AUTOMATISCHE AKTIVITÄTSMESSUNG BEI MILCHKÜHEN ZUR FESTLEGUNG DES OPTIMALEN BESAMUNGSZEITRAUMS
Iris Schröter
Eine sichere Brunsterkennung und die Wahl des korrekten Besamungszeitraums sind Voraussetzungen für den Erfolg einer künstlichen Besamung. Ziel dieser Studie war es, das mittels Respaktortechnik erfasste Aktivitätsverhalten von Milchkühen im Verlauf der Brunst näher zu untersuchen und den optimalen Zeitraum für die künstliche Besamung in Relation zu charakteristischen Zeitpunkten einer Respaktorbrunst (Brunst, definiert durch eine mittels Respaktortechnik erfassbare Aktivitätserhöhung) zu bestimmen. Dazu wurden Daten auf insgesamt zehn Melkroboterbetrieben mit Kühen der Rasse Deutsche Holstein erhoben. Vier Betriebe nutzten im Untersuchungszeitraum den Melkroboter „VMS“ (DeLaval) und setzten das DeLaval-Aktivitätsmesssystem zur Brunsterkennung ein. Sechs Betriebe waren mit dem Melkroboter „Astronaut A3“ (Lely) und dem Aktivitätsmesssystem Qwes HR (SCR) ausgestattet. Die Aktivitätsmesswerte waren für das DeLaval-Aktivitätsmesssystem im 1h-Takt und für das Aktivitätsmesssystem Qwes HR im 2h-Takt verfügbar. In mehr als 2.100 Brunstzyklen wurde der Besamungszeitpunkt (Datum und Uhrzeit) aufgezeichnet und die kuhindividuelle Aktivität auf Basis der Rohwerte erfasst. Die prozentuale Abweichung der Aktivität im brunstnahen Zeitraum (48 h vor der künstlichen Besamung bis 24 h nach der künstlichen Besamung) von der Aktivität des Referenzzeitraums (240 h bis 49 h vor der künstlichen Besamung) wurde zyklusindividuell für jede 1h/2h-Periode ermittelt. Aus den berechneten Werten wurde ein zentrierter gleitender Mittelwert über jeweils fünf Werte (entspricht einem Zeitraum von fünf Stunden; DeLaval) bzw. über jeweils drei Werte (entspricht einem Zeitraum von sechs Stunden; Lely) gebildet und auf dieser Basis der zyklusindividuelle Aktivitätspeak bestimmt. Für Kühe der Lely-Betriebe wurden zusätzlich zyklusindividuell Beginn und Ende der Respaktorbrunst sowie die Anzahl der Perioden erhöhter Aktivität ermittelt. Die Definition dieser Parameter erfolgte ebenfalls auf Basis des vorstehend beschriebenen, zentrierten gleitenden Mittelwertes:
– Brunstbeginn: Beträgt der zentrierte gleitende Mittelwert bei drei aufeinander folgenden Werten mindestens 25 %, so gilt der Zeitpunkt des erstmaligen Erreichens/Überschreitens dieses Grenzwertes als Brunstbeginn.
– Periode erhöhter Aktivität innerhalb einer Brunst: Zusammenhängender Zeitraum nach Brunstbeginn, innerhalb dessen der zentrierte gleitende Mittelwert für die einzelnen Werte mindestens 25 % beträgt; einmaliges Unterschreiten der 25 %-Grenze wird nicht als Unterbrechung einer Periode erhöhter Aktivität gewertet. Für den Beginn einer Periode erhöhter Aktivität gelten die gleichen Voraussetzungen wie für den Brunstbeginn.
– Brunstende: das Ende der letzten Periode erhöhter Aktivität innerhalb eines brunstnahen Zeitraums
– Respaktorbrunst: Zeitspanne zwischen den auf Basis der Aktivitätsmessung definierten Parametern Brunstbeginn und Brunstende
Die mittlere Dauer der Respaktorbrunst betrug 19,1 ± 10,8 h. Dabei äußerte sich die Brunst in 84 % der Zyklen als eine zusammenhängende Periode erhöhter Aktivität, in 16 % der Zyklen traten mehrere Perioden erhöhter Aktivität auf. Der mittlere Abstand zwischen Brunstbeginn und Aktivitätspeak lag bei 8,8 ± 7,6 h. Der Aktivitätspeak erreichte im Mittel 271,8 ± 166,5 % (DeLaval-Aktivitätsmesssystem) bzw. 130,7 ± 70,5 % (Qwes HR) und trat am häufigsten in den späten Abendstunden am Vortag der Besamung und in den frühen Morgenstunden des Besamungstages auf. In Zyklen mit erfolgreicher Besamung erreichte der Aktivitätspeak signifikant höhere Werte im Vergleich zu Zyklen, in denen die Besamung nicht zu einer Trächtigkeit führte.
Innerhalb aller analysierten Zeitspannenklassen des brunstnahen Zeitraums gab es Besamungen, die zu einer Trächtigkeit führten. Dabei erreichten Besamungen vor oder kurz nach dem Aktivitätspeak ebenso wie sehr spät nach dem Peak durchgeführte Besamungen deutlich niedrigere Konzeptionsraten im Vergleich zu Besamungen im optimalen Zeitraum. Kühe der DeLaval-Betriebe wiesen mit 46,2 % bzw. 45,5 % tendenziell die höchsten Konzeptionsraten bei Besamungen innerhalb von 9 bis 16 h bzw. 17 bis 24 h nach dem Aktivitätspeak auf (p = 0,085). Innerhalb der Lely-Betriebe wurden die höchsten Konzeptionsraten von 49,6 % bzw. 48,1 % erreicht, wenn die Besamungen innerhalb von 7 bis 12 h bzw. von 13 bis 18 h nach dem Peak erfolgten (p = 0,02). In Relation zum Brunstbeginn wurden die höchsten Konzeptionsraten von mehr als 50 % erreicht, wenn die Besamungen innerhalb von 20 bis 23 h bzw. 24 bis 27 h nach dem Einsetzen der Respaktorbrunst erfolgten (p < 0,05). Zwischen dem Zeitabstand des Aktivitätspeaks vom Brunstbeginn und dem Zeitabstand der Besamung vom Aktivitätspeak konnte eine signifikante Wechselwirkung hinsichtlich der Zielgröße Besamungserfolg festgestellt werden. Mit zunehmender Zeitspanne zwischen Brunstbeginn und Aktivitätspeak wurden höhere Konzeptionsraten erzielt, wenn die Besamung näher am Aktivitätspeak erfolgte.
Für die Lely-Betriebe wurde zusätzlich das Roboterbesuchsverhalten auf Basis der Daten des Herdenmanagementprogramms T4C analysiert. Die mittlere Anzahl der Verweigerungen pro Kuh sowie die mittlere Anzahl an Roboterbesuchen pro Kuh stiegen bereits einige Tage vor der Besamung an und erreichten das Maximum 72 bis 49 h vor der künstlichen Besamung. Die mittlere Anzahl an Melkungen pro Tier wies ein deutliches Minimum innerhalb des 24h-Zeitraums vor der Besamung auf.
Die Untersuchungsergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, dass mit Hilfe der automatischen Aktivitätsmessung der Besamungserfolg beim Milchrind verbessert werden kann. Ausgehend von dem Beginn der Respaktorbrunst und dem Aktivitätspeak kann der optimale Besamungszeitraum bestimmt werden und dadurch die Konzeptionsrate um bis zu 20 % gesteigert werden. Die nachgewiesenen, im zeitlichen Zusammenhang mit der Brunst stehenden Veränderungen im Roboterbesuchsverhalten können als zusätzliches Hilfsmittel zur Brunsterkennung eingesetzt werden.