Annäherungen an Friedrich Wilhelm I.
Eine Lesestunde im Schloss Königs Wusterhausen.
Jürgen Kloosterhuis
Friedrich Wilhelm I. in Preußen (reg. 1713-1740) zählte zweifelsohne zu den wirkungsstärksten Fürsten seiner Zeit – und ist trotzdem zum »König im Schlagschatten« geworden: zunächst überschattet vom Ruhm seines Sohnes, Friedrich des Großen; danach von Publizisten, die ihre Federkiele nach politischen Berichtsabsichten und höchstpersönlichen Erkenntnisinteressen lenkten; schließlich auch überschattet vom eigenen Charakter, mit dem er sich selbst das Leben schwer machte. Aber gerade dieser Monarch hat ein nahezu unverfälschtes, höchst individuelles Zeugnis der Lebenswelt hinterlassen, in der er sich am wohlsten fühlte: Schloss Königs Wusterhausen mit seiner nahegelegenen Kirche und der reizvollen, für fürstliche Jagdfreuden wie geschaffenen Umgebung.
Zur Feier des Zehn-Jahres-Tages der Wieder-Eröffnung von Königs Wusterhausen als Museums-Schloss war vom Bearbeiter dieses Bändchens am 4. September 2010 eine Lesestunde arrangiert worden, die ihren Gästen »Annäherungen an Friedrich Wilhelm I.« ermöglichen wollte: in Form von Texten zweier bedeutender Historiker des 19. und 20. Jahrhunderts (Leopold von Ranke, Carl Hinrichs) sowie zweier religiös motivierter Autoren der Zwischenkriegszeit (Reinhold Schneider, Jochen Klepper). In Sonderheit sollte der König selbst durch seine »Marginal-Dekrete« vernommen werden, also durch jene eigenhändig verfassten Randverfügungen, mit denen er tagtäglich ein siebenundzwanzigjähriges Monarchenleben lang sein komplexes Regierungsgeschäft betrieb. Daraus ergibt sich zunächst ein reizvoller Kontrast zwischen dem Aktenstil und der Literatensprache. Vor allem aber vermögen die Marginalien Friedrich Wilhelms Wesenszüge noch heute in einer Weise zu erhellen, wie sie unmittelbarer nicht sein kann.