Automat und Mensch
Über menschliche und maschinelle Intelligenz
Karl Steinbuch
Die Fähigkeiten moderner Automaten sprengen die Grenze dessen, was einst für „mechanische“ Gebilde als möglich erachtet wurde. Ihre Eigenschaften werden beschrieben in Kategorien, die bisher den Menschen vorbehalten waren, z. B. logische Verknüpfung, Zei chenerkennung, Gedächtnis, Lernen. Der Mensch ist für uns das „unbekannte Wesen“ [20. 7]. Unsere Einsicht in die Funktion unseres Denksystems ist gering. Wenn nun plötzlich durch Automaten vergleichbare Eigenschaften erzeugt werden können („künstliche Intelligenz“), erschließt sich dem for schenden Geist ein neuer Weg zum Verständnis des Menschen: Nämlich über das Verständnis der Automaten. Viele überkommene Vorstellungen müssen revidiert werden. Die Frage ist: Kann man geistige Vorgänge durch Erkenntnisse an Automaten nicht verstehen, teilweise verstehen, ganz verstehen? Die häufig gegebene Antwort, daß die Erkenntnisse der Physik für den einen Teil geistiger Vorgänge zuständig seien, für den anderen je doch nicht, ist meines Erachtens ein schlechter Kompromiß. Man muß zwar zugestehen, daß unsere heutigen Erkenntnisse nicht aus reichen, um alles oder auch nur den überwiegenden Teil zu erklären, man sollte aber keinesfalls die Vermutung akzeptieren, geistige Vorgänge unterhalb einer kritischen Organisationshöhe könne man physikalisch erklären, oberhalb dieser kritischen Organisationshöhe sei jedoch eine „überphysik“ zuständig. Solche Sprünge macht die Natur nicht. In diesem Buch werden die Grundbegriffe, die zum Ver ständnis moderner Automaten erforderlich sind, erklärt. In den ersten Kapiteln herrschen deshalb technische Erläuterungen vor. Hierbei ist eine leichtverständliche Darstellung angestrebt. Mathematische Formeln wurden weitgehend vermieden, dagegen sollen Bilder das Wesentliche veranschaulichen.