz. Aus dem Ungarischen von Julia Schiff in Zusammenarbeit mit Peter Gehrisch. Reihe Lyrik Band 155, 185 Seiten, ISBN 978-3-86356-323-3; €[D]19,50. Nirgendwo Europa. Roman. Reihe Epik . Bd. 135, 104 Seiten, ISBN 978-3-86356-372-1; €[D]16,50
Aktualisiert: 2023-05-30
> findR *

Nirgendwo Europa

Nirgendwo Europa von Pop,  Traian, Schiff,  Julia
Imre Váradi, Chemie-Ingenieur und 1956er-Dissident, kehrt mit seiner indischen Frau Irene als Frührentner aus England in sein Heimatland zurück. Er lässt sich in einem kleinen Dorf in Westungarn nieder, das die Fesseln der sozialistischen Verwaltung und des Dirigismus von oben noch nicht abgeworfen hat. Das Dorf, dem die Mittel und die geistige Mobilität für eine selbständige Handlung fehlen, verharrt wie in einem Dornröschenschlaf. Die im Westen geschulten Augen des Ingenieurs registrieren alle Zeichen dieser Stagnation. Doch gerade die romantische Unbeweglichkeit des Dorfes zieht Menschen aus dem Westen an, die eine Alternative zu ihrem hektischen Leben suchen, aber allmählich auch aus dem eigenen Land. Sie kaufen sich Sommerhäuser im Dorf, doch ihre Wirkungslosigkeit kann das dortige Leben nicht voranbringen. Die Globalisierung und der Traum von der Europäischen Union, die eine Mobilisierung der Menschen erfordert, kommen mittlerweile in der Ortschaft an. Seine Bewohner aber fühlen sich als Stiefkinder der EU. (…) Ernő schüttelte den Kopf. – Ich wäre für eine andere Lösung. Warten wir nicht auf Europas Hilfe. Nehmen wir lieber Sandras Angebot an. – Von welcher Sandra? Sandra Holczinger? Der Schauspiele- rin? Das ist nicht dein Ernst –, meinte Dénes. – Doch –, mischte sich Mihály ein. – Ich weiß nicht, was sie anbietet, aber sie ist die Ein- zige, die sich für dieses Dorf engagiert, obwohl sie längst schon in einem Budapester Theater ihr Brot verdient. Hat sie nicht deutsche Lieder aus dem Einwanderergut gesammelt und ist mit ihnen aufgetreten, sogar im Ausland? Wahre Heimatliebe darf nicht untergeschätzt werden. – Gerade darum meine ich –, sagte Ernő -, wenn sie glaubt, die nötigen Mittel mit ihrer Spendenaufruf-Aktion beschaffen zu können, lassen wir sie handeln. Und unterstützen sie von Kräften. Die Männer nickten bedächtig. Sie legten das Schicksal ihrer Kirche in die Hand einer jungen Frau. Lieferbare Titel von Julia Schiff: Reihertanz. Roman. 268 Seiten, ISBN 978-3-86356-014-0€ [D]15,80; “Steppensalz”. Aufzeichnungen eines Ausgesiedelten. Roman. 284 Seiten, ISBN 978-3-86356-033-1, € [D]15,80 Verschiebungen. Roman. 220 Seiten, ISBN 978-3-86356-075-1, € [D]15,50 Győrffy Ákos, Regungslos (Übersetzung des Lyrikbandes Nem mozdul aus dem Ungarischen ins Deutsche György Mandics / Zsuzsanna M. Veress. Aus den Aufzeichnungen von János Bolyai Aus dem Ungarischen von Julia Schiff. Überarbeitet von Peter Gehrisch.Gedichte.Pop Lyrik. ISBN: 978-3-86356-148-2, 72 Seiten, € [D]16,50 Ágnes Nemes Nagy: Sonnenwenden / Napfordulók. Ausgewählte Gedichte. Deutsch / Ungarisch. Vorwort von Gyözö Ferencz. Aus dem Ungarischen von Julia Schiff in Zusammenarbeit mit Peter Gehrisch. Reihe Lyrik Band 155, 185 Seiten, ISBN 978-3-86356-323-3; €[D]19,50. Nirgendwo Europa. Roman. Reihe Epik . Bd. 135, 104 Seiten, ISBN 978-3-86356-372-1; €[D]16,50
Aktualisiert: 2023-04-20
> findR *

