Celans Poetik des hermetischen Gedichts
Thomas Sparr
Die Lyrikauslegungen der vergangenen drei Jahrzehnte entfalten ein Netz korrespondierender Begriffe wie ,Dunkelheit“ und ,Rätsel“, ,Dissonanz“ und ,Sprachmagie“, ,aufhebende Bewegung“, ,Entgegenständlichung“ und das ,Verstummen im kryptisch gewordenen Wort“, um die besondere Bedeutungskonstitution moderner Lyrik zu umschreiben. Diese Begriffe bleiben unscharf und beliebig, weil sie niemals systematisch entfaltet worden sind. Es steht zu vermuten – und der begriffsgeschichtliche Teil wird dieser Vermutung recht geben -, daß die terminologische Unklarheit Ausdruck einer vermiedenen oder nicht zuende geführten Klärung der Frage ist, welche Bedeutungskonstitution der modernen Lyrik zugrunde liegt. Diese Arbeit sucht, anhand der Lyrik Paul Celans Antwort auf diese Frage zu geben, indem sie die Kategorie der Hermetik historisch wie systematisch präzisiert. Die zitierten Begriffe haben eines gemein: Sie nennen negative Kategorien, seien es Dunkelheit und Entgegenständlichung auf der Bezeichnungsebene, seien es Dissonanzen und Formen der Sprachmagie in der phonetisch-syntaktischen Anordnung lyrischer Texte.