Caravaggio und die Grenzen des Darstellbaren
Ambiguität, Ironie und Performativität in der Malerei um 1600
Valeska von Rosen
Caravaggios Gemälde verfügen über ein hohes Maß an Irritierendem, Uneindeutigem und Provokantem. Sie weichen von den tradierten visuellen Mustern ab, unterlaufen Darstellungskonventionen und verschieben durch die Erweiterung des Gattungsspektrums die Grenzen des Bildwürdigen. Wie lassen sich die offenkundig kalkulierten Verstöße gegen die Prinzipien der Angemessenheit und der Evidenz der Darstellung erklären in einer Zeit, in der in zuvor nicht gekannter Weise die religiöse Bildsprache normiert und auf die Ideale der katholischen Reform ausgerichtet werden sollte? Dieser Frage geht die vorliegende Studie nach und entwirft ein Modell der Beschreibbarkeit für die Veränderungen in der Malerei um 1600. Dabei wird Caravaggio nicht als der Solitär betrachtet, zu dem ihn die kunsthistorische Forschung lange Zeit gemacht hat. Seine Werke werden vielmehr eingebettet in die bislang nur begrenzt empirisch erschlossene und theoretisch nicht gewürdigte Bildproduktion der sog. „Caravaggisten“. Die Autorin zeigt in prägnanten Bildanalysen, wie Caravaggio und die Maler in seinem Umkreis innerbildlich in zugespitzter und oft ironischer Weise die Frage nach der Art und Weise der Darstellbarkeit bestimmter Themen aufwerfen. Sie greifen in die Verhandlungen des Bildwürdigen ein, indem sie das Darstellbare selbst zum Thema machen. So indiziert gerade die „Unordnung“ oder „Verrückung“ der Semantik einen Wandel des Darstellungssystems und das Entstehen einer neuen künstlerischen Sprache für die alten wie für die neuen Bildaufgaben.