Antibiotika-Einsatz bei Harnwegsinfektionen von Hunden und Katzen – Entwicklung und Evaluation von Anwendungsempfehlungen
Marie-Theres Rueter
Antibiotika spielen seit ihrer Entwicklung eine bedeutende Rolle bei der Bekämpfung von bakteriellen Infektionskrankheiten. Bereits zu Beginn des therapeutischen Einsatzes dieser Wirkstoffe wurden aber auch schon Resistenzen von Mikroorganismen gegenüber dieser neuen Stoffgruppe beobachtet. Die Resistenzproblematik hat sich im Lauf der Zeit durch Veränderungen in der Bakterienpopulation und einer fehlenden Weiterentwicklung von antibakteriellen Wirkstoffen verstärkt, sodass Antibiotika-Resistenzen derzeit eine der größten Herausforderungen sowohl in der Veterinärmedizin als auch in der Humanmedizin darstellen.
In der Humanmedizin gibt es seit langem sog. Antibiotic-Stewardship-Programme, die wie eine Art Leitfaden zur Behandlung von bakteriellen Infektionen zu verstehen sind. Beispielsweise mit dem Ziel, die Antibiotikaanwendung hinsichtlich Auswahl, Dosierung und Behandlungsdauer zu verbessern, um somit den Antibiotikaeinsatz zu reduzieren und der fortschreitenden Resistenzentwicklung entgegenzuwirken. Dabei sind bereits große Fortschritte dank dieser Programme zu verzeichnen.
In der Veterinärmedizin werden solche Programme bisher kaum angewendet.
Das Ziel dieser Doktorarbeit war daher, einen Teilaspekt eines solchen Antibiotic-Stewardships für die Veterinärmedizin zu entwerfen und dessen Nutzen und Durchführbarkeit zu überprüfen.
Da Harnwegsinfektionen zu den häufigsten Vorstellungsgründen von Hunden und Katzen in der „Klinik für kleine Haustiere“ der Freien Universität Berlin, an der diese Studie durchgeführt wurde, zählen, wurde dieses Erkrankungsbild herausgegriffen, um die Probleme des Antibiotikaeinsatzes zu untersuchen und durch gezielte Stewardship-Programme zu verbessern.
Um das Ziel dieser Doktorarbeit realisieren zu können, gliedern sich die Untersuchungen in verschiedene Abschnitte.
1) Im ersten Abschnitt der Dissertation (Januar 2012 – Dezember 2013) wurden retrospektiv von 105 Hunden und 59 Katzen, bei denen ein positiver mikrobiologischer Urinbefund vorlag, Daten hinsichtlich Erregerspektrum, Resistenzlage und Antibiotikaeinsatz ausgewertet.
2) Diese Daten bildeten die Grundlage für die Entwicklung von klinikinternen Therapieempfehlungen. Die entwickelten Therapieempfehlungen wurden in Form von Power Point Präsentationen und Handouts den Mitarbeitern der Klinik vorgestellt. Zusätzlich wurden z. T. Fälle individuell besprochen.
3) Nach Schulung der Mitarbeiter folgte der prospektive Studienabschnitt (Januar 2016 – Juni 2016). Bei 39 Hunden und 24 Katzen mit nachgewiesener Harnwegsinfektion wurde erneut das Erregerspektrum, die Resistenzlage sowie der Antibiotikaeinsatz untersucht, um mögliche Auswirkungen der durchgeführten Maßnahmen überprüfen zu können.
Die Akzeptanz gegenüber den entwickelten Therapieempfehlungen war hoch. Der mit der Einführung und Verbreitung dieser Informationen vorhandene personelle Aufwand war auch innerhalb des laufenden Klinikbetriebes realisierbar.
Eine Veränderung der lokalen Resistenzsituation konnte nicht nachgewiesen werden. Positiv wurde jedoch das Verschreibungsverhalten beeinflusst: Nach Etablierung von Therapieempfehlungen für unkomplizierte und komplizierte Harnwegsinfektion wurden häufiger Antibiotika mit einem schmalen Wirkspektrum eingesetzt. Amoxicillin ohne den Zusatz von Clavulansäure wurde signifikant häufiger im prospektiven Abschnitt verwendet (Hunde p = 0,02, Katzen p = 0,01).
Z. T. wurden anhand des ermittelten klinikinternen Erregerspektrums Therapieempfehlungen entwickelt, die von aktuellen Leitlinien abweichen. Diese Tatsache verdeutlicht, dass Informationen über das klinikinterne Erregerspektrum für die Therapie wichtig sind. Besonders auch im Hinblick auf die Aktualisierung der Tierärztlichen Hausapothekenverordnung, die den Einsatz von Antibiotika noch verschärft, sind diese Daten ausschlaggebend. Des Weiteren belegt die vorliegende Arbeit, dass es im Laufe der Untersuchung zu keiner Änderung der Sensibilität gegenüber den getesteten Antibiotika gekommen ist, was bedeutet, dass die gewonnenen Ergebnisse auch für einen längeren Zeitraum verwendbar und gültig sind.
Diese ersten erfolgversprechenden Ergebnisse (v. a. in Bezug auf das Verschreibungsverhalten) sollten dazu anregen, Stewardship-Programme in der Veterinärmedizin zu etablieren.