Sonnenwenden

Sonnenwenden von Ferencz,  Győző, Gehrisch,  Peter, Nemes Nagy,  Agnes, Pop,  Traian, Schiff,  Julia
„Riesige, unglaubliche Löcher gibt es in meinem Lebenswerk“ Zu Ágnes Nemes Nagys Poesie Die ungarische Dichterin Ágnes Nemes Nagy (1922-1991) gehörte jener Generation an, deren Jugend und Heranreifen zur Dichterin in die Jahre des Zweiten Weltkriegs fiel. Der Krieg zwang sie alle zur Stellungnahme und er wurde für ihr ganzes Leben zur Referenzbasis. Auch dann, wenn sie keine Zeile darüber geschrieben haben. Wenn ich versuche, sie innerhalb ihrer Generation auf der Weltkarte der Lyrik zu platzieren, dann gehört Nemes Nagy in die Gesellschaft von Lyrikern, deren Poetik miteinander verwandt war oder, im Gegenteil, zueinander in Opposition stand wie Paul Celan, Ingeborg Bachmann, Yves Bonnefoy, Wislawa Szymborska, Lorand Gaspar, Miroslav Holub, Philip Larkin, Vasko Popa, Allen Ginsberg und Robert Lowell, ebenso Franz Fühmann, der an seinem Lebensabend einen Gedichtband von ihr übersetzt hat. Diese Lyriker waren entweder Verfolgte oder sie kämpften gezwungenermaßen oder aus Überzeugung auf einer der Seiten. Es gab solche, die den Dienst verweigert hatten oder sich tatkräftig am antifaschistischen Widerstand beteiligten. Ágnes Nemes Nagy half 1944 an der Rettung der verfolgten Juden, gemeinsam mit ihrer Chemikerin-Schwägerin fälschte sie Dokumente und brachte befreiende Bescheinigungen sowie Kleidungsstücke in die mit einem Stern bezeichneten Häuser. Hierüber sprach sie aber kaum. Kam es in Interviews dennoch zur Sprache, erwähnte sie es kurz angebunden und sachgemäß. 1997 erhielt sie posthum die Yad Vashem-Auszeichnung des Staates Israel. In ihrem Essay Vorwort zu einem Lyrikband, das sie für eine englischsprachige Lyrikauswahl vorbereitete, charakterisierte sie ihre Dichtung folgendermaßen: „Der Dichter ist der Spezialist der Gefühle. Im Laufe der Ausübung meines Berufs machte ich die Erfahrung, dass die sogenannten Gefühle aus mindestens zwei Schichten bestehen. Die allgemeine Vereinbarung hat im Großen und Ganzen dasselbe Verständnis von ihnen, ihnen ist eine Vergangenheit, eine Wissenschaft und Literaturgeschichte eigen. Sie sind Staatsbürger unserer Herzen. – Die andere Schicht ist das Niemandsland der Namenlosen. Wenn ich um 18 Uhr abends an der Ecke der Kékgolyó-Straße ankomme und sehe, dass der Rand des Sonnenscheins in einem gewissen Winkel auf die Burg fällt und die Olivenbäume des Vérmező ihren Schatten auf eine gewisse Weise werfen, werde ich immer wieder erschüttert. Diese Gemütsbewegung hat keinen Namen. Dabei stand schon jeder an der Ecke je einer Kékgolyó-Straße. Wie oft bin ich genötigt, dem namenlosen Gefühl einen konventionellen Namen zu geben! Und nicht nur um die Schraube der Logik der allgemeinen Vereinbarung mit Öl zu beträufeln. Nein. In meiner verständnislosen Verwirrung verderbe ich selbst die Sache, und stürze das Namenlose der Kékgolyó-Straße in eine Pfütze herbstlicher Nostal-gie oder in ein Becken historischer Begeisterung. Gewiss, zumal die herbstliche Nostalgie und die historische Begeisterung bereits unser Herz bewohnen. Ich glaube, es gehört zu den Pflichten des Dichters, immer mehr Namenlosem Bürgerrecht zu verschaffen.“ Wenige Seiten weiter fügte sie noch hinzu: „Mir vermitteln dieses Unbekannte hauptsächlich die Objekte, daher bin ich bemüht, dem Leser Objekte zu vermitteln. Einen Geysir, einen Ast, das Bruchstück einer Skulptur, eine Straßenbahn, die Kriegserlebnisse mitreißen können (der Krieg: Grunderfahrung meiner Generation) oder das Erlebnis der Natur (das Zusammenleben mit der Natur ist eine der bedrohten Nostalgien des heutigen Menschen), eventuell den Mythos eines ägyptischen Pharaonen (der moderne Mythos ist ein Modell unseres Lebensgefühls)“. In der Tat erscheinen in ihren Gedichten die biographischen Elemente durch mehrfache poetische Filter entfremdet. Wenn ich, ihren Platz von ihrer Generation abstrahierend, aufgrund ihrer poetischen Auffassung suche, so würden sie dem Kreis der Erschaffenden von sogenannter objektiver Poesie zugehören. Sie selbst meinte es auch so. Die objektive Lyrik sei keine Richtung, sondern, wie sie es in einem Essay erörterte, vielmehr eine Epochen überbrückende Methode. Zudem keinesfalls eine einheitliche Methode. Rilke, den sie auch übersetzt hatte, hatte sie beeinflusst, sie kannte die Gedichte und die Theorie von T. S. Eliot über die poetische Entpersönlichung, sie las die Dichter der Neuen Sachlichkeit, beobachtete die ähnlichen französischen Bestrebungen von Mallarmé bis zu den eigenen Zeitgenossen. Und sie kannte natürlich die ungarischen Präzedenzen von innen. Jenseits ihrer eigenen Neigungen kommt es vielleicht nicht von ungefähr, dass sie Anfang der 1950er Jahre ihre eigene Auffassung erschuf, als nach dem Krieg eine erneute Diktatur auf Ungarn lastete. Ágnes Nemes Nagy hatte nicht nur geschrieben, sondern auch ununterbrochen reflektiert, was sie tat. Dies ist für die Nachwelt um so wertvoller, als im größten Teil ihrer schöpferischen Jahre die Verhältnisse dem von ihr vertretenen Literaturideal nicht gewogen waren. Dieses Ideal hätte die Literatur vorrangig als Literatur betrachtet. Daher waren Ágnes Nemes Nagy die Fragen des poetischen Metiers so wichtig: Durch sie vertrat sie die Freiheit der Literatur zu einer Zeit, die wechselweise, anfangs mit grob administrativen, später auch mit umgesetzten Methoden diese Unabhängigkeit beschränken wollte. Sie war auch eine hervorragende Essayistin, ihre kristallklaren Aufsätze über die moderne Poesie hatten in der literarischen Welt der 70er und 80er Jahre einen Sensationswert. Zum Teil dadurch, dass sie in einer homogen durchpolitisierten und -ideologisierten Welt – die aber, zugegebenermaßen immer weniger eine offene Stellungnahme erforderte –, ihrem Beruf nachging. Und dies war eine eindeutige Stellungnahme. Sie selbst beobachtete ungläubig, dass sie es tun konnte, aber sie tat es. Den äußeren Rahmen ihres Lebens lieferte bis zu ihrem Auftakt als Dichterin der sich zum offenen Terror steigernde Faschismus, von 1948 an der Stalinismus, und im größten Teil ihrer Laufbahn, nach der Niederwerfung der 1956er Revolution, die allmählich milder werdende kommunistische Diktatur. Inzwischen konnte sie in drei Nachkriegsjahren die schwindende Illusion der Demokratie erleben, und an ihrem Lebensende erlebte sie den Sturz der Berliner Mauer und die demokratische Umwandlung Europas, deren Zerbrechlichkeit sie nicht mehr erleben konnte. Gemeinsame Erfahrung der osteuropäischer Völker ist es, dass die äußeren Eroberer und die innere regierende Klasse sich würgend auf ihr Alltagsleben setzten, das kleinste Detail festsetzten, und dem Individuum keinen Bewegungsraum zugestanden. Das freie Denken und das selbstständige künstlerische Schaffen waren hier zu jeder Zeit und in jedem Regime verdächtig. Die Politik ist mal gewaltsam, mal bewilligend, aber sie will sie immer ihrer Kontrolle unterziehen. Noch mehr, die extrem autokratischen Systeme erfordern, dass die Künstler sie lobpreisen. Dies wäre für in den westlichen Demokratien sozialisierte Dichter wie Philip Larkin oder Yves Bonnefoy gewiss eine unverständliche Situation. Das trifft aber nicht auf deutsche Schriftsteller wie z. B. Franz Fühmann zu und auch Ingeborg Bachmann dürfte Erfahrungen in dieser Hinsicht gemacht haben. In diesem Milieu, ihre geistige Unabhängigkeit verteidigend, schuf Nemes Nagy ihr Lebenswerk. In Ungarn gab es nie eine entwickelte Stadtkultur, ein selbstbewusstes, um seine Rechte kämpfendes Bürgertum, es gab immer nur Versuche, sie zu schaffen. In der in ewigem Feudalismus stecken gebliebenen Gesellschaft wurde die unentbehrliche fachkundige Schicht in den früheren Jahrhunderten von den Bürgern der emporstrebenden sächsischen und schwäbischen Städte gestellt, und ab Ende des 19. Jahrhunderts von dem sich assimilierenden Judentum bzw. dem verarmenden ungarischen Kleinadel. Die Ahnen von Nemes Nagy aus dem Norden Siebenbürgens waren solche fachkundigen Menschen. Ihr Vater war Anwalt, wie mehrere ihrer Vorfahren, und es gab in der Familie reformierte Priester, Lehrer und Ingenieure. Das ehemalige Land ihrer Geburt, das Partium, wurde Teil Rumäniens. Sie kamen nach Budapest und wohnten zeitweilig, wie viele andere auch, in einem Waggon der Bahn. Ihre Tochter wurde also nicht in idyllische bürgerliche Verhältnisse hineingeboren, aber die Verhältnisse der Familie ordneten sich bald und Ágnes Nemes Nagy erhielt eine hervorragende Bildung in der innigen und Sicherheit gewährenden Atmosphäre eines freiheitlich gesinnten reformierten Mädchengymnasiums, dessen Direktor der bedeutende ungarische Dichter Lajos Áprily war. Nach dem Abitur ließ sie sich einschreiben ins Fach Ungarisch-Latein-Kunstgeschichte der Budapester Universität, wo sie 1944 ihr Studium mit dem Diplom abschloss. Bereits während ihrer Studienjahre kam sie in Kontakt mit einigen bedeutenden Vertretern des literarischen Lebens, darunter mit dem hervorragenden Ästheten und in den letzten Jahrzehnten auch international bekannten Romancier Antal Szerb, den sie während des nationalsozialistischen Terrors vergeblich zu retten versuchte: er wurde beim Arbeitsdienst totgeschlagen. 1944 schloss sie die Ehe mit dem Kritiker Balázs Lengyel. Im selben Jahr erschien ihr erster Lyrikband Kettős világban, für den sie die bedeutendste literarische Anerkennung der Zeit, den Baumgarten-Preis erhielt. 1946 lancierte sie mit Balázs Lengyel und anderen Vertretern ihrer Generation die kurzlebige, aber epochemachende Zeitschrift Újhold (Neumond), der 1948 unheilverkündende politische Angriffe zuteil wurden. Das Blatt wurde bald schon finanziell untergraben. Nach seiner Einstellung wurden sie und ihre Kompagnons aus dem literarischen Leben verdrängt. Ihre Gedichte konnten nicht erscheinen, bzw. sie war für politische Kompromisse oder um etwas zu schreiben, was hätte veröffentlicht werden können, nicht bereit. Aber sie übersetzte, und nach gewisser Zeit konnte sie Kindergedichte veröffentlichen. Von 1954 an unterrichtete sie im Gymnasium. Ab 1958 bestritt sie ihre sehr bescheidene Lebensunterkunft aus ihren Schriften und Übersetzungen. 1957 erschien ihr zweiter Band Szárazvillám (Trockenblitz). 1958 trennte sie sich von ihrem Mann, zu dem sie weiterhin enge schöpferische Verbindung pflegte. Ihr dritter Band Sonnenwende erschien weitere zehn Jahre später, 1967. Danach ordnete sie – ein fast beispielloses Exempel in der ungarischen Literatur statuierend – ihre neuen Gedichte keinen selbständigen Bänden zu, sondern fügte sie in ihre stets erweiterten Auswahl- und Sammelbände ein. A lovak és az angyalok (Pferde und Engel) (1969), Között (Dazwischen) (1981) und A föld emlékei (Erinnerungen der Erde) (1986) sind Stationen dieses außerordentlich anspruchsvollen Lebenswerks. Seit Anfang der 1960er Jahre durfte sie hier und da in westeuropäische Länder reisen und an Fachkongressen teilnehmen. 1979 nahm sie teil am Iowaer Programm für internationale Schriftsteller in den Vereinten Staaten von Amerika, ihre Gedichte erschienen auf Englisch. Sie führte Tagebuch über ihre Auslandsreisen, die post mortem erschienen. Ihrer Arbeit wurde mit bedeutenden Preisen Anerkennung gezollt. Ihre Radio- und Fernsehauftritte sowie seltene literaturpolitische Wortmeldungen wurden mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, denn ihren Worten verlieh ihr ganzes Leben und Werk Authentizität, größtenteils gerade dadurch, da sie sich nie auf ihre Heimsuchungen berief. Sie wurde zum Richtpunkt, und war Vorbild durch Haltung, ohne dies erstrebt zu haben. Nach drei Jahrzehnten konnte 1986 in Form eines Jahrbuchs ihre ehemalige Zeitschrift, das Újhold-Évkönyv (Neumond-Jahrbuch), wieder starten, dessen wichtigstes redaktionelles Prinzip ein allen Strömungen übergeordneter kritischer Geist war. Die Jahrbuch-Reihe erlosch 1991 mit ihrem Tod. Die Bedeutung der Dichtung Ágnes Nemes Nagys ist mehrschichtig. Zwar war ihr der experimentelle Radikalismus fern, dennoch hat sie die ungarische Lyrik wahrhaftig erneuert. Die Literaturkritik hat dies erst nach und nach, in den ihrem Tod folgenden Jahrzehnten zur Kenntnis genommen. Sie hat aber nicht nur dadurch Neues erbracht, dass sie entgegen der Tradition der subjektiven, flüchtige Eindrücke festhaltenden biographischen Erlebnisdichtung – eine objektive Dichtung pflegte, sondern auch, weil sie der lyrischen Wortmeldung einen ausgearbeiteten gedanklichen Rahmen verlieh. Die poetische Sprache, die den namenlosen Erfahrungen einen Namen verleiht, ist eine Form der Erkenntnis. Dazu musste sie Kompositionen schaffen, die auch dem Leser eine neue rezeptive Anschauung abverlangen. Diese neuen Gedichte sind möglicherweise schwer, zusammengesetzt, sie bewegen sich über komplizierte Ideenverknüpfungen, aber ebenso sind auch die Erfahrungen der Menschen, die das 20. Jahrhundert erlebt haben und dessen geschichtlich-politischen Ereignisse verstehen wollen, schwer und zusammengesetzt. Wer sie aber zu lesen lernt, dem werden sie trotzdem transparent, vom Humanismus der Verfasserin durchleuchtet. Für sie hat das poetische Wortergreifen einen moralischen Inhalt. Aber das Gedicht als Kunstschöpfung – als Objekt – muss sich mit poetischen Mitteln authentifizieren. Nemes Nagy ist eine der prominentesten Formkünstlerinnen der ungarischen Dichtungsgeschichte, die jedoch nie mit ihrer überlegenen Virtuosität prahlte. Sie benutzte ihre Mittel funktional, sparsam. Sie sprach oft auch darüber, dass in der Literatur die höchste Qualität das verpflichtende Minimum ist, die Authentizität sei aber nie eine ausschließlich ästhetische Frage. Ágnes Nemes Nagy hatte eine sehr dezidierte Meinung von der Politik. Sie definierte ihre Auffassung entlang der liberal-humanistischen Werte. Ihrer Überzeugung nach kann der Dichter seine künstlerische Freiheit keiner politischen Bewegung unterordnen. In ihren Gedichten – beispielsweise in Echnatons Nacht die 1956er Revolution – erscheint das Politikum in einer ebenso objektivierten Form wie jedes andere Thema auch. Auch darin brach sie mit einer sehr starken Tradition der ungarischen Dichtung, und zwar nicht der begrenzenden Diktatur, sondern der eigenen gedanklichen Ansprüche wegen. Ágnes Nemes Nagys Dichtung ist in einer weiteren Annäherung definierend und befreiend. Von den 1960er Jahren an, als ihre Bedeutung immer unwiderlegbarer wurde und den in der westlichen Welt sich entfaltenden Frauenbewegungen im totalitären System kein Raum zustand, wurde sie für viele, besonders für ihre jüngeren Berufskolleginnen, zum persönlichen Beispiel für eine Haltung, die an der Gleichberechtigung der Geschlechter keinen Zweifel lässt. Für diese Vorbildrolle war sie auch dadurch geeignet, dass ihren Gedichten die eindimensionale Empfindsamkeit fern war, die konservative Kritiker für gewöhnlich mit der Frauendichtung assoziieren. Diese Rolle wird durch den umfangreichen, nach ihrem Tod erschienenen Interviewband dokumentiert. Die inneren Spannungen ihres Lebens und ihrer Dichtung wurden sichtbar, als nach ihrem Tod aus dem Nachlass jene Hefte auftauchten, in die sie jahrzehntelang Gedichte und Gedichtskizzen notierte, die ihrer sonstigen, der Öffentlichkeit zugestandenen Poetik diametral entgegen standen. Ein unerwarteter, bruchstückhafter Fund, der ihr poetisches Lebenswerk ungefähr verdoppelte, und der zahlreiche wunderbare Werke beinhaltet – unter anderem jene den Gipfel ihrer Lyrik markierende Poesie Über Gott –, die ihre ganze Aktivität wie im Gegenlicht beleuchtet. So wurde das Lebenswerk von Ágnes Nemes Nagy nicht einfach zu einer Reihe hervorragender Gedichte, sondern auch zur gedanklich ausgearbeiteten einheitlichen Komposition. An ihrem Lebensende bedauerte sie bitter, so vieles nicht mehr geschrieben zu haben. „Riesige, unglaubliche Löcher gibt es in meinem Lebenswerk. Jetzt sehe ich es, da ich den gesammelten Essayband zusammenstelle“, schrieb sie in einer kurzen Notiz. Die Nachwelt sieht es aber anders. Auch in ihrer Geschlossenheit bleibt ihre Dichtung, auf deren äußeren Ringen ihre Kindergedichte und Übersetzungen Platz nehmen, offen, mutig und rein, und die glänzend geistreiche Interpretation dazu liefern ihre Essays, eine der wunderbarsten Leistungen der Lyrikgeschichte des 20. Jahrhunderts. Julia Schiff ist berufene Übersetzerin der ungarischen Gegenwartslyrik. Die hier figurierenden Gedichte hat sie nach gründlichem Studium des lyrischen Lebenswerks von Ágnes Nemes Nagy ausgewählt. Sie konzentrierte sich dabei auf vier Hauptthemenkreise: den Echnaton-Zyklus, die um die geologisch-meteorologischen Metaphern gruppierten Kompositionen Nemes Nagys objektivierender Lyrik, die Naturlyrik und die seltenen persönlichen Gedichte. Diese Motive durchweben den Band wie vier Leitmotive. Wir geben die Gedichte in der von Ágnes Nemes Nagy herausgebildeten Reihenfolge wieder, in die wir die aus dem Nachlass aufgetauchten Werke einfügen. Es muss erwähnt werden, dass Julia Schiff nie die formelle Treue anstrebte. Sie hätte es auch kaum tun können. In ihrem bereits zitierten Essay war sich Ágnes Nemes Nagy dessen wohl bewusst, was für ein Problem die Übersetzung ungarischer Gedichte bedeute. Das den finnougrischen Sprachen zuzuordnende Ungarisch ist, in Abweichung von den indoeuropäischen Sprachen, eine flektierende Sprache – ein Umstand, der sich auch auf die Versifikation auswirkt. „Dem ist auch zuzuschreiben – schrieb sie –, dass die ungarische Lyrik des 20. Jahrhunderts, die Flexibilität ihrer Sprache, d. h. ihr Reichtum an Assonanz ausnutzend, in viel größerem Maße Reime anbietet als dies in der Weltliteratur üblich ist. Und was die Rhythmik angeht: Die scharfe Trennbarkeit der Silben des Ungarischen ermöglichte es, dass in der ungarischen Dichtung drei rhythmische Systeme koexistieren: ein betontes, ein gereimt-metrisches und ein klassisch-metrisches. Und dies macht sie kaum zu übersetzen“. Eine Übersetzung, die steif den Reimen und der Metrik des Originals folgt, erreicht leicht eine andere Wirkung als die erwünschte. Sie würde diese sehr modern musikalische, wenn nötig, klassisch geschlossene, mal dissonant gehetzte Poesie konventionell machen. Die ungebundene Form lässt Ágnes Nemes Nagys Stimme paradoxerweise treuer erklingen. Győző Ferencz
Aktualisiert: 2021-08-05
> findR *

Streiflichter. Fénycsóvák

Streiflichter. Fénycsóvák von Hudy,  Árpád, Jancsó,  Daniella, Kalász,  Orsolya, Schiff,  Julia
Das Lyrik Kabinett veröffentlicht eine Blütenlese ungarischer Dichtung des 20. und frühen 21. Jahrhunderts: Die durchgehend zweisprachige Anthologie Streiflichter will die deutsche Leserschaft für die ungemein vielgestaltige ungarische Lyrikszene sensibilisieren und den ungarischen Dichterinnen und Dichtern zeigen, dass sie in Deutschland wahrgenommen werden. Laut Orsolya Kalász (der Huchel-Preisträgerin 2017) bildet der Band eine „schöne und feste Brücke zur ungarischen Lyrik“ des 20. Jahrhunderts: „Dabei vereint er einerseits Autoren, die durch jahrzehntelange politische Grabenkämpfe in Ungarn getrennt wurden, zum anderen sind die Autoren durch ein und dieselbe Tradition verbunden. Den Glauben an die gesellschaftliche Relevanz ihrer Dichtung beziehen sie aus einem hohen ästhetischen und moralischen Anspruch an das Schreiben.“ Das Buch präsentiert 28 Dichterstimmen, von János Pilinszky (1921-1981) bis hin zu Gábor Lanczkor (* 1981).
Aktualisiert: 2019-01-08
> findR *

Aus den Aufzeichnungen von János Bolyai

Aus den Aufzeichnungen von János Bolyai von Gehrisch,  Peter, Mandics,  György, Pop,  Traian, Schiff,  Julia, Veress,  Zsuzsanna M.
Vorwort Der Text wurde zum Resonanzkörper für die brisantesten Probleme der Ceaușescu-Ära in Rumänien wie allgemein in unserer Zeit. Ungarns Geschichte ist reich an Kämpfen um die Freiheit der Nation. Zu erinnern ist an die Revolution von 1848/49, in der der Dichter Sándor Petőfi mit seiner Poesie für Ansporn und Begeisterung sorgte. In jener Zeit war ein anderer Ungar, János Bolyai (1802-1860), mit mathematischen Studien befasst. Sein 1831 veröffentlichter „Appendix“ weist ihn als Entdecker der nichteuklidischen Raumlehre aus, neben Carl Friedrich Gauß und Nikolai Lobatschewski. Bolyais Bedeutung findet einen Niederschlag darin, dass die Klausenburger Universität, ein Asteroid und seit 1970 ein Mondkrater seinen Namen tragen. Sein Vater, Farkas Bolyai, war Mathematiklehrer. Da die Familie sich ein Auslandsstudium für den begabten Sohn nicht leisten konnte, wandte sich der Vater an seinen ehemaligen Studienkollegen C. F. Gauß mit der Bitte, seinen Sohn zur Ergänzung seiner Mathematik-Studien für drei Jahre in sein Haus aufzunehmen. Da er auf den Brief keine Antwort erhielt, blieb János Bolyai nur, die Militärakademie in Wien abzuschließen und Genieoffizier zu werden. Mit großer Aufmerksamkeit und Zielstrebigkeit setzte er sich mit den Grundlagen der euklidischen Geometrie auseinander und entwickelte die Grundlagen einer nichteuklidischen Geometrie. Als sich Vater Farkas noch einmal an Gauß wandte und ihm seinen „Tentamen“ schickte, fügte er auch die Schriften seines Sohnes bei. Gauß lobte zwar dessen Leistung, war aber „aufs äußerste“ überrascht, denn er hatte diese Entdeckung selbst schon gemacht. Ein schwerer Schlag für János Bolyai, der sich fortan in vollständiger Isolation mit weiteren mathematischen Studien (über die Rolle der komplexen Zahlen in der Geometrie) und der Philosophie befasste. Sein umfangreicher Nachlass, bestehend aus z.T. stark beschädigten Manuskripten, Zetteln, die nur teilweise restauriert werden konnten, befindet sich in der Bolyai-Teleki Bibliothek in Neumarkt am Mieresch. Der 1943 in Temesvár, Rumänien, geborene Lyriker, Journalist und Essayist György Mandics ist seinem Studium zufolge eigentlich Mathematiker und Physiker. Der zusammen mit seiner mittlerweile verstorbenen ersten Frau Zsuzsanna M. Veress verfasste Lyrikband von 1979 „Aus den Aufzeichnungen von János Bolyai“ ist wohl der wichtigste Meilenstein in seinem Werk. In den Folgejahren verfolgten Mandics’ Publikationen Forschungen auf unterschiedlichen Gebieten. So widmete er sich rätselhaften Schriften, der Science fiction, Aufsätzen über außerirdische Wesen, der Runenschrift – auf letzterem Gebiet publizierte er die größte, eine 2000-seitige Enzyklopädie. Ein dokumentarischer Roman hat die rumänische Revolution von 1989 zum Inhalt (3 Bände). Den bruchstückhaften Notizen Bolyais und den beschädigten und lückenhaften Texten, die in einer Kiste aufgefunden wurden, tragen die Gedichte des Lyrikbandes Rechnung, die das Ehepaar Mandics / Veress verfasste, indem es mit in Klammern gesetzten Auslassungen und einer äußerst konzentrierten Sprache zu Werke ging. Die apokryphe Lyriksammlung extrapoliert den bekannten Stoff aus dem Niemandsland der Möglichkeiten und fasst die reellen oder zumindest wahrscheinlichen Motive im Leben und Schaffen Bolyais nach chronologischen bzw. den Prinzipien des Geistes zu einer Einheit zusammen. Der Veröffentlichung folgte eine literarische Ehrung in Ungarn, und in den Jahren nach der Zusammenbruch des kommunistischen Systems umgab das Buch eine kultische Aura, es wurde medial aufgearbeitet, wurde Objekt des Schulunterrichts und ihm wurden – insbesondere mit dem letzten Gedicht – während der Revolution von 1989, deren Ausbruch mit dem Geburtsdatum von Bolyai zusammenfiel, sogar prophetische Eigenschaften zugeschrieben: Sie wurden als Wegweisung für den Ausstieg aus dem kommunistischen Lager interpretiert. Der Text wurde zum Resonanzkörper für die brisantesten Probleme der Ceaușescu-Ära in Rumänien wie allgemein in unserer Zeit. Julia Schiff / Peter Gehrisch
Aktualisiert: 2018-11-01
> findR *

Katzengold

Katzengold von Schiff,  Julia
Die Oberherrschaft der österreichischen Monarchie Mitte des 19. Jahrhunderts und ein Berg- und Eisenwerk in den Banater Bergen bilden die äußeren Bedingungen des Romans, unter denen zwei junge Familien mit zusammen fünf Kindern 1852 in die Neue Welt aufbrechen. Grundlage von „Katzengold“ sind von Julia Schiff wiederentdeckte und nun überarbeitete Briefe aus Familienbesitz. Ein fesselnder Roman über Migration, Scheitern und Neubeginn.
Aktualisiert: 2023-03-21
> findR *

Reihertanz

Reihertanz von Schiff,  Julia
Es sind die Nachkriegsjahre stalinistischer Prägung in Rumänien, die einen jungen Mann unmittelbar nach der Heimkehr 1951 aus russischer Gefangenschaft in eine fünfjährige Deportation und zur Zwangsarbeit am Donau-Schwarzmeerkanal führen. In der Zeit unmenschlicher Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Strafkolonie verleiht ihm die tiefe Zuneigung zu einer jungen Deportierten Kraft zum Überleben bis zum Abbüßen seiner Strafe und zur Rückkehr in die Deportiertensiedlung. Zwanzig Jahre später, als der Exodus der Deutschen aus Rumänien seinen Anlauf nimmt und die Arbeiten der zweiten Etappe des Kanalbaus unter Ceauşescu im Gang sind, wird sein Sohn beim Versuch des illegalen Grenzübertritts gefasst. Reihertanz erzählt bei Beachtung der historischen Fakten und mit den Mitteln der literarischen Fiktion von einem menschenverachtenden System, von gewaltsamer Umerziehung ganzer Gesellschaftsschichten, von verwalteter Angst und vom Mut, von Überlebenstaktiken und Gesten des Widerstandes, von menschlichen Begegnungen und von einem geistigen Reifeprozess sowie von der trotz aller Widrigkeiten am Leben erhaltenden Liebe.
Aktualisiert: 2018-10-05
> findR *

Verschiebungen

Verschiebungen von Schiff,  Julia
Der Roman Verschiebungen handelt von den gewaltsamen Veränderun-gen im Leben einer Temeswarer Lehrerin und Schriftstellerin, die sie immer wieder zu Umwegen und Neuanfängen zwingen. Die Deportation in die Bărăgansteppe in der Kindheit überschattet auf Jahrzehn-te ihr Leben. Für viele Jahre kann sie nicht als Gymnasiallehrerin ar-beiten, gewinnt aber als Übersetze-rin im literarisch-künstlerischen Bereich Einblick in das literarische Leben ihrer Stadt, das bestimmt wird von der staatlichen Zensur. Verstümmelungen und Modifizierungen der zur Veröffentlichung eingereichten Texte sind an der Tagesord-nung. Die Protagonistin erfährt, wie die Staatssicherheitsbehörden Menschen sys-tematisch brechen und zur Mitarbeit zwingen. Immer mehr aus dem Kreis befreundeter deutscher Intellektueller, Künstler und Schriftsteller verlassen deshalb das Land. Eine Schicksalsgemeinschaft löst sich auf. Die ersten und enttäuschenden Erfahrungen in München, dem neuen Aufenthalt, beschließen den Roman.
Aktualisiert: 2018-10-05
> findR *
MEHR ANZEIGEN

Bücher von Schiff, Julia

Sie suchen ein Buch oder Publikation vonSchiff, Julia ? Bei Buch findr finden Sie alle Bücher Schiff, Julia. Entdecken Sie neue Bücher oder Klassiker für Sie selbst oder zum Verschenken. Buch findr hat zahlreiche Bücher von Schiff, Julia im Sortiment. Nehmen Sie sich Zeit zum Stöbern und finden Sie das passende Buch oder die Publiketion für Ihr Lesevergnügen oder Ihr Interessensgebiet. Stöbern Sie durch unser Angebot und finden Sie aus unserer großen Auswahl das Buch, das Ihnen zusagt. Bei Buch findr finden Sie Romane, Ratgeber, wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Bücher uvm. Bestellen Sie Ihr Buch zu Ihrem Thema einfach online und lassen Sie es sich bequem nach Hause schicken. Wir wünschen Ihnen schöne und entspannte Lesemomente mit Ihrem Buch von Schiff, Julia .

Schiff, Julia - Große Auswahl an Publikationen bei Buch findr

Bei uns finden Sie Bücher aller beliebter Autoren, Neuerscheinungen, Bestseller genauso wie alte Schätze. Bücher von Schiff, Julia die Ihre Fantasie anregen und Bücher, die Sie weiterbilden und Ihnen wissenschaftliche Fakten vermitteln. Ganz nach Ihrem Geschmack ist das passende Buch für Sie dabei. Finden Sie eine große Auswahl Bücher verschiedenster Genres, Verlage, Schlagworte Genre bei Buchfindr:

Unser Repertoire umfasst Bücher von

Sie haben viele Möglichkeiten bei Buch findr die passenden Bücher für Ihr Lesevergnügen zu entdecken. Nutzen Sie unsere Suchfunktionen, um zu stöbern und für Sie interessante Bücher in den unterschiedlichen Genres und Kategorien zu finden. Neben Büchern von Schiff, Julia und Büchern aus verschiedenen Kategorien finden Sie schnell und einfach auch eine Auflistung thematisch passender Publikationen. Probieren Sie es aus, legen Sie jetzt los! Ihrem Lesevergnügen steht nichts im Wege. Nutzen Sie die Vorteile Ihre Bücher online zu kaufen und bekommen Sie die bestellten Bücher schnell und bequem zugestellt. Nehmen Sie sich die Zeit, online die Bücher Ihrer Wahl anzulesen, Buchempfehlungen und Rezensionen zu studieren, Informationen zu Autoren zu lesen. Viel Spaß beim Lesen wünscht Ihnen das Team von Buchfindr.