Bibliothekare im Nationalsozialismus. Handlungsspielräume, Kontinuitäten, Deutungsmuster
Michael Knoche, Wolfgang Schmitz
Seit den achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts konnten verschiedene Studien den Einfluss des Nationalsozialismus auf Bibliotheken und die persönliche Verstrickung prominenter Bibliothekare in das Unrechtssystem belegen. Seither wurden neue Erkenntnisse gewonnen, die auf einer Tagung mit dem Ziel, das Verhalten einzelner leitender Persönlichkeiten des wissenschaftlichen Bibliothekswesens zu beleuchten, vorgestellt wurden; die Denk- und Handlungsräume gerade solcher Vertreter der Berufsgruppe, die dem Regime kritisch oder als unpolitische Mitläufer gegenüberstanden, sind noch längst nicht erschöpfend ausgelotet. So lag der Fokus der Tagung auf Bibliothekaren, die ihre Karriere nach 1945 fortsetzen konnten. Dabei standen folgende Fragenkomplexe im Vordergrund: Welche Handlungsspielräume konnten sie ausnutzen? Welche intellektuellen und wissenschaftlichen Voraussetzungen haben ihnen eine Abgrenzung zum nationalsozialistischen Wissenschaftssystem ermöglicht? Haben sie das neue Regime als kategorialen Bruch zu ihrem eigenen Wert- und Ordnungssystem verstanden? Was haben die Bibliothekare anders gemacht als ihre der NS-Ideologie hörigen Kollegen? Oder haben sie nur geschickt den Entnazifizierungsprozess überstanden?
Die Ergebnisse der historisch-biographisch ausgerichteten Tagung 2009 in der Anna Amalia Bibliothek Weimar werden nun in dem von Michael Knoche und Wolfgang Schmitz herausgegebenen Sammelband vorgelegt. Über die eigentliche Thematik hinaus gibt der Band einen sehr interessanten Einblick in die Frage, wie die NS-Ideologie das Handeln und die Entscheidungen in primär nicht politischen, kulturellen Institutionen beeinflusste.