Auswirkungen der Tarifpluralität auf betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Normen.
Eva Verena Semler
Die Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit im Betrieb durch das Bundesarbeitsgericht hat zu einer Vielzahl rechtlicher Folgefragen geführt. Die Autorin widmet sich einer der in Rechtsprechung und Literatur bisher am wenigsten aufgearbeiteten Fragestellungen.
Betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen i.S.v. § 3 Abs. 2 TVG sind kraft gesetzlicher Geltungserstreckung auf eine betriebsweite Regelungseinheit angelegt, die in einem vermeintlichen Spannungsverhältnis zu der heute akzeptierten Tarifpluralität steht.
Die Autorin zeigt auf, dass die undifferenzierte Annahme einer stets auflösungsbedürftigen (betriebsweiten) Tarifkonkurrenz im Bereich dieser Normengruppe zu einer Verdrängung von geltenden Tarifnormen führt, die mit Blick auf die in Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Koalitionsfreiheit unverhältnismäßig ist, wenn sich die tariflichen Regelungsgegenstände inhaltlich nicht widersprechen.
Eine auflösungsbedürftige Tarifkonkurrenz ist nur anzunehmen, wenn neben der bloßen Existenz von Betriebsnormen in unterschiedlichen Tarifwerken eine inhaltliche Konkurrenz durch unvereinbare Regelungen derselben Sachmaterie vorliegt. Bezugspunkt ist dabei die einzelne Tarifnorm, nicht hingegen der gesetzlich nicht normierte Oberbegriff der Betriebsordnung. Die übrigen Betriebs- und Betriebsverfassungsnormen mit inkongruenten Regelungsgegenständen gelten mit Blick auf die möglichst weitgehende Aufrechterhaltung der Koalitionsfreiheit sämtlicher im Betrieb aktiver tariffähiger Koalitionen und ihrer Mitglieder nebeneinander.