Baurecht I
Energieeffizientes Bauen -Aspekte der Mängelhaftung und Folgen für die Vertragspraxis
Elke Schmitz, Dietmar Walberg
Hohe Energiekosten und klimapolitische Zielsetzungen führen zu stetig steigenden Energieeffizienzstandards im Immobilienbereich. Mit wachsenden Anforderungen an die energetische Beschaffenheit von Gebäudehülle und Anlagentechnik steigen jedoch auch die fachspezifischen Herausforderungen für die an Planung und Ausführung Beteiligten. Abläufe und Leistungen werden komplexer. Schon vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass energieeffizientes Bauen und Sanieren zahlreiche potenzielle Risiken birgt. Im Ergebnis neuerer Untersuchungen wird ein Ursachenzusammenhang zwischen energetisch anspruchsvollen Gebäuden und dem zunehmenden Auftreten von Planungs- und/oder Ausführungsmängeln angenommen.
Von der Vielzahl bei energieeffizientem Bauen und Sanieren im Raum stehenden Rechtsfragen greift der vorliegende Beitrag einige durch Inkrafttreten der EnEV 2014 relevante sowie durch aktuelle Rechtsprechung thematisierte rechtliche Aspekte auf.
Was tun, wenn sich die Regeln vor Abnahme ändern?
Im ersten Teil (S. 6ff. ) stehen Themen im Mittelpunkt, die mit Inkrafttreten der EnEV 2014 einhergehen und insbesondere bei Projekten mit längeren Laufzeiten regelmäßig im Raum stehen können: Was tun, wenn sich gesetzliche Vorgaben und/oder die allgemein anerkannten Regeln der Technik (aaRdT) nach Vertragsabschluss und vor Abnahme ändern? Muss das Planungs-/ Bausoll „automatisch“ an aktuelle Standards angepasst werden? Welche Aufklärungs- und Beratungspflichten stehen hier im Raum? Und schließlich: Wie sichern Planer und Ausführende potenzielle Ansprüche auf Mehrvergütung? Dargestellt wird, welche Folgen sich in diesem Fall für die Vertragspraxis ergeben.
Welche Standards gelten für die Mängelbeseitigung?
Während der erste Teil haftungs- und vertragsrechtliche Aspekte bei Änderungen bis zum Zeitpunkt der Abnahme betrifft, befasst sich der zweite Teil (S.11ff.) zunächst mit der Frage, welche technischen Standards für die Mängelbeseitigung, gelten, wenn sich gesetzliche Vorgaben und/oder aaRdT nach Abnahme geändert haben. Antwort geben hier zwei jüngere Urteile des OLG Stuttgart, die – in Fortsetzung ständiger Rechtsprechung – klarstellen, nach welchen Standards Mängel zu beseitigen sind und welche Kostenrisiken in diesem Fall für Auftragnehmer bestehen.
Sodann werden einige im Kontext des energieeffizienten Bauens bedeutsamen Aspekten der Mängelhaftung aufgegriffen.
Nacherfüllung unverhältnismäßig – Schadensersatz in welcher Höhe?
Der nachfolgende Abschnitt (S.12) beschäftigt sich mit dem häufig und gerne von Auftragnehmern erhobenen Einwand unverhältnismäßiger Mängelbeseitigungskosten. Sind Aufwendungen in Höhe von ca. 44.000 Euro für eine EnEV-konforme Dämmung von Warmwasserleitungen gegenüber ca. 50 Euro pro Jahr mangelbedingt erhöhten Energieverbrauchskosten verhältnismäßig? Können Auftraggeber Schadensersatz in Höhe der vollen Mängelbeseitigungskosten verlangen, obgleich der Unternehmer zu Recht die Nacherfüllung wegen unverhältnismäßigen Aufwands verweigern darf? In dieser Frage hat der siebte Senat des BGH mit Urteil vom 11.10.2012 (VII ZR 179/11) für Klarheit gesorgt, dessen Grundsätze der fünfte Senat mit Urteil vom 04.04.2014 (V ZR 275/12) auch für das Kaufrecht übernommen hat.
Merkantiler Minderwert trotz Mängelbeseitigung?
Im Hinblick auf die zunehmende Bedeutung der energetischen Beschaffenheit im Kontext der Immobilienbewertung verlangen Auftraggeber nicht selten trotz einwandfreier Mängelbeseitigung Schadensersatz in Höhe des sog. merkantilen Minderwerts. (S.16 ) Jüngere Entscheidungen des OLG Hamm und OLG Stuttgart veranschaulichen diesbezügliche Voraussetzungen, der BGH befasste sich mit Urteil vom 06.12.2012 mit der Frage, ob es einen „Markt“ für Wertminderungen gibt und eine Schadensschätzung auf Grundlage einer „Expertenbefragung“ zulässig ist.
In der Tendenz der in diesem Beitrag aufgezeigten Rechtsprechung wird deutlich: Im Fall von energetischen Mängeln tragen Auftragnehmer ein hohes wirtschaftliches Risiko.