Anthologie der realistischen Phänomenologie
Cheikh Mbacké Gueye, Josef Seifert
Der Ausdruck Phänomenologie ist heute höchst vieldeutig geworden. Husserl hat seit 1905 eine immer stärkere Wendung zum Idealismus kantischer Prägung hin vollzogen, durch die er den Boden der Phänomenologie, wie er sie begründet hatte, verlassen hat. Eine ähnliche Abweichung von der ursprünglichen Idee der Phänomenologie findet sich bei vielen anderen „Phänomenologen.“ Die „realistische Phänomenologie“, deren Vorläufer von Platon an und Klassiker von Husserl bis Schwarz in dieser ersten umfangreichen deutschsprachigen Anthologie zu Wort kommen, ist kein System, sondern eine Anwendung der philosophischen Urmethoden, wie sie alle großen Philosophen tatsächlich anwandten, wenn sie ihre entscheidenden Entdeckungen machten. Mögen auch von Philosophen generell andere Methoden bewußt zugrunde gelegt werden, in dem Moment, in dem diese Einsichten gewonnen werden, liegt tatsächlich zu allen Zeiten jener letzte, fruchtbare Kontakt mit „den Sachen selbst“ vor, der den Sinn der phänomenologischen Methode ausmacht, wie sie von den Meistern der realistischen Phänomenologie nur bewußter und systematischer angewandt wird als von vielen früheren Denkern. Nichts wäre darum irriger als in der phänomenologischen Betrachtungsweise eine Reduktion der Welt auf bloße „Phänomene“ zu erblicken oder gar eine bloße Deskription der „Erscheinung“ der Dinge. Zwischen phänomenologischer Betrachtungsweise und metaphysischer Wesensanalyse besteht kein Unterschied oder gar Gegensatz